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006 DIE VÖLKERWANDERUNG

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Das Römische Reich wankte, doch es vergingen noch Generationen, bis es fiel. Wohlgemerkt ist vom Weströmischen Reich die Rede, denn die Herrschaft wurde im Jahr 395 auf zwei Kaiser aufgeteilt, von denen einer in Rom beziehungsweise in der neuen Hauptstadt Ravenna residierte, der andere in Konstantinopel. (Dieser östliche Reichsteil, Byzanz, sollte bekanntlich noch ein weiteres Jahrtausend bestehen, s. Kap. 032.)


Der Heilige Severin von Noricum bekehrt einen barbarischen Krieger.

Damals hatte bereits jener Prozess eingesetzt, den wir heute gemeinhin Völkerwanderung nennen. Das nomadische Reitervolk der Hunnen war während der 370er-Jahre von Osten her an die Ränder Europas vorgestoßen, was die dort sesshaften germanischen Stämme verdrängte und sie zu jahrzehntelangen Wanderungen kreuz und quer durch den Kontinent veranlasste. Es würde zu weit führen, all die Züge der West- und Ostgoten, Langobarden, Vandalen, Sueben, Alemannen und der vielen anderen zu erläutern, die heute allenfalls dem Namen nach bekannt sind. Nur so viel sei gesagt: Auf ihrer Suche nach geschütztem Siedlungsraum oder schneller Beute zogen sie auch durch das heutige Österreich.

Die römische Provinz Pannonia musste 433 an Attilas Hunnen abgetreten werden, der nördliche Teil Noricums (»Ufernoricum«) wurde von den Kaisern in Ravenna immer mehr sich selbst überlassen. Es fehlte an Nachschub und Geld. An die Stelle der einst so schlagkräftigen römischen Armee traten zunehmend die mit Rom verbündeten »foederati«, barbarische Fürsten, die mit ihren Truppen Sicherheit und Ordnung gewährleisten sollten. Das taten sie aber oft recht eigenmächtig und nutzten ihre Stellung zur Schaffung eigener Hoheitsgebiete auf römischem Territorium. Zu ihnen zählten unter anderen die germanischen Rugier, die im Wein- und Waldviertel ein Reich gründeten. Über deren Beziehung zur romanisch-keltischen Bevölkerung wissen wir nicht zuletzt aus der Vita Sancti Severini, der Geschichte des berühmten Severin, der bis zu seinem Tod im Jahr 482 als christlicher Prediger im Donauraum wirkte und bereits zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt wurde.


Attila, der gefürchtete König der Hunnen, in einer phantasievollen, historisierenden Darstellung aus dem 19. Jahrhundert

In seine Zeit fiel das Ende des Weströmischen Reichs. Der junge, unerfahrene Kaiser Romulus, besser bekannt unter seinem Spottnamen Augustulus (das »Kaiserlein«), wurde 476 entmachtet. Odoaker, ein römischer Offizier germanischer Herkunft, rief sich zum »König von Italien« aus.

Vollkommen auf sich gestellt, blieb den Römern an der Donau nichts anderes übrig, als sich den Rugiern zu unterwerfen. Severin verfügte damals über große Autorität und diplomatisches Geschick, sodass er nicht nur geistlicher Führer war, sondern auch zum politischen Ansprechpartner der Rugier wurde. Erst nach seinem Tod verschlechterte sich die Lage.

Odoaker interessierte sich kaum für das Gebiet an der Donau, er sah es vielmehr, wie der Althistoriker Rajko Bratož schreibt, als »eine Art Sibirien, in das er politische Gegner vertrieb«. Doch als die Rugier vom oströmischen Kaiser gegen ihn, den weströmischen Usurpator, aufgestachelt wurden, nahm er dies 487/88 zum Anlass, gegen sie in den Krieg zu ziehen und deren Reich zu zerschlagen. Er ordnete nun die endgültige Räumung Ufernoricums an. Die verbliebenen Römer zogen in einem großen Treck zurück nach Italien, mit sich führten sie den (wie die Legende sagt, unverwesten) Leichnam Severins, den man in der Nähe von Neapel beisetzte. Fünf Jahrhunderte lang hatte die römische Herrschaft im Alpen- und Donauraum gedauert. Nun standen neue Völker bereit, ihre Nachfolge anzutreten.

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