Читать книгу Hegels "Phänomenologie des Geistes". Ein systematischer Kommentar - Georg W. Bertram - Страница 4

Einführung

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Eine Lektüre von Hegels Phänomenologie des Geistes (PhG) sieht sich mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Hegel galt und gilt für viele der ihm nachfolgenden Philosophinnen und Philosophen als ein besonders unzugänglicher Autor. Oft wurde er als Dunkelmann gescholten und aus der philosophischen Tradition verbannt. Zugleich aber ging von Hegel immer eine besondere Faszination aus, die sich zum Beispiel inzwischen darin niederschlägt, dass er in der sogenannten sprachanalytischen Tradition, in der er lange Zeit verpönt war, mehr und mehr rezipiert wird.1 Für die entsprechenden negativen und positiven Vorurteile Hegel gegenüber ist besonders seine PhG verantwortlich. Sie sticht aus Hegels Werk heraus. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass es sein erster großer Wurf und zugleich ein sehr eigenwillig komponiertes Buch ist. Die PhG bietet einerseits eine umfassende Weiterentwicklung der großen philosophischen Entwürfe von Kant, Fichte und Schelling – Hegels Vorgängern. Dabei führt sie in umfassender Weise Fragestellungen der theoretischen und der praktischen Philosophie zusammen. Andererseits entwickelt sie eine großangelegte Rekonstruktion der abendländischen Philosophie- und Geistesgeschichte. Schon allein die Kombination dieser unterschiedlichen Zielsetzungen hebt die PhG auch aus Hegels Werk heraus: Es ist ein rundum hybrides Buch.

Den weitreichenden Ambitionen des Textes stehen die Leserinnen und Leser aber in mancher Hinsicht hilflos gegenüber. Oftmals gewinnen sie – zu Recht – den Eindruck, dass Hegel nicht klar sagt, was er eigentlich sagen will. Zudem bleibt immer wieder unklar, warum Hegel in so komplexer Weise historische Überlegungen mit systematischen Überlegungen verbindet, so dass sich an unterschiedlichen Stellen des Textes die Fragen stellen, welche Bedeutung die historischen Bezüge haben und warum Hegel es nicht bei systematischen Überlegungen belassen hat – zumal die systematischen Zusammenhänge, die er in den Blick nimmt, durchaus ausreichend komplex und schwer zu durchschauen sind.

Diesen Schwierigkeiten bei der Lektüre der PhG steht der Zauber gegenüber, den der Text ausübt. Gerade seine unorthodoxe Gestalt, seine pointierte und polemische Diktion und sein allumfassender Erklärungsanspruch ziehen Leserinnen und Leser immer wieder aufs Neue in ihren Bann. Oft hat man bei der Lektüre den Eindruck, dass hier Bedeutsames geschieht, auch wenn man nicht genau zu sagen weiß, was es denn nun eigentlich ist. Die Suggestionskraft von Hegels Schreiben und Denken mag ein Grund dafür gewesen sein, dass man ihm gegenüber misstrauisch geworden ist und – wie dies zum Beispiel im Umfeld des Neukantianismus auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert der Fall war – die vergleichsweise klarere und nüchternere Diktion Kants vorzieht.

Hegels Text ist aber unbedingt der Auseinandersetzung wert. Dafür ist es erforderlich, ihn so zu interpretieren, dass sein Beitrag zu systematischen Fragestellungen verständlich wird. Dieser Kommentar will eine entsprechende Interpretation entwerfen.

Diese kurze Einführung setzt sich zur Aufgabe, das so weit umrissene Vorhaben in vier knappen Abschnitten vorzubereiten. Im ersten dieser Abschnitte gebe ich einen Überblick über die Entstehung des Textes, bevor ich ihn im zweiten in seinen Eigentümlichkeiten charakterisiere. Der dritte Abschnitt skizziert in einer ersten Annäherung, worum es in Hegels PhG in der Sache geht. Der vierte und letzte Abschnitt erläutert schließlich genauer die Ziele und den Aufbau des Kommentars.

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