Читать книгу Papa, wie sieht der Mond von hinten aus? - Gerd Samson - Страница 10
ОглавлениеKnöllchen
Da fällt mir gerade eine Geschichte zu dem Knöllchen ein.
Ich war mit dem Pfeifenmann unterwegs, (16 Plus, Auflösung bei Nachfrage ) eine Lippe war immer verzogen, um der Pfeife Platz zu machen. Von einem Golfturnier in unserem Club Gut Arenhorst strebten wir heimwärts. Plötzlich. Ping ein Blitz. Bingo. Treffer. Zu schnell gefahren.
„ Endlich“ sagte der Pfeifenmann, der von meiner Jungfräulichkeit in Puncto Punkte wusste, „haben sie dich am Arsch“.
Ich konnte die Schadenfreude in seinem Gesicht erkennen.
„Warts ab Alter,“ war meine Antwort.
Dann trat ein Polizist aus dem Schatten eines Baumes hervor. Hob die Kelle, hielt uns an und begleitete mich zu dem Kontrollwagen, der versteckt auf einem Parkplatz parkte. Ich betrachtete ihn sehr genau. Für einen Verkehrspolizisten wirkte er verhältnismäßig sympathisch. Er schien ein Mensch zu sein.
Ich wollte ihn testen und es entspann sich folgendes Gespräch.
„Sie sind doch da vorne eben zu schnell gefahren“, stellte der Polizist fest.
Geschwindigkeitsbegrenzungen sind für manche männliche Autofahrer so etwas wie eine amtlich verfügte Potenzminderung.
Macho, Macho
Ich sagte:
„ Ja, ich haben den Blitz bemerkt“
Er:
„ Sie sind sich doch im Klaren darüber, daß sie sich strafbar gemacht haben.“
Einen Augenblick lang war ich in Versuchung, die Rolle des kleinen reumütigen Sünders zu spielen und dem Mann das zukommen zu lassen wonach er sich offensichtlich so sehr sehnte.
Die schmeichelhafte Bestätigung seine Bedeutung als Autoritätsperson, in Form von Punkten in Flensburg. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken Reue zu zeigen. Dann aber gewann die Neugier und der Rebell (James Dean) in mir überhand. Um zu sehen wie der Schupo, früher als sie noch Polente hießen trugen sie noch einen Tschako auf dem Kopf, sich vernünftigen Argumenten gegenüber verhalten würde.
Ich sagte:
„Für mich ist eigentlich kein Grund dafür zu erkennen, warum ich mich strafbar gemacht habe. Die ganze Straße war frei, weit und breit kein Auto und ich fahre 60 Jahre unfallfrei, bzw. ich bin bei allen Unfällen immer Sieger geblieben. Also ohne Punkte in Flensburg. Die Beschränkung auf 50 Kmh Richtgeschwindigkeit ist doch nur dazu da, um andere Verkehrsteilnehmer vor mich zu schützen. Da weit und breit aber kein anderes Fahrzeug zu sehen war, hat dieses Verbot für die gegebene Situation jede Funktion verloren. Warum sollte ich mich also mit meiner Fahrweise einschränken lassen?“
Der Beamte sah mich mit großen, ungläubigen verwirrten Augen an. Es schien mir, als könnte er sich meinen Argumenten nicht ganz verschließen. Meine Logik schien ihn zu beeindrucken.
Er meinte:
„Werden sie nicht renitent, ich will mich mit ihnen auf keine lange Diskussion einlassen, sie haben gegen das Gesetz verstoßen und ich muss sie bestrafen. Ich habe meine Vorschriften.,“
Alleine die Uniform autorisiert, schafft Autoritäten. Was passiert wenn man Autoritäten nicht gehorcht? Rebell ist?
Und dann laberte ich ihn voll.
Es steht schon in der Bibel; man wird aus dem Paradies vertrieben. Ob sich das wegen ein bisschen Liebe gelohnt hat? Seltsam, oder? Gott erschuf die Erde und dann Adam, dann ruhte er einen Tag aus und hat die Frau erschaffen. Danach hatte er keine Ruhe mer. Also mit Adam und Eva begann der ganze verrückte Wahnsinn. Wenn die beiden Schätzchen Asiaten gewesen wären, dann hätten sie die böse verflixte Schlange gekescht, gegrillt und verspeist und der Apfel würde noch am Baum hängen und Alles wäre gut. Der Adamsapfel steht uns ja noch immer im Hals. Nicht der Apfel am Baum, sondern das Menschenpaar drunter hat das Malheur verursacht nur weil Adam den Apfel gegessen hat, tun uns heute noch die Zähne weh.
Wir gehorchen Autoritäten, selbst dort, wo es rational und moralisch keinen Sinn macht. Es ist einfach sich über solche Leute und ihr zwanghaftes Verhalten lustig zumachen. Es gibt ihnen das Gefühl der Überlegenheit und ihre ganz persönliche Urteilsfähigkeit. Als ich dem Uniformierten dann noch so ganz nebenbei erklärte:
„Ich bin mit Tempomat gefahren und der war, richtig eingestellt.“
Von Geschwindigkeit hatte ich nicht gesprochen. Er kratzte sich, merklich verdutzt, am Kopf, wollte sich auf keine weitere Diskussion einlassen und gab mir meinen Kfz Schein und Führerschein mit einem Kopfschütteln zurück.
Rebell sein lohnt sich!
Zurück beim Pfeifenmann bemerkte ich schon sein schadenfrohes Gesicht.
Ich sagte nur:
„Alles klar Alter, wir können Punkte frei weiter fahren.“
Er begann sichtlich verlegen am Stiel seiner Pfeife zu spielen. Sollte ich dem Pfeifenmann erklären wie so etwas geht.
„Jetzt will ich ihnen mal was sagen Herr Wachtmeister“ empörte ich mich bei der nächsten Kontrolle fast ein Jahr später an der beliebten selben Stelle, mit gleicher Besatzung. Der Zirkus ging von vorne los, aber ich hatte mich besser vorbereitet. Manege frei!
„Wir, die Erde, rotieren mit 1.674,3639 km/h um die eigene Erdachse. In Deutschland hat sie noch eine Drehgeschwindigkeit von 1350 km pro Sekunde. Das ist immer noch schneller als der Schall. Die Erde kreist mit maximal 36,29 km und minimal mit 29,29 km pro Sekunde um die Sonne, weil sie sich eben nicht kreisförmig dreht. Die Sonne wiederum bewegt sich mit eine Million km pro Stunde um das Zentrum unsere Heimatgalaxie. Auch das ganze Milchstraßensystem bewegt sich schneller als eine Kanonenkugel durch das Universum.
Das ganze Universum dreht sich und um sich selbst. Wir merken die Umdrehungsgeschwindigkeit nur nicht, weil wir in den riesigen Orbit keinen Beziehungspunkt haben.
Sie sollten das alles relativ, auch die Geschwindigkeitsüberschreitung eben, zum Weltall sehen. Und da wollen sie mich zur Rechenschaft ziehen weil ich 55 statt 50 km/Std. gefahren bin.“
Inzwischen hatte sich der Wachtmeister schon lange die Ohren zu gehalten, denn ich merkte, es drehte sich schon alles in seinem Kopf. Mir einem verklärten Blick hat er uns weiter gewunken. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, daß bei meinem Kumpel die Pfeife ausgegangen war. Mit offenem Mund kann man nicht ziehen.
Immer an der selben Stelle wurden wir angehalten, der Pfeifenmann, der immer einen wohligen Duft von Honigsüße verbreitete und ich. Die beiden großartigen, einzigartigen Golfspieler – Freunde. Wie waren gerade in einer angeregten Diskussion über das Hohe Spiel beim Abschlag. Bei dem Thema konnte ich schon mal mit dem Qualmer in Wallung geraten, als ein bekanntes Gesicht die Kelle hob.
„Ach sie schon wieder, auf sie habe ich schon den ganzen Vormittag gewartet!“
„Prima Herr Wachtmeister, ich bin so schnell gekommen wie ich konnte, aber ich glaube ich muss mal meinen Tacho überprüfen lassen.“
„Nicht nötig, haben wir schon ein paarmal gemacht“ war die Antwort.
Ich bin sicher unser Staatshaushalt wird zu 50% von Strafmandaten finanziert. Pfeifenraucher, scherzhaft auch „Piepenkopp“ genannt, sind fast durchweg solide, zuverlässige Mitbürger. Sie haben an ihrer Pfeife so viel zu säubern, zu stopfen und herumzuhantieren, daß ihnen keine Zeit bleibt, auf Abwege zu kommen. Trotzdem müssen sie am Ende der Golfsaison den abgewetzten Griff ihrer Ballangel erneuern. Zum Glück ist noch keiner von ihnen in einem Wasserhindernis ertrunken. Auch wenn einer meiner Golffreunde seine Bälle immer extra mit einem (roten) Punkt bemalt hat, besser gepunktet hat er trotzdem nicht.
Als ich später im Golfclub von unseren Erlebnissen erzählte, meldete sich unser gemeinsamer Freund, der Doppelboogispieler Max, der hoffentlich alle 24 Golfregeln so gut kennt wie die 10 Gebote der Christen, mit all ihren Ausnahmen und Anmerkungen. Der, der beim droppen schon mal „score“ ruft, dann, mit dem zweiten Schlag bis auf die „Lady“ kommt und entsetzt stöhnt, daß der Platz so verflixt schwer ist.
„Ich bin neulich auch in eine Radarfalle gefahren.“
„Und hat es geblitzt“
„Nein gescheppert!“
Ja, über 60 Jahre Unfall- und Punkte frei!!
Ich will aber nicht verheimlichen, daß ich einen Tag, vielleicht nicht ganz standesgemäß, stolzer Besitzer eines Motorrades war, auch um den unmittelbaren Kontakt mit dem notwendigen Sauerstoff zu spüren. Die Jungfernfahrt, das Vehikel heulte bereits in dritten Gang, endete dann mit Krabumm in der zweiten Kurve. Das Motorrad gab, genau wie ich, noch einen kläglichen Seufzer ab und wir zitterte beide um die Wette. Mit Grübchen im Benzintank und erheblichen Blessuren bei mir war dieses Experiment total gescheitert.
Ich hätte lieber vorher Lutz, als Fachfahrlehrer für Motocross, konsultieren sollen.