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Verkettung des Sichbetrillerns

Eine Kamera dringt in die intimste Abgeschiedenheit eines Menschen ein und zeigt uns den Rezensenten. Er sitzt in einem halbrunden, armlosen Ledersessel und beugt sich über das neue Buch von Botho Strauß: »Wohnen Dämmern Lügen«. Es folgt die sehr nahe Aufnahme der Miene des Rezensenten. Grimasse der Skepsis, Randanstrich, einsetzende Verdüsterung.

Weshalb hat er sich das angetan? Es war doch abzusehen, dass es auch in diesem Buch um nichts Geringeres gehen werde als um »Epochenbruch und Ärasturz«, die Strauß auf die »Tagesordnung des Ewigen« gesetzt hat, ohne uns die »Schlinge des Erbarmens« zu gewähren, so dass die störende »Verkettung des Sichtbetrillerns« kein Ende nimmt.

Der Rezensent seufzt. Liest weiter. Wir sehen sein »zusammengestürztes Gesicht, Zwetschge der Untröstlichkeit« (Strauß). »Das Gesicht grau wie gestorbene Baumrinde« (Strauß). »Er liest zusehends zaghafter, liest kleinlaut, verschmälert und krümmt sich zwischen Hals und Knie« (Strauß). Wird ihm übel? Kommt es zu einer »Urflutszene«? Mitsamt Epochenbruch und Ärasturz?

Da, »ach« (Strauß), sinkt der Rezensent in den Sessel zurück, von ganzem Wesen Urteil und Strafe hinnehmend« (Strauß), und es steht eine schwerwiegende Frage im Raum: »Welchen Hof, welchen Beiklang, welche Urweise, welch verschollenen Ruf streift das Wort?« Möglicherweise streift es auch nur die Grenze zum Nonsens, wenn Strauß sein Sehertum und die Kosmologie zur Einheit zwingt: »Aus Myriaden von Galaxien sieht uns ein Kinderkopf mit weltenleeren Augen an.« Kuckuck!

So kommen die Sätze auf Stelzen daher (»Der Himmel war schwarz wie der edelste Rappe«). Der Rezensent aber bricht die Lektüre ab und überlässt die Zwetschge der Untröstlichkeit getrost der Verkettung des Sichbetrillerns.

taz, 20.8.1994

Beim Zwiebeln des Häuters

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