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Fünfzehnter Brief.
ОглавлениеConegliano, den 6. Ventose, Jahr IX. (Februar 1801.)
„Endlich bin ich ihren Händen entgangen! ich athme wieder auf — dieser Tag ist für mich ein Tag des Glückes und der Freiheit! ich darf hoffen Dich binnen kurzer Zeit zu sehen, zu umarmen, und nun ist Alles vergessen, was ich gelitten habe. Von diesem Augenblick an sollen alle meine Schritte, alle meine Bemühungen darauf gerichtet sein, meine Rückkehr zu Dir möglich zu machen. Ein weitläufiger Bericht über mein Unglück würde zu lange dauern, ich will Dir nur sagen, daß ich, nachdem ich zwei Monate lang in Feindeshänden gewesen war, nachdem ich die Wüsten von Kärnthen und Krain durchwandert, die Grenzen von Bosnien und Kroatien erreicht hatte und im Begriff war in Nieder-Ungarn, einzumarschiren, durch den glücklichsten Zufall der Welt wieder Kehrt machen mußte, und daß ich, obwohl einer der zuletzt Gefangenen, doch einer der zuerst Ausgelieferten bin. Ich bin jetzt auf dem zweiten französischen Posten, wo ich ein Bett gefunden habe, ein Meubel, dessen ich mich seit etwa drei Monaten nicht mehr bediente, denn schon einen Monat vor meiner Gefangennehmung pflegte ich in voller Kleidung zu schlafen und seitdem habe ich kein anderes Lager gehabt, als Stroh. Ich hoffte nun bei meiner Rückkehr zur Armee den General Dupont und meine Kameraden zu finden; aber ich höre, daß er zurückberufen ist, weil er durch sein kühnes Ueberschreiten des Mincio die Eifersucht eines Mannes erregt hat, dessen Unfähigkeit man gewiß bald erkennen wird.
„Ich setze voraus, daß der General Dupont meine Pferde und mein Gepäck mitgenommen hat und so bleibt mir nichts übrig, als mich an den General Mounier zu wenden, der auch zu seiner Division gehört. Ich bezweifle nicht, daß er mich mit den nöthigen Mitteln zur Rückkehr zu Dir versehen wird und werde mich gleich nach Bologna wenden, wo er sich jetzt aufhält. Da ich auf Ehrenwort entlassen bin, kann ich bis zu meiner Auswechselung nicht mehr dienen.
„Ich empfinde eine große Freude frei zu sein und zu Dir zurückkehren zu dürfen, ohne daß mich ein Vorwurf treffen kann! Ich bin voller Jubel und doch habe ich gleichsam die Gewohnheit der Trauer, und diese hindert mich noch mein Glück vollständig zu fassen. Ich gehe morgen nach Treviso, wo die Erkundigungen, die ich einziehe, über meinen Weg entscheiden sollen. Lebe wohl, meine liebe Mutter, keine Sorgen mehr, keinen Kummer! Ich umarme Dich und strebe nur nach dem Augenblick des Wiedersehens. Ich umarme Freund Deschartres und meine Bonne — diesen guten Deschartres! wie lange habe ich ihn nicht gesehen!“