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Gott, das Selbst und der Tod
ОглавлениеAlles, was sich verändert und bewegt, kann sterben. „Nur das ist real, was sich niemals verändert“, spricht der große südindische Mystiker Shankara (788–820). Samsāra, der Kreislauf aus Leben, Tod und Wiedergeburt, bedeutet wörtlich „das sich in unaufhörlicher Bewegung Befindliche“. Solange ich im Leben auf das baue, was sich unablässig verändert, bin ich im Samsāra gefangen. Die moderne Physik ist auf der Suche nach den kleinsten Teilchen, aus denen Materie aufgebaut ist, und ist noch lange nicht bei den allerkleinsten angekommen. Teilchen weist man dadurch nach, dass man sie aufeinanderprallen lässt, wodurch Strahlung frei wird, die für das Teilchen spezifisch ist. Doch die allerkleinsten, die kleiner sind als 0,0000000000000000001 Meter, sind zu klein, als dass man sie aufeinanderprallen lassen könnte. Erklären kann man sich ihre Existenz nur durch die Stringtheorie. Sie besagt, dass die kleinsten Partikel vibrierende eindimensionale Objekte, Strings, sind. Wenn ein Atom so groß wäre wie unser Sonnensystem, wäre ein String lediglich ein Baum darin. Und diese vibrierenden Teilchen befinden sich in einem unendlichen Raum von nichts! Weniger als ein Milliardstel unseres Körpers besteht aus dieser „vibrierenden Materie“, der Rest ist leerer Raum. Und das halten wir für real?
Alles bewegt sich in unserer realen Welt. Selbst unsere Persönlichkeit ist ständigem Wandel unterworfen. Was ist denn unsere Persönlichkeit, unsere Psyche? Die Summe von Gedanken, Gefühlen und Trieben, teilweise bewusst, noch viel mehr unbewusst. Und diese Persönlichkeit ist vom Beginn unseres Lebens bis zu unserem Tod einem ständigen Wandel unterworfen. Betrachten wir unseren physischen Körper: Sehen wir uns nach 80 Jahren Leben noch ähnlich? Da ist etwas, das man herauslesen kann, aus einem Gesicht, den Augen, aus einem Lächeln, das gleich ist beim Baby und bei dem 80-jährigen Greis. So funkelt das Selbst durch uns hindurch. Und es ist kein Zufall, dass man dies meist am „Lächeln“ festmacht, der Freude, dem Gefühl des Herzens, dort, wo man traditionell den Sitz des Selbst oder der Seele beschreibt. Oder überlegen Sie, WER Sie sind! Was antworten Sie, wenn ich Sie frage, wer Sie sind? „Ich bin Arzt. Ich bin Familienvater. Ich bin verheiratet. Ich bin erfolgreicher Musiker ...“ Meist beschreiben wir uns anhand des Berufes, den wir ausüben, oder identifizieren uns mit den Erfolgen, die wir erzielt haben. „Kennt mich der nicht? Weiß der nicht, wer ich bin?!“, fragt zum Beispiel ein Prominenter ganz entrüstet, wenn er irgendwo unfreundlich behandelt wird. Wir definieren uns durch unser Tun. Und Sie wissen bereits, dass das eine Verwechslung ist, Māyā. Sie verwechseln Jīva, das Ich, die Maske, mit Puruṣa, dem Selbst. Wäre es schlimm, wenn Sie „nur der Arzt“ oder „nur der Familienvater“ oder „nur der erfolgreiche Musiker“ wären? „Wer bin ich?“ Stellen Sie sich die Frage und betrachten Sie sich im Spiegel. Wie sehen andere Sie? Erkennen diese vielleicht nur Ihre Wut oder Ihre Unzufriedenheit? Sind Sie das wirklich? Sind Sie die Summe all Ihrer Emotionen und körperlichen Zustände? Macht das Ihre Persönlichkeit aus? Und all das soll niemals sterben ...? Sie wissen bereits, dass nur das, was sich nicht verändert, nicht stirbt. Aber wenn ich nicht weiß, wer oder was das ist? Dann erleben Sie Ihren Tod als das „Sterben des Ich“ und das wars. Wenn Sie aber das Selbst, das ewig ist, einmal „sehen“ durften, WISSEN Sie, dass SIE unsterblich sind, weil das Selbst niemals stirbt.
Eine kleine Übung dazu: Nehmen Sie auf einem Sessel Platz, lehnen Sie sich entspannt zurück und gehen Sie nun Ihren gesamten Körper in Gedanken durch. Zuerst der Kopf, wie fühlt er sich an, wie groß ist er, dann der linke Arm, die linke Hand, wie groß und wie fühlt sie sich gerade an, und so weiter. Gehen Sie durch alle Teile, Kopf, Arme, Beine, Brustkorb, Bauch. Atmen Sie gut ein und aus und spüren und erleben Sie Ihren Körper. Das ist Ihr ICH. Nun stellen Sie sich Ihr Selbst vor. Nehmen Sie eine Vorstellung, die Ihnen entspricht, zum Beispiel eine Art Seele oder Geist, eine beseelte Energie, oder einfach „etwas“. Und fühlen Sie dieses Etwas in Ihrem ganzen Körper. Gehen Sie, in der gleichen Reihenfolge wie zuvor, im Geiste durch Ihren ganzen Körper hindurch und empfinden Sie Ihr Selbst. Zum Beispiel ist es in Ihrem linken Arm und Sie spüren, dass da etwas ist, das nicht materiell ist, aber da ist, und dass es mit allem verbunden ist. Spüren Sie, wenn Sie durch Ihren ganzen Selbst-Körper durchgegangen sind, wie dieser mit allem verbunden ist. Stellen Sie sich vor, dass dieser „Geistkörper“ immer schon existiert hat und immer existieren wird und wie gut und sicher es sich anfühlt, ihn als eine Art „Endoskelett“ mit sich herumzutragen! Und nun stehen Sie langsam auf und lassen Sie Ihr Selbst auf dem Sessel sitzen. Gehen Sie hinter den Sessel und legen Sie Ihrem Selbst die Hände auf die Schultern. Schließen Sie Ihre Augen und spüren Sie Ihr Selbst, wie es da vor Ihnen sitzt, verbunden mit allem, immer schon da und für immer existent. Spüren Sie die Freude, die in ihm steckt, und dass da kein Leid und kein Schmerz ist. Das Selbst leidet nicht. Das Selbst bewertet nicht. Das Selbst ist einfach da, für immer, für Sie. Es ist „Sie“. Sie können nun auch Fragen an Ihr Selbst stellen, im Geiste oder ausgesprochen. Und hören Sie zu, was das „weise ewige Selbst“ antwortet. Auf einmal haben Sie das gesamte Universum vor sich sitzen und können es direkt befragen! Verbringen Sie so eine gewisse Zeit mit Ihrem Selbst und wenn Sie merken, die Aufmerksamkeit lässt nach oder einfach, dass es nun genug ist, gehen Sie wieder nach vorne und nehmen Sie auf dem Sessel Platz. Spüren Sie, wie das Selbst sich wieder mit dem Ich verbindet. Und spüren Sie dieses Glück. Vielleicht spüren Sie auch Liebe.
Mit dieser Übung machen Sie sich ein Bild von Ihrem Selbst. Sie werden Ihr Selbst kennenlernen, und die Meditation ist der Weg dafür, der einzige. Nur über das Ich und seine Schichten komme ich dorthin. Braucht es ein Bild vom Selbst? Nein, braucht es nicht, aber es ist einfacher! Braucht es ein Bild von einem Gott? Nein, braucht es nicht, aber es ist einfacher! Braucht es überhaupt einen Gott? Nein, braucht es nicht, aber es ist einfacher! Unser Geist funktioniert so. Und wir wollen uns an das Selbst einer anderen Welt mit dem Geist dieser Welt annähern. Also müssen wir ein bisschen mogeln! Im Bhakti-Yoga, dem Yoga der Hingabe, benutzt man zumeist ein Objekt, um Liebe zu schenken. Doch Liebe kann man auch ohne ein Objekt schenken, NUR ist es viel einfacher, wenn man sich ein Objekt vorstellt. Das Resultat ist wichtig: Liebe! Und diese Liebe kann man an einen bestimmten Gott richten oder an Jesus, an die Mutter Gottes oder an Brahman. Jedes Bild in Ihrem Kopf ist recht, solange das Resultat „Liebe“ heißt!
Kṛṣṇa spricht:
Manche Menschen, ihrer eigenen Natur folgend, verehren niedere Götter unter Ausübung verschiedenartiger Riten. Wenn ein Mensch sich einer Sache mit vollkommenem Glauben hingibt, landet dieser Glaube schließlich bei mir!
(Kapitel 7, Vers 20–21)
Jene, die andere Götter mit Glauben und Hingabe verehren, verehren auch mich, Arjuna, auch wenn sie nicht die gebräuchlichen Formen einhalten. Ich bin der Gegenstand aller Verehrung, ihr Genießer und Herr.
(Kapitel 8, Vers 23–24)
Kṛṣṇa erlaubt also die Verehrung aller Formen von Göttern, solange das Resultat die Hingabe, „der vollkommene Glaube“, ist. Im Endeffekt fällt ihm ja die Verehrung zu, da er der Eine ist, das große Ganze.
Es muss erlaubt sein, dass sich jeder sein eigenes Bild von Gott macht!
Heute klingt es nicht zeitgemäß, an Gott zu glauben. Die Aufklärung hat uns einiges von der Unschuld einer Gott-Gläubigkeit geraubt. Vielleicht ist es „moderner“ oder einfacher für Sie, dieses Objekt Ihrer Hinwendung „Selbst“ oder „Ātman“ oder „Puruṣa“ zu nennen. Es kommt auf das Gleiche hinaus. SIE erschaffen sich Ihr Gottesbild selbst! Nur, wenn Sie sich Gott individuell definieren, kann er zu Ihrem Gott werden, der ja auch ein Teil von Ihnen ist, und Sie können ein religiöses Leben führen. Weltreligionen wie die katholische Kirche unter päpstlicher Führung oder der Islam geben oft streng vor, wie Gott ist, wie er zu sein hat und wie man sich ihm gegenüber verhalten muss. Am Anfang aller Religionen stand eine Erfahrung und eine Erkenntnis, und diese wurden in Geschichten und Mythen gepackt, weil Menschen Geschichten lieben. Mit den Jahren wurden die Religionen zu Institutionen und die Kirchen zu Machtkonstrukten. Was die Kirche uns bieten kann, ist Gemeinschaft und Beisammensein mit Gleichgesinnten. Was sie nicht sein soll, ist ein Kontrollorgan, das Menschen mithilfe von Angst kontrolliert. Die weltliche Anhaftung wird dadurch nur noch viel komplizierter.
In Kapitel 7 spricht Kṛṣṇa:
Das Göttliche ist die Essenz von all dem, was du suchst! Das Göttliche ist die Essenz von all dem, was du genießt.
Wenn wir eine persönliche Religiosität, aus einer persönlichen Gotteserfahrung mit einem persönlichen Gottesbild, entwickeln, ist es nur dann echte Religiosität, wenn sie immer da ist, nicht nur, wenn wir sie brauchen. Kṛṣṇa erklärt das im Kapitel 8: „Wer auch immer zum Zeitpunkt des Todes an mich denkt, wird in ‚mein Sein‘, in Madbhavam, eingehen.“ Wenn Arjuna sich in der Todesstunde an Kṛṣṇa erinnert, wird er mit ihm vereinigt sein und in die Unsterblichkeit eingehen. Im hinduistischen Denken ist es ganz wichtig, was man in seiner letzten Lebensstunde denkt. Der Gedanke steuert die Seele bei der Reise zur Wiedergeburt. Das Denken beeinflusst also die Seele. Alles, was wir ein Leben lang denken, womit wir uns ein Leben lang beschäftigen, wird uns wahrscheinlich in der Todesstunde wieder einfallen. Das meint man mit echter Religiosität: Sich ein Leben lang mit Gott beschäftigen, so individuell dieses Bild auch sein mag. Dann wird er mir in der Todesstunde einfallen und ich werde Vertrauen entwickeln, dass ich bald als mein Selbst in ihm vereinigt bin, und die Angst vor dem Tod fällt weg.
Stellen Sie sich vor, jemand hat sich ein Leben lang nur mit Lust und Völlerei beschäftigt. Was werden wohl seine letzten Gedanken vor dem Tode sein? Jemand, der in Frieden mit sich ist, der von sich sagen kann, er habe ein erfülltes, glückliches Leben geführt und hinterlasse glückliche Menschen, wird wohl mit einem Lächeln von der Welt gehen. Diese Passage soll uns mahnen, dass wir nicht ewig Zeit haben mit der „Gläubigkeit“! Diese braucht auch Zeit, damit sie tief in unsere Persönlichkeit hinabsinkt und dann in der Nähe unseres Selbst ist, wenn die letzte Stunde anbricht. Schreie, Wehklagen und Buße tun zu wollen bringen dann wohl nichts mehr ... Arjuna soll üben und ab sofort kontinuierlich an Kṛṣṇa denken, damit er ihm im Falle des Falles auch im Moment des Sterbens einfällt, zumal bei Kampfhandlungen schon einiges an Ablenkung wie Geschrei, Schmerz sowie ein Gefühls- und Gedankenchaos vorhanden sein kann!
Kṛṣṇa beschreibt, wie ein Yogi den Sterbeprozess unter Kontrolle hat und so das höchste Ziel erlangt (Übersetzung von Eknath Easwaran):
Zum Zeitpunkt des Todes meiner gedenkend, schließe die Pforten der Sinne und halte den Geist des Herzens fest. Konzentriere dann, während du in Meditation versunken bist, alle Energie aufwärts zum Kopf. In diesem Zustand den göttlichen Namen, die Silbe Om, wiedergebend, die das unwandelbare Brahman symbolisiert, wirst du aus dem Körper hinausziehen und das höchste Ziel erreichen.
(Kapitel 8, Vers 12–13)
In der Brihadaranyaka-Upanischad wird der Sterbeprozess noch genauer beschrieben (Übersetzung von Eknath Easwaran):
Wenn das Selbst, der Ātman, schwach zu werden und in Bewusstlosigkeit zu sinken scheint, sammeln sich alle Lebenskräfte um ihn. Dann nimmt er diese Lichtteilchen mit sich und steigt ins Herz hinab. Während Prāṇa das Auge verlässt, hört dieses auf zu sehen. „Er wird eins“, sagen die Wissenden. „Er sieht nicht, er wird eins; er spricht nicht mehr, er wird eins, noch schmeckt er, er wird eins, noch riecht er, er wird eins, noch denkt er, er wird eins, noch erkennt er mehr, er wird eins.“ Die Spitze seines Herzens leuchtet auf, und bei diesem Lichtschein zieht das Selbst, der Ātman, davon, entweder durch das Auge oder den Schädel oder durch irgendeine andere Pforte des Körpers. Und wenn der davonzieht, ziehen nach diesem alle anderen Lebenskräfte davon. Er ist bei Bewusstsein, und mit dem Bewusstsein verlässt er den Körper. Dann kommen sein Wissen und seine Werke und seine vorausgegangenen Eindrücke mit ihm mit.
(Kapitel 4, Vers 4.1–2)
Wie in der Katha-Upanischad als „die Stadt mit den elf Toren“ beschrieben, hat der Körper 11 Pforten: zwei Augen, zwei Nasenlöcher, zwei Ohren, den Mund, den Penis oder die Scheide und den Anus. Dazu kommen noch der Nabel und der höchste Punkt des Schädels im Verlauf der Sagittalnaht des Schädelknochens. In der Chinesischen Medizin nennt man den Nabel Ren Mai 8 (Ben Shen, Tor zum Shen-Palast) und den höchsten Punkt des Schädels Du Mai 20 (Bai Hui, hundertfacher Sammler, weil hier viele Meridiane zusammenlaufen). Der Geist Shen tritt während der Schwangerschaft über die Nabelschnur in den Embryo ein, die Körperseele Po verlässt nach dem Tod den Körper über Ren Mai 8 und kehrt zur Erde zurück. Im Sanskrit heißt diese Stelle am Kopf Brahmarandhra, die „Öffnung des Brahman“.
Beim Sterben läuft eine Art Zentralisation im Körper ab: Alles zieht sich nach innen, ins Herz zurück. Prāṇa ist schwach und die Sinnesorgane schließen sich als erste Pforten. Sterbende hören und sehen nicht mehr, was um sie herum passiert. Das „Licht“ des Bewusstseins steigt ins Herz hinab. Dort ist traditionell, auch in der christlichen Tradition, der Sitz der Seele. Gemeint ist wahrscheinlich das Herz-Cakra im Zentrum des Brustkorbes. Prāṇa, die Lebensenergie, zieht sich ganz aus den äußeren Begrenzungen des Körpers zurück. In diesem Stadium soll man die Energie bündeln und hinauf in den Kopf leiten. Verlässt der Prāṇa den Körper durch das Brahmarandhra, wird es keine Wiedergeburt geben: Der oder die Sterbende geht im Moment des Todes in Samādhi (samādhi, maskulin, wörtlich „Sammlung“) ein. Samādhi beschreibt die göttliche Erfahrung, wenn sich das Ich auflöst und nur das Selbst vorhanden ist. Diesen Zustand sucht man in der Meditation als höchstmögliches Ziel zu erreichen. Die Steuerung des Prāṇa während des Sterbeprozesses in Richtung Brahmarandhra schafft nur der wahre Yogi, der die Steuerung des Prāṇa und die Meditation in seinem Leben zur Meisterschaft gebracht hat. In der Bhagavad Gita genügt irgendeine Pforte des Kopfes, um das höchste Ziel zu erreichen, vorausgesetzt, man intoniert im Geiste das Mantra „Om“. Dabei bleibt das individuelle Bewusstsein mit dem Wissen und den Eindrücken von allem, was man erlebt und erkannt hat, erhalten.
Das Mantra „Om“ steht für Brahman selbst. Wenn ich es intoniere, ist alles von Brahman erfüllt.
In früheren Kulturen und auch im Schamanismus in China war es üblich, Bai Hui, also die höchste Stelle des Schädeldaches, nach dem Tod der Person einzuschlagen, damit der Geist, falls er noch im Körper gefangen ist, leichter austreten kann.
Für all jene, die Prāṇa in der Todesstunde nicht im Herzen zentrieren und über die Sinnesöffnungen des Kopfes hinausleiten, spricht Kṛṣṇa wie folgt:
Aber jene, die es nicht fertigbringen, meine wahre Natur zu erkennen, müssen wiedergeboren werden. Jene, welche die Devas (wörtlich „Engelswesen“, „Götter“) verehren, werden zum Reich der Devas gehen; jene, die ihre Ahnen verehren, werden nach dem Tode mit ihnen vereinigt sein. Jene, die Phantome verehren, werden zu Phantomen werden; aber meine Devotees werden zu mir kommen.
(Kapitel 8, Vers 24-2.Teil, Vers 25)
In der Brihadaranyaka-Upanischad wird dies noch viel ausführlicher dargestellt:
Jene, die dies wissen, die mit Glauben über die Wahrheit meditieren, während sie im Wald leben, gehen zum Licht, vom Licht zum Tag, vom Tag zu den zwei Wochen der Mondzunahme, von den zunehmenden zwei Wochen zu den sechs Monaten der nördlichen Reise der Sonne, von jenen sechs Monaten zur Welt der Devas, von der Welt der Devas zur Sonne, von der Sonne zum Blitz. Dann nähert sich ihnen ein Geist und führt sie zur Welt von Brahman. In jener Welt leben sie ewige Zeitalter lang. Sie kehren nicht wieder zurück.
Aber jene, die Welten erobern durch Opferung, Mildtätigkeit und Askese, gehen in den Rauch ein, vom Rauch in die Nacht, von der Nacht in die zwei Wochen des abnehmenden Mondes, von den zwei Wochen des abnehmenden Mondes in die sechs Monate der südlichen Reise der Sonne, von dort in die Welt der Vorfahren, von der Welt der Vorfahren in den Mond, [...] und von dort zur Wiedergeburt.
(Brihadaranyaka-Upanischad 6, Vers 2.15–16)
Die nördliche Reise der Sonne bedeutet symbolisch, dass die Seele von Karma befreit ist und nun nicht mehr wiedergeboren wird. Die südliche Reise der Sonne führt die Seele durch neuerliche Geburt zurück in die Welt. Das gewählte Lebewesen passt dann zum eigenen Karma. Die Vorstellung der Wanderung der Seele dürfte noch viel älter sein, als es selbst die Upanischaden sind.
Kṛṣṇa spricht weiter (Übersetzung von Eknath Easwaran):
Große Seelen machen ihr Leben vollkommen und entdecken mich; sie werden von Sterblichkeit und dem Leid dieses gesonderten Daseins befreit. Alle Kreaturen im Universum sind der Wiedergeburt unterworfen, Arjuna, außer derjenigen, die mit mir vereinigt ist.
(Bhagavad Gita Kapitel 8, Vers 15–16)
Kṛṣṇa spricht von der bewussten Entscheidung. Wenn wir durch das irdische Leben gehen, ohne bewusst darüber nachzudenken, wer wir sind und wohin wir gehen, werden wir wiedergeboren. In Bezug auf Konflikte und Entscheidungen im diesseitigen Leben bedeutet das, dass wir die Konflikte nicht lösen, sondern immer und immer wieder wiederholen beziehungsweise die Entscheidungen aus unserem Ich, unserem Ego, falsch treffen und nicht zu Gott oder zu unserer wahren Natur, dem ewigen Selbst, finden. Diesseits und jenseits gibt es nur einen Ausweg, und der führt über das Bewusstsein in die Tiefe der eigenen Persönlichkeitsschichten und bewussten Wegkorrekturen. Der Yogi hat diese Entscheidungsmöglichkeit bis zu seiner letzten Sekunde auf Erden.
Jene, welche die kosmischen Gesetze verstehen, wissen, dass der Tag des Brahmā nach eintausend Yugas endet und die Nacht des Brahma nach eintausend Yugas endet. Wenn der Tag des Brahmā anbricht, werden Formen aus dem Unmanifestierten hervorgebracht; wenn die Nacht des Brahmā kommt, gehen diese Formen wieder im Formlosen auf. Diese Vielzahl von Wesen wird in den aufeinanderfolgenden Tagen und Nächten des Brahmā wieder und wieder erschaffen und zerstört. Aber jenseits dieses formlosen Zustands gibt es eine weitere, unmanifestierte Wirklichkeit, die ewig ist und bei der Zerstörung des Kosmos nicht aufgelöst wird. Jene, die das höchste Ziel des Lebens verwirklichen, wissen, dass ich unmanifestiert und unveränderlich bin. Nachdem sie zu mir heimgekommen sind, kehren sie nie zu gesondertem Dasein zurück.
(Kapitel 8, Vers 17–21)
Sie erinnern sich: Ein Universum lebt einen Brahmā-Tag lang, dann erlischt das Universum, der Kosmos, und existiert in einer nicht materialisierten Form eine Brahmā-Nacht lang. Und dann entsteht ein neues Universum und mit ihm neue Lebewesen. Und wieder geht es nach einem Brahmā-Tag zugrunde und ruht wieder für eine Brahmā-Nacht. Und so geht es immer weiter und weiter. Aus diesem Samsāra des Universums, dem Zyklus aus Leben, Sterben und Wiedergeburt, können einzelne Lebewesen aussteigen. Aber sie müssen sich bewusst dafür entscheiden! Dann gehen sie in jene „unmanifestierte Wirklichkeit“ ein, für welche jede Daseinsform und jedes Lebewesen sein eigenes Bild, seine eigene Vorstellung, seine eigene Verehrung hat. Kṛṣṇa als irdischer Repräsentant des einen Gottwesens schenkt uns diese Wahrheit: „Ganz egal, wie du mich siehst. Suche mich, erlebe mich und lebe danach. Denn ich bin du.“ Eine einfache Wahrheit, eine klare Botschaft. Und Yoga ist der Weg ...