Читать книгу Hegels "Phänomenologie des Geistes". Ein systematischer Kommentar - Georg W. Bertram - Страница 12

Der systematische Ertrag

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Die Einleitung klärt vor allem, warum Hegel erstens das Projekt der Erkenntniskritik kritisiert und wie er zweitens seine eigene Philosophie als eine solche konzipiert, die dieser Kritik Rechnung trägt. Die Kritik der Erkenntniskritik ist nicht primär daraus motiviert, dass Hegel schon an diesem Punkt (der Einleitung) sicher wäre, sie für falsch halten zu können. Problematisch ist die Erkenntniskritik, wie sie besonders in der Neuzeit von Descartes bis Kant zunehmend als Selbstverständlichkeit etabliert wurde, aus Hegels Sicht, weil sie eine Reihe unbegründeter, und so ganz und gar nicht selbstverständlicher, Voraussetzungen macht. Diese Voraussetzungen haben ihren Kern in der Trennung von Subjekt und Objekt. Der Ertrag der Einleitung lässt sich entsprechend sehr knapp resümieren, indem wir sagen: Es geht ihr darum zu sagen, dass man weder den Begriff des Subjekts noch den Begriff des Objekts in zufriedenstellender Weise klären kann, wenn man ihre Trennung voraussetzt. In den Überlegungen zur immanenten Kritik von Wissenskonzeptionen haben wir aber auch gesehen, dass es Hegel nicht darum geht, einfach eine harmonische Einheit von Subjekt und Objekt zu behaupten. Er will vielmehr die Trennung beider aus ihrem Zusammenhang heraus denken.

Entsprechend seiner Kritik an dem Projekt der Erkenntniskritik gestaltet Hegel das Vorgehen der PhG so, dass er nicht von Anfang an mit einer eigenen Position aufwartet. Ganz im Gegenteil: Er will die Wissenskonzeption, die er am Ende verteidigt, dadurch gewinnen, dass er anderen Wissenskonzeptionen in ihren Widersprüchen folgt. So steht im Zentrum der PhG nicht die eigenständige Entwicklung einer Position, die Hegel seinen Leserinnen und Lesern präsentieren würde, sondern der Nachvollzug unterschiedlicher Positionen, die er verfolgt, um aus dieser Entwicklung heraus dann die Konturen einer haltbaren Wissenskonzeption zu gewinnen – einer Wissenskonzeption also, die er sich aus einem komplexen Dialog mit anderen Konzeptionen heraus zu eigen macht. Damit zeichnet sich ein entscheidendes Moment des Verständnisses von Philosophie ab, das Hegel vertritt: Er begreift seine eigene Philosophie dezidiert als eine Philosophie unter anderen Philosophien. Aus Hegels Sicht ist es kein unglücklicher Zufall, dass es unterschiedliche Philosophien gibt, die sich in entscheidenden Punkten deutlich widersprechen. Es ist vielmehr ein Wesensmerkmal von Philosophie, dass dies tatsächlich so ist. Philosophische Erkenntnis ist an die Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Philosophien gebunden.26

Wir haben gesehen, dass sich nach Hegels Verständnis auf dem Weg zu einer haltbaren Wissenskonzeption (einer durchgeführten Wissenschaft also) die Auffassung von Gegenständen des Wissens immer wieder ändert. Damit kündigt er bereits hier schon an, dass das Buch, das den entsprechenden Weg geht, überraschende Wendungen enthalten wird. Die PhG ist nicht eine erkenntnistheoretische Abhandlung, wie es die klassischen Texte von zum Beispiel Descartes, Locke oder Kant sind. Sie bleibt nicht bei der Analyse des kognitiven Verhältnisses stehen, in dem Subjekte zu Objekten stehen. Vielmehr widmet sie sich zum Beispiel auch der intersubjektiven Konstitution von Subjekten, der Konstitution von Normen in gemeinschaftlichen Praktiken und der Bedeutung von Moralität und Gewissenhaftigkeit für das Zustandekommen von Wissen. Hegel macht also in seinem Buch Ernst mit der Veränderung der Gegenstände. Dabei spielen auch unterschiedliche historische Aspekte hinein, da er die von ihm behandelten Gegenstandsauffassungen als auch historisch geprägt begreift.

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