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Was Friedrich Schorlemmer so denkt

»Spiel das Spiel / Sieh das Ziel / Streu die Saat / Steig aufs Rad / Und sag es weiter« – Friedrich Schorlemmer, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels und auch Dichter, hat in der Goldmann-Taschenbuchreihe »Querdenken!« veröffentlicht, was er denkt. Sein Erfolg gründet in der Begabung, sich mit unanstößigen Ecken und Kanten zu verzieren, wobei die Rede glatt und seifig bleibt. »Wir wachsen durch das Einander-Befragen«, teilt er mit und predigt gegen »das Weghören und Fernlassen, das Wegblenden und Abstumpfen« und für »das Gespräch der Menschen auf den Dörfern ringsherum«. Denn »Einverstanden sein wächst aus einem Sich-hinein-Verstehen«. Die Phrasensoftware dafür bekommt man über eine Kleinanzeige in der Zeitschrift Pfarrer und PC.

Schorlemmer ist auch einer der Juroren, die regelmäßig das »Unwort des Jahres« auswählen. Dazu ist er berufen. Er hat die »Rückwärtserinnerung« und die »Mutlatte für den einzelnen« in die deutsche Sprache eingeführt, aber auch die »ideologische Angstlügenglocke« und die »Enkelverträglichkeit allen Tuns und Lassens«. Da muss man sich hinein verstehen. Und kaum weiß man, was Schorlemmer denkt, da erfährt man auch schon, was er ist oder vielmehr zufällig erst einmal nicht ist:

»Zufällig bin ich keine vertriebene bosnische Muslimin, zufällig kein vertriebener Krajinaserbe, zufällig kein niederländischer Blauhelmsoldat.« Schorlemmer ist etwas tiefer (»Ich bin ein Abgrund«), etwas älter (»Ich bin Adam«), etwas sündiger (»Ich bin Kain«) und etwas großspuriger (»Ich bin Abraham«). Und was nicht noch alles: »Ich bin David, Uria, Bathseba, bin Akteur und Opfer tragischer Beziehungskonflikte, zwischen Lust, Liebe und Verbrechen.«

Eine klingende Schelle, ein tönend Erz.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.2.1996

Beim Zwiebeln des Häuters

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