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Zehnter Brief.

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Florenz, 26. vendémiaire IX (Okt. 1800).

„Wir haben einen schönen Streich ausgeführt. Wir haben als lustige Jungen den Waffenstillstand gebrochen. Binnen drei Tagen setzten wir uns in Besitz des ganzen Toskana und der schönen, prächtigen Stadt Florenz. Herr von Sommariva, seine berühmten Truppen, seine schrecklichen, bewaffneten Bauern, Alles ist bei unserer Annäherung geflohen und wir hatten nur offne Thüren einzuschlagen.

„Mit General Dupont, dem Kommandanten der Expedition, überschritten wir an der Spitze der Avantgarde die Apenninen und halten jetzt eine köstliche Rast unter den Oliven-, Orangen-, Citronen- und Palmenbäumen, welche die Ufer des Arno beschatten. Die toskanischen Insurgenten haben sich in Arezzo verschanzt und halten einen General unsrer Division, General Mounier in Schach; aber wir haben so eben Kanonen hingeschickt und morgen wird Alles zu Ende sein.

„Es giebt nichts Komischeres, als unsern Einzug in Florenz. Herr von Sommariva hatte uns einige Parlementaire entgegengeschickt, die beauftragt waren, uns zu sagen, daß er die Bauern, die er eben zur Erhebung aufgerufen hatte, entwaffne, daß er uns bitte, Halt zu machen, daß er aber, wenn wir darauf beständen, in Florenz einzuziehen, sich auf den Wällen tödten lassen würde. Das war gut gesprochen — aber wir verachteten seine Versprechungen und Drohungen und setzten unsern Marsch fort. Einige Meilen vor Florenz angekommen, sandte der General Dupont den General Jablonowski mit einer Eskadron Jäger ab, um zu sehen, ob der Feind wirklich den Platz vertheidige, und da ich eben unbeschäftigt war, folgte ich dem General Jablonowski. Wir kamen nach militärischer Regel zu Vieren, den Säbel in der Hand, in schnellem Trott an. Durchaus kein Widerstand. Wir drangen in die Stadt ein. Niemand hielt uns auf. An der Ecke einer Straße sahen wir uns plötzlich Auge in Auge mit einem Detachement östreichischer Kürassiere. Unsere Jäger wollten auf sie einhauen, aber der östreichische Offizier kam mit abgezogenem Hute auf uns zu, um uns zu sagen, daß sein Piquet die Polizeiwache bilde und sich deshalb erst zuletzt zurückziehen dürfe. Ein so guter Grund entwaffnete uns und wir baten ihn sehr höflich, so schnell als möglich der östreichischen und toskanischen Armee nachzueilen, die sich nach Arezzo zurückzog. Wir kommen endlich auf dem großen Platze an, wo die Abgeordneten des Gouvernements uns empfangen. Ich nehme das schönste Palais im schönsten Viertel der Stadt für den General und den Generalstab in Besitz; kehre dann zu General Dupont zurück; wir ziehen im Triumph ein — und die Stadt ist genommen.

„An demselben Abende wurde das große Opernhaus illuminirt—man hatte uns die schönsten Logen aufgehoben, schickte hübsche Wagen, um uns hinzufahren — kurz, wir sind als Herren anerkannt. Für den andern Tag blieben uns zwei Forts zu nehmen, wovon jedes mit achtzehn Kanonen und einer Haubitze versehen war. Wir ließen den beiden Kommandanten sagen, daß wir bereit seien, ihnen die nöthigen Wagen zur Räumung ihrer Garnison zu liefern. Erschreckt von dieser fürchterlichen Aufforderung ergaben sie sich auf der Stelle und wir sind Herren von zwei Forts. Diese Capitulation hat uns so viel zu lachen gegeben, daß wir versucht waren, zu glauben, die Oestreicher wären im Einverständnisse mit uns. Es scheint indessen, als wäre dies nicht der Fall.

„Sie haben die berühmte Venus und die zwei schönen Töchter der Niobe mitgenommen und in Livorno eingeschifft. Diesen Morgen bin ich in der Galerie gewesen. Sie enthält eine ungeheure Menge antiker Statuen, die fast alle ausgezeichnet sind. Ich habe den berühmten Torso gesehen, den Faun, Merkur und eine große Anzahl römischer Kaiser und Kaiserinnen. Diese Stadt hat einen Ueberfluß an schönen Bauwerken und strotzt von Kunstwerken. Die Brücken, die Quais, die Promenaden zeigen eine entfernte Aehnlichkeit mit denen in Paris, aber die Stadt hat den Vorzug in einem fruchtbaren Thale zu liegen, das den herrlichsten Anblick gewährt. Ueberall reizende Landhäuser, Alleen von Citronenbäumen, Olivenwälder — denke Dir, wie schön uns, die wir eben aus den Apenninen kommen, dies Alles erscheint.

„Alles würde gut sein, wenn es nur lange dauerte, aber ich fürchte, daß wir, wenn die Feindseligkeiten mit den Oestreichern wieder beginnen, nach Ferrara zu marschiren, und die schöne Gegend verlassen, um nach den dürren Ufern des Po zurückzukehren.

„Du siehst, meine liebe Mutter, daß es mir nicht an Bewegung fehlt. — Ich will den General Dupont nicht verlassen, denn er hat es gut mit mir im Sinne und ich genieße hier die Freundschaft und Achtung derer, mit denen ich lebe. Der General hat drei Adjutanten, der dritte ist der Sohn des Direktors Merlin — er war Adjutant Bonaparte's und hat den Feldzug nach Aegypten mitgemacht, jetzt ist er Hauptmann in meinem Regimente. Seine Schwester hatte unsern Obersten, kurz vorher ehe er fiel, geheirathet. Bonaparte, der nur noch Brigadechefs zu Adjutanten behält, sandte uns Merlin, nachdem die Reserve-Armee aus dem Feldzuge zurückgekommen war. — Er ist ein sehr guter Kerl. — Ich besorge die Correspondenz, bin in der unmittelbaren Nähe des Generals, wohne und lebe mit ihm und alle mißlichen und eiligen Missionen werden mir anvertraut. Unser Generalstab ist aus mehreren Offizieren zusammengesetzt, aber sie leben nicht alle mit uns. Unsere Gesellschaft besteht aus Merlin, Morin, Decouchy, Barthélemy, Bruder des Direktors — Georg Lafayette und mir. Mit Georg Lafayette bin ich am engsten befreundet, denn er ist ein allerliebster junger Mann, voll Geist, Freimüthigkeit und Gemüth. Er steht als Seconde-Lieutenant beim II. Husarenregiment und kommandirt dreißig Husaren von unsrer Eskorte. Wir sind das, was man eine lustige Bande nennt. — Madame von Lafayette und ihre Tochter sind jetzt in Chenonceaux und unsere Freundschaft wächst natürlich durch die Freundschaft unsrer Verwandten. — Du solltest auch einmal nach Chenonceaux gehen — die Reise würde Dich zerstreuen und das wäre Dir sehr nöthig, meine arme Mutter. Der Aufenthalt in Nohant scheint Dir düster, seit ich nicht mehr dort bin. Der Gedanke betrübt mich und ich würde der glücklichste Mensch auf der Welt sein, wenn ich wüßte, daß Du Dich nicht mehr langweiltest. Lafayette und ich, wir machen die schönsten Pläne, zusammen zu leben, wenn der Krieg zu Ende ist — wir sehen uns im Geiste schon mit unsern guten Müttern in Chenonceaux, wo wir keine andere Sorge haben wollen, als die, sie zu erfreuen und sie für die Unruhe zu entschädigen, die wir ihnen bereitet haben. Du siehst, daß wir trotz des Krieges und Blutvergießens doch noch menschliche Gedanken und Gefühle bewahren. Ich spreche mit Georg oft von Dir und er erzählt mir von seiner Mutter — aber so gut sie auch sein mag, Du bist doch noch besser und stehst überhaupt über jedem Vergleiche. — Was Vater Deschartres betrifft, so ist er in jeder Beziehung unvergleichlich, und da er jetzt Maire von Nohant ist, so mache ich ihm ein Kompliment bis zur Erde und umarme ihn von ganzem Herzen.

Moritz.“

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