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Vierzehnter Brief.

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Padua, den 15. Nivose Jahr IX. (Januar 1801)

„Sei nicht in Sorgen um mich, meine gute Mutter! ich habe Morin gebeten Dir zu schreiben, also weißt Du sicherlich schon, daß ich gefangen bin; ich bin jetzt in Padua und auf dem Wege nach Gratz, hoffe aber bald ausgewechselt zu werden, da mich der General Dupont am Tage meiner Gefangennehmung von Herrn von Bellegarde zurück verlangt hat. Ich kann Dir jetzt nichts weiter sagen, aber ich hoffe Dir bald meine Rückkehr anzeigen zu können. Lebe wohl! ich umarme Dich aus voller Seele; ich umarme auch Vater Deschartres und meine Bonne.“

Diese wenigen Worte sollten die arme Mutter beruhigen — aber die Gefangenschaft war härter und langwieriger, als dieser Brief vermuthen ließ. Zwei Monate lang erhielt meine Großmutter gar keine Nachrichten von ihrem Sohne und war in jene dumpfe Verzweiflung versunken, welche die Männer nicht kennen und welche sie nicht zu überleben vermöchten. Die Organisation des Weibes ist ein Wunder in dieser Beziehung, denn begreifen läßt sich diese Gewalt des Schmerzes und diese Kraft des Widerstandes nicht. Die arme Mutter hatte keinen Augenblick des Schlafes und lebte nur von kaltem Wasser. Beim Anblick der Speisen, die man ihr reichte, schluchzte sie laut: „Mein Sohn stirbt vor Hunger!“ rief sie in Verzweiflung: „vielleicht verschmachtet er in diesem Augenblicke und ihr wollt, daß ich esse!“ Sie wollte sich auch nicht niederlegen: „Mein Sohn schläft auf der Erde“, sagte sie, „man giebt ihm vielleicht keine Hand voll Stroh, um sich darauf zu legen; vielleicht war er verwundet, als sie ihn gefangen nahmen [Sie irrte sich nicht, aber sie erfuhr dies niemals.] und er hat kein Stückchen Leinwand, um seine Wunden zu bedecken.“ Der Anblick ihres Zimmers, ihres Sessels, ihres Feuers, aller Bequemlichkeiten ihres Lebens, trieb sie zu den bittersten Vergleichen. Ihre Einbildungskraft vergrößerte die Entbehrungen und Leiden, die ihr theueres Kind zu tragen hatte: sie sah ihn gebunden in einem Kerker liegen; sie sah ihn von unwürdigen Händen geschlagen, vor Ermüdung und Hunger am Wege nieder sinken, aber durch den Stock des östreichischen Feldwebels gezwungen wieder aufzustehen, um sich weiter zu schleppen.

Der arme Deschartres bemühte sich umsonst sie zu zerstreuen; er verstand sich einmal nicht darauf, war selbst von sehr ängstlicher Gemüthsart und wurde durch meines Vaters Schicksal so ergriffen, daß es ein wahrer Jammer war zu sehen, wie die Beiden jeden Abend ihre Karten mischten und vertauschten, ohne recht zu wissen, was sie thaten, und ohne zu beachten, wer das Spiel gewonnen oder verloren hatte.

Endlich zu Ende des Ventose kam Saint-Jean im Galopp von la Châtre zurück; es war vielleicht das einzige Mal im Leben, daß er vergaß auf seinem Postwege im Wirthshaus einzukehren und vielleicht war es auch das einzige Mal, daß es ihm gelang mit seinem silbernen Sporn das friedfertige weiße Roß in Galopp zu bringen, das fast eben so lange gelebt hat, als er selbst. Bei dem ungewöhnlichen Geräusch seines Triumphmarsches erbebte meine Großmutter, lief ihm entgegen und erhielt folgenden Brief.

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