Читать книгу Tausend Jahre Kaiserschmarrn - Georg Markus - Страница 11
Bilanz eines modernen Regenten Kurzes Gespräch mit Kaiser Josef II.
ОглавлениеJOSEF: na, was gibt’s neues in österreich, was hat sich in den letzten zweihundert jahren verändert?
MARKUS (setzt zu einer tiefen Verbeugung an)
JOSEF: lassen sie das! ich habe den hofknicks abgeschafft!
MARKUS (erhebt sich mit Mühe): Es gibt unglaublich viel Neues in Österreich, Majestät.
JOSEF: bitte keine titel! also, das neue!
MARKUS: Österreich ist ein moderner Rechtsstaat.
JOSEF: ich war es, der die aus drei instanzen bestehende gerichtsordnung einführte, die für alle bürger ohne unterschied des standes verbindlich ist. ich gründete die staatliche polizei, lockerte die zensurmaßnahmen, förderte gedanken- und geistesfreiheit.
MARKUS: Österreich ist ein Sozialstaat.
JOSEF: ich führte die ersten einrichtungen zur kranken- und altersvorsorge ein. welches ist ihr größtes spital?
MARKUS: Das Allgemeine Krankenhaus in Wien.
JOSEF: hab ich 1784 gegründet. war damals die modernste klinik der welt. ich ließ klöster zu spitälern umbauen, errichtete irrenanstalten und waisenhäuser.
MARKUS: In Österreich gibt es keine Todesstrafe.
JOSEF: die hab ich 1782 abgeschafft, gleichzeitig mit der folter. weiter!
MARKUS: Die Bauern gehören einem freien Berufsstand an.
JOSEF: ich war es, der ihre leibeigenschaft aufhob.
MARKUS: Wir leben im Zeitalter der Emanzipation.
JOSEF: drücken sie sich allgemeinverständlich aus! schließlich führte ich das deutsche anstelle des lateinischen als amtssprache ein. ach ja, zur emanzipation: in meiner regierung wurde die gleichberechtigung von mann und frau in der ehe durchgesetzt und die rechtsstellung unehelich geborener kinder verbessert.
MARKUS: Wir haben ein modernes Schulsystem.
JOSEF: ich setzte die bildungspolitik meiner mutter fort, baute die von ihr eingeführte schulpflicht aus, ließ eltern, die ihre kinder statt zur schule in die arbeit schickten, bestrafen. begabten aus mittellosen familien wurde der zugang zu gymnasien und universitäten erleichtert.
MARKUS: Unser Land zeichnet sich durch das Recht auf freie Religionsausübung aus.
JOSEF: das hab ich 1781 durch das toleranzpatent ermöglicht.
MARKUS: Abends geht man ins Burgtheater.
JOSEF: wurde von mir 1776 gegründet.
MARKUS: Unsere Regierung muß sparen.
JOSEF: das problem kenne ich. daher ließ ich zahlreiche einrichtungen des vielvölkerstaates durch einen modernen, zentralverwalteten einheitsstaat ablösen, wodurch zehntausende beamte eingespart wurden. ich sperrte schönbrunn und einen teil der hofburg zu, entließ die dienerschaft meiner mutter, behielt von der einstigen hofküche nur eine köchin. und ich war der erste kaiser, der sich selbst rasierte.
MARKUS: Alle Bürger können heute, wenn sie der Schuh drückt, beim österreichischen Bundespräsidenten vorsprechen.
JOSEF: das konnten sie bei mir auch schon. ich duldete als erster regent sogar kritik an meiner person.
MARKUS: Also, so weit sind wir noch nicht.