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EINLEITUNG

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Dieses Buch erzählt aus zweitausend Jahren österreichischer Geschichte, vom keltischen »Regnum Noricum« der vorchristlichen Zeit bis zum Beitritt des Landes zur Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1995. Damit ergibt sich freilich ein erstes, grundlegendes Problem: Während der ersten Hälfte dieser langen Zeitspanne gab es noch gar kein Land namens Österreich und niemand konnte ahnen, dass es dereinst überhaupt existieren würde. Es ist daher präziser, von der Geschichte jenes geografischen Raumes zu sprechen, der zwischen Bodensee im Westen und Neusiedler See im Osten, zwischen der Thaya im Norden und der Drau im Süden liegt.

Dass die Schilderung bei den Kelten und nicht schon früher einsetzt, ist leicht zu erklären. Erstens verfügen wir hier erstmals über zahlreiche zeitgenössische, schriftliche Quellen, die hauptsächlich von ihren südlichen Nachbarn, den Römern, verfasst wurden – und mit dem Aufkommen der Schrift beginnt bekanntlich erst die Geschichte (alles, was sich in den Jahrtausenden zuvor abspielte, ist nämlich Sache der Urgeschichte). Zweitens waren die Kelten deshalb besonders wichtig, weil sie auf heute österreichischem Boden einen ersten Staat bildeten, nämlich das Regnum Noricum, das später von den Römern annektiert wurde.

Nach einem halben Jahrtausend römischer Herrschaft bildete das spätere Österreich weiterhin den Begegnungsraum vieler verschiedener Völker und Kulturen, wenngleich solche Begegnungen nicht immer friedlich verliefen. Auch blieb es – wie einst unter den Römern – fremdbestimmt, denn es war ein Teil des großen Heiligen Römischen Reichs* beziehungsweise, im Fall des Burgenlands, Ungarns.

Als im Jahr 996 »Ostarrichi« erstmals in den Quellen erwähnt wurde, war es nicht mehr als ein kleines Fleckchen Land am äußersten Rand des Reichs, eine Grenzmark, ein reines Anhängsel des Herzogtums Bayern*. Doch unter der Dynastie der Babenberger wuchs es rasch und beständig heran, umfasste bald das gesamte heutige Niederösterreich, dehnte sich ins heutige Oberösterreich aus, wurde zum Herzogtum erhoben und gewann schließlich die Steiermark hinzu. Dass in der Geschichtsschreibung ein Schwerpunkt auf die Entwicklung dieser einst kleinen bayrischen Mark gelegt wird, erscheint durchaus verständlich: Hier nämlich etablierte sich bald das politische Zentrum, das dem späteren Staat seinen Namen geben sollte – Österreich.

Unter den Habsburgern des Mittelalters setzte sich die Erfolgsgeschichte fort, indem Kärnten, Tirol und Vorarlberg gewonnen werden konnten. Die Habsburger, Jahrhunderte hindurch selbst Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, schufen schließlich durch ihre berühmte Heiratspolitik ein Weltreich und etablierten sich ab dem 17. Jahrhundert als europäische Großmacht. Auch die benachbarten Königreiche Böhmen und Ungarn standen unter ihrer Herrschaft. Politische, konfessionelle und nationale Spannungen prägten diese Vielvölkermonarchie und führten dazu, dass sie spätestens im 19. Jahrhundert immer brüchiger wurde, bis sie nach dem Ersten Weltkrieg endgültig auseinanderbrach.

Durch den Friedensvertrag von St. Germain entstand nun Österreich in seinen heutigen Grenzen. Die junge Republik, immer noch erschüttert von den Folgen des verheerenden Weltkrieges, bestand jedoch nur kurz, und auch die faschistische Kanzler-Diktatur, die ihr ein Ende bereitete, war nach wenigen Jahren vorbei. Mit dem »Anschluss« an das nationalsozialistische Deutsche Reich begann ein neues Kapitel, das düsterste und blutigste der österreichischen Geschichte. Noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg sträubten sich viele, ihre Rolle und jene ihrer Landsleute in den Jahren des Nationalsozialismus, des Krieges und der Shoah aufzuarbeiten. Der Mythos von Österreich als »Hitlers erstem Opfer« wurde nach 1945 zu einem tragenden Pfeiler der nationalen Identität und erschwerte eine ernsthafte, selbstkritische Reflexion. Viel lieber wies man auf die unbestreitbaren Erfolge hin, auf den wirtschaftlichen Aufstieg, die politische Stabilität und den kulturellen Reichtum. Tatsächlich entwickelte sich die Zweite Republik zu einem der sichersten und wohlhabendsten Länder der Welt, das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Zentrum des neuen, zusammenwachsenden Europas lag.

Diese zweitausend Jahre lange Geschichte in hundert kurzen Kapiteln zu schildern, war eine große Herausforderung. Natürlich konnte auf so begrenztem Raum nicht auf sämtliche Aspekte und Themen gleichermaßen eingegangen werden, deren Behandlung für eine umfassende historische Darstellung eigentlich nötig wäre. Dieses Buch bietet daher einen ersten Überblick, wobei (neben manchen »Ausflügen« in die Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte) die politische Geschichte stets im Vordergrund steht. Die Texte sollten dabei nicht durch zu viele Jahreszahlen und Fachbegriffe überladen werden, denn immerhin handelt es sich nicht um nüchterne Lexikoneinträge. Im Idealfall gelingt es diesem Buch, seine Leserinnen und Leser für die spannende Geschichte Österreichs zu begeistern und sie zu ermuntern, sich weiter darin zu vertiefen.

Georg Hamann

im April 2021

* Siehe Glossar, »Heiliges Römisches Reich«. In weiterer Folge mit * versehene Begriffe werden im Glossar näher erläutert.

100 x Österreich: Geschichte

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