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Erste Konturen eines Traumes

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Gerade hatte das andere Glück, der LKW, vorn auf der Straße angehalten. Ich stürzte die Treppe hinunter und konnte mich das letzte Stück noch bremsen, da unsere Hausbewohner das Gepoltere auch nicht mochten. Auf was man alles achten muss.

»Herr Ludwig, fahren Sie noch eine Tour?« »Ja«, lächelte er mich an. »Darf ich mitfahren?«, wobei das zweite »Ja« eigentlich schon im ersten Lächeln steckte. Nun hockte ich wieder oben, diesmal in der Küche am Fenster und wartete. Und diesmal ging es nicht um Bruni, sondern um unseren freundlichen Nachbarn, welcher unter uns sein Abendbrot einnahm. Immer dieses Warten, wenn ich auch in dem Fall nicht zu fürchten brauchte, dass meine Hoffnungen ins Leere gehen würden.

Anders verlief es meistens donnerstags; da musste ich schon um sechs raus aus den Federn, hinauf in die Stadt und mich in der Hauptstraße vor dem Fleischerladen in die Anstehschlange einreihen. Dabei fror ich sogar ein wenig, weil die Nachtkühle, trotz des nahen Sommers noch in der Straße hing. Die Menschenansammlung reichte durch die lange Einfahrt bis auf den Hof und dort noch bis zum Schlachthaus. Dabei ging es nur in winzigsten Schritten voran, nie wusste ich, ob die Fleischbrühe bis zu mir reichen würde.

Jetzt trat Herr Ludwig endlich aus der Haustür und ging nach vorn, dabei drehte er seinen Kopf noch hoch zu mir. Ich sprang auf und hastete, jede zweite Stufe überspringend, die Treppe hinunter, – wieder zu laut. Der »Phäno« musste angekurbelt werden, – wie die Russenautos. Während letztere nicht anders konnten, wurde für ihn die Kurbel nur darum benutzt, weil der Anlasser den Geist aufgegeben hatte und Ersatzteile nur ganz schwer beschafft werden konnten.

»Darf ich ihn auch mal ankurbeln?«

»Du?«

»Ja!«

Herrn Ludwig kannte ich als einen freundlichen Mann, bei dem man eine solche Bitte wagen durfte. Er arbeitete für einen Fuhrunternehmer, der früher als Offizier der ehemaligen Luftwaffe, auf dem nahe gelegenen Fliegerhorst stationiert war und dessen noch freundlichere Gunst ich ebenso genoss.

Bei uns gab es die sogenannten Fliegerhäuser, wo während des Krieges das ständige Personal mit ihren Familien wohnte. Jetzt hatten sich dort zum großen Teil russische Offiziere einquartiert. Einer von ihnen hatte es fertig gebracht, vom Bett aus die lästigen Mücken zu erschießen. Später, nachdem er auszog, zeugte der löchrige Putz von dem ungewöhnlichen Strafakt.

Inzwischen hatte mein Fahrer die Zündung eingeschaltet und die Kurbel vorn durch die Stoßstange hinein geschoben. Da die Seitenteile der Motorhaube, wegen der Sommerhitze herausgenommen worden waren, sah ich im Keilriemenrad das kleine Loch. Dort musste die Kurbel in zwei Zacken einrasten: »So, nun nimm die Kurbel in die Hand.«

Mir war klar, dass es bei diesem großen Motor kräftig zur Sache gehen musste und so umfasste ich den Griff entsprechend, wobei man meine noch dünnen Adern ein wenig sehen konnte.

»Siehst du, das ist falsch!« »Wieso?« »Das kannst du noch nicht wissen, wenn du beim Ankurbeln nachlässt und der Motor infolge seiner Kompression ein Stück zurückdreht und dabei gerade zündet.« Er sah mich einen Moment an und hob die Augenbrauen. »Dann passiert dieser Rückschlag und der wirkt sich wiederum voll auf die Kurbel aus. Siehst du, – auf dieser Seite des Kurbelgriffes hast du jetzt gerade deinen Daumen, kannst du dir vorstellen, wie das weh tut?«

Kompression, Rückschlag? Ich verstand kein Wort, allerdings hatte mich dieser Querstift vorn an der Kurbel, der nur nach einer Seite mitgenommen wurde, schon gewundert. Jetzt nahm er die Kurbel selbst in die Hand, zeigte nochmals die Sache mit dem eingeklappten Daumen, machte zwei kräftige Umdrehungen und der Motor lief, ganz gleichmütig, als könnte es nicht anders sein.

»Also, nun bring ihn in Gang!«, mit diesen Worten schaltete er den Motor wieder aus. Etwas unsicher umfasste ich den Griff, stand breitbeinig vor dem Laster und fing an zu kurbeln, was ich auch schaffte, doch es ging tatsächlich ruckweise. Dabei hatte ich Mühe, über die schweren Stellen hinweg zu kommen. Vermutlich ließ ich doch etwas nach.

Sofort machte es »Fatsch!«, wobei dieser Rückwärtsschlag mir die Kurbel aus der Hand riss und diese mir noch nachträglich auf den Arm prallte. »Tat’s weh?« Ich versuchte zu lächeln: »Es geht.« »Ruh dich erst mal aus, wir versuchen es später noch einmal.« »Nein nein, ich möchte ihn gern zum Laufen bringen und weiß nun wie es geht!« »Na gut.« Wieder stand ich vor diesem stummen Motor, ganz konzentriert.

Also, bei den schweren Stellen kein bisschen nachlassen, gerade dort durchziehen. Dabei dachte ich sogar an unseren Klassenlehrer; das klang ja wie eine seiner Lebensweisheiten.

Einen Moment Stille, dann kurbelte ich wie verrückt und überwand verbissen jede schwere Stelle. Dann – ich konnte es kaum fassen – spürte ich urplötzlich keinen Widerstand mehr, die Kurbel rackerte raus und rein, bis ich los ließ.

Vor mir vibrierte das ganze Chassis leise, als wollte es sagen: »Na siehst du, – geht doch!« Herr Ludwig zog die Kurbel heraus und lächelte und ich sah zu dem laufenden Motor und lächelte auch. Fantastisch, wie er so sachte wackelte und der Ventilator herumsauste. »Mann, er läuft und ich habe ihn in Gang gebracht.« So stieg ich ein, stützte mich drinnen vom Sitz ab, um zu sehen, ob die Motorhaube noch weiter so vibrierte, obwohl ich dieses Leben da vorn, ja auch hier drinnen spürte. Doch es erschien mir wie eine neu gewonnene Freundschaft, weil ich ihn in Bewegung gesetzt hatte, er nun auch angesprungen war und da vorn, recht gemütlich, vor sich hin brummte. So fuhren wir endlich los.

Der Weg ging in die nähere Umgebung, wo die Ware hingebracht werden musste. An der zweiten Auslieferungsstelle hatte Herr Ludwig mit der Stechkarre eine Kiste weit nach hinten in einen Hof zu bringen. Dann sah ich ihn wieder, als er mit der leeren, klappernden Karre zurückkam. Sofort drückte ich den Zündschlüssel hinein, wobei die rote Lampe verdutzt aufleuchtete. Schon war ich draußen und fädelte vorn die Kurbel ein, bis sie einrastete. Schnell noch einen Blick zu meinem freundlichen Fahrer, aber der rollte mit der Karre noch auf dem Hof heran. So nahm ich alle Kraft zusammen und wollte loskurbeln, dabei ging es ganz schwer und ich hatte gar den Eindruck, als würde der Laster sich ein kleines Stück auf mich zu bewegen. Oh, was ist denn jetzt los, habe ich etwas verkehrt oder gar kaputt gemacht? Schnell die Kurbel wieder heraus gezogen, hinein und auf den Sitz geklettert.

Gleich danach polterte die Karre hinten auf die Ladefläche, die Planke wurde zugeklappt, Herr Ludwig stieg ein und sortierte die Papiere in eine Mappe. So, jetzt musste ich aufpassen, wie es weiter ging. Er trat auf die Kupplung, nahm den Gang heraus und stieg wieder nach draußen, um den Motor anzukurbeln. War das umständlich: rein, raus, wieder rein und dann ging es weiter. Bei mir lief gedanklich alles blitzschnell ab. Also, wenn der Gang eingelegt und die Kupplung losgelassen wird, dann ist offenbar alles zusammen, – von vorn bis hinten.

Oh weh! Wenn der angesprungen wäre, hätte sich wahrhaftig das Fahrzeug in Bewegung gesetzt, ohne dass jemand am Steuer saß. Ich mochte es vor Schreck nicht zu Ende zu denken. Unauffällig sah ich hinüber zu dem ruhig steuernden Fahrer, der nicht wusste, was hier an seinem Auto inzwischen vor sich gegangen war.

Beim nächsten Halt gab ich genau Acht. Es erschien alles richtig. Gang raus, die Handbremse angezogen und wieder mit der Stechkarre los. Diesmal verschwand er mit einem großen Elektromotor, sich ziemlich abmühend, in einem Fabriktor. Der Weg für diese Auslieferung erschien nicht so weit, doch die Zeit würde für meinen zweiten Versuch ausreichen. Mann, da kam er ja schon zurück, schnell die Zündung eingeschaltet und mit einem Satz – die Kurbel in der Hand – auf den Fußweg gesprungen. Rein mit dem langen Gestänge, beim zweiten Versuch rastete sie endlich ein. Das wichtigste; den Daumen hinter den Griff und los. Da schnurrte er schon, als ob er mir beistehen wollte. Gleich darauf saß ich im Fahrerhaus und schob noch die Kurbel mit den Füßen an ihren Platz. Dabei sah ich voller Spannung, aber scheinbar gelangweilt aus dem Fenster.

Natürlich überblickte mein Gönner sofort die Situation. »Du Schlingel!«, aber es geschah immerhin lächelnd. »Und auf jeden Fall muss die Handbremse angezogen sein«, mahnte er noch. So ging es in dieser Weise weiter. Wenn er zurückkam, lief der Motor bereits. Offensichtlich fand Herr Ludwig diese Verfahrensweise nun auch gut, denn bald darauf reichte er mir den Lieferschein herüber. So konnte er gleich losfahren, indessen ich die Papiere in die Mappe ordnete. Als es dunkel wurde, übernahm ich noch das Einschalten des Lichts. Selbst diese einfache Funktion erschien mir als ein Teil des Fahrens und ich fand mich ganz schön wichtig.

Für den folgenden Freitag hatte der Programmsprecher des Rundfunks, eine Hörspielsendung über den Kraftwagen angekündigt. Zudem versprach er für das Wochenende endlich den ersehnten Regen. Schon am Morgen zogen viele Wolken am Himmel herauf. So gelang es mir an diesem Tag meine Mutter von der Überflüssigkeit des Gießens auf dem Feld zu überzeugen.

Anschließend klapperte sie in der Stube mit ihrer Schreibmaschine, um einige Rechnungen fertig zu stellen, die ich dann meist am Sonntag zu den Kunden brachte. Es war eine für mein »Ego« förderliche Aufgabe, da ich dort immerhin als Vertreter der Firma meines Vaters anklopfte. Im Erfolgsfall durfte ich den Stempel »Betrag dankend erhalten« neben den Rechnungsbetrag drücken und auch mit meiner kindlichen Unterschrift diesen Rechtsvorgang gültig machen.

Zum meinem Glück konnte ich Muttis »Hast-du-schon-Fragen« auch diesmal zufrieden stellend beantworten. So hatte ich es mir, auf der Chaiselongue in der Küche gemütlich gemacht und hoffte, dass es bei dem angekündigten Vortrag, wirklich um das ersehnte Auto ging.

Aber die Sendung fing an einer ganz anderen Stelle an. Der Sprecher erklärte zunächst umständlich: Das Fahren mit einem Wagen sei ein uralter Menschheitstraum gewesen, schon von den Großen der alten Ägypter enthusiastisch betrieben, aber da noch unter Nutzung der Kraft von Pferden. Die wiederum konnten recht ungestüm sein, man musste sie beherrschen, um auf dem Weg zu bleiben. (Das mag ja sein; – also auf die Bedeutung des Vorwärtskommens schien er anzuspielen. Aber Mann, das geht doch gar nicht anders).

An dieser Stelle wollte ich schon ausschalten, weil ich mich auf das Auto festgelegt hatte. Nun behauptete er auch noch: Dabei sehe es fast so aus, als sei deren Hilfe für den Menschen vorprogrammiert. Denn betrachte man es richtig, so sehe ein Pferd ohne Reiter unvollkommen aus, die Position da oben scheine für den Menschen schon längst vorbereitet zu sein. Hiermit schien er Recht zu haben, wenn ich mir das vorstellte, erschien es tatsächlich so. Gerade kürzlich hatte ich an einer Koppel gestanden, wo einige Pferde übermütig an mir vorbei galoppierten; ein kraftvolles Bild des Lebens, jedoch auf ihrem Rücken blieb für mich eine seltsame Leere, – nur eine Gewohnheit?

Der umständliche Mann im Radio brachte noch eine weitere Behauptung hervor: »Das gute Zusammenspiel von Mensch und Tier löste damals das Problem des Vorankommens, auf eine ganz einfache Weise. Denn der »Kraftstoff« für das Weitertraben des Pferdes sei überall vorhanden, zumindest in jenen früheren Zeiten. Man brauchte nur von diesen treuen Weggenossen herabzusteigen und es holte sich die Energie für die nächste Wegstrecke selbst von der Wiese – eine sehr praktische Regelung.«

»Noch etwas (Na, was denn noch?), unter den Pferden gibt es ebenso wie bei uns Menschen, verschiedene Charaktere (Echt?), die nicht in jedem Fall zueinander passen. So wählt man sich eben möglichst sein Tier, wie das heute auch in der unterschiedlichen Auswahl der Autotypen geschieht, in dem Größe, Ausstattung und Farbe bedacht werden. In jener Pferdeära entstand sogar oft ein festes Verhältnis zwischen Tier und Reiter, was sich in unserer Zeit bei dem Auto und seinem Fahrer seltener entwickelt.«

Als sagenhaft sei hier das Streitross »Boukephalos«, Alexander des Großen zu nennen, wobei das »Sich-Aufeinander-Verlassen-Können«, in seinem Fall, als Feldherr in der Schlacht, eine besondere Rolle spielte. So ließ der junge König nach dem Kampf am Hydaspes, dem sein treuer Weggefährte zum Opfer fiel, ein Denkmal errichten (Erstaunlich)!

Wenn man so die Fortbewegung des Menschen bedenkt, wie es damals meist zu Pferd geschah und heute auf bequemere Weise mit dem Auto vor sich geht, ist eine gewisse Achtung gegenüber den Mühen der Konstrukteure und den Handwerkern, die ihnen diesen Fortschritt verschafften, wohl angebracht«(Auch das ist wahr). Ich reckte mich aus meiner bequemen Lage hoch und rief zum Radio hin: »Ich warte auf den versprochenen Kraftwagen!« Sogleich antwortete es aus dieser Richtung; »Mobil sein – ist alles!« (Offensichtlich hatte diese Mahnung geholfen, wir kamen zur Sache.)

»Also der Kraftwagen – wenn bei ihm alles vorbereitet ist, zunächst den Motor starten (Das ist wohl klar), den Gang rein, die Kupplung behutsam lösen, wobei sich wirklich die Räder anfangen zu drehen und der Wagen bewegt sich voran.« Dabei hörte ich endlich einige herzhafte Töne aus dem Lautsprecher; zuerst das mühsame Drehen des Anlassers und darauf das befreiende »Losheulen« des Motors. »Allerdings ist das richtige Verhältnis zwischen Kupplung und Gas für den Anfänger ein immer wieder zu übendes Spiel (Na, so schlimm kann das doch nicht sein.), wobei es zu spontanen Ausbrüchen, wie dem so genannten ›Känguruh-Start‹ kommen kann.«

»Das stimmt, das habe ich schon gesehen und darüber gelacht und dafür eine »Dachtel« einstecken müssen. Nämlich als Vatis Freund, der Zimmermanns Horst mit einem D-Rad (Ein 500 ccm, 8 PS, Einzylinder, von 1930) auf unseren Hof kam. Nach kurzem Erzählen saß dann mein Vater auf dem donnernden Bock, machte den Gang rein und schon ging die Fuhre ab, – ganz unvermittelt und auf Schulzens Hühnergehege zu und sogar ein Stück, die sich unter der Wucht des Aufpralles zurück biegende Bretterwand hinauf und wieder rückwärts hinunter. Glücklicherweise geschah dieser letzte Akt ganz gerade, wobei natürlich dahinter die verschrockenen Hühner mit großem Gegacker davon stoben. Doch kein Unglück hatte sich dabei ereignet, die Bretterwand richtete sich fast in ihre alte Lage zurück, wobei die Hühner sich schon wieder etwas näher heranwagten und das Motorrad stand mit meinem Vater unversehrt, nahezu am selben Ort, wo die Vorstellung begonnen hatte. Herr Zimmermann eilte zu ihm und erklärte entschuldigend, dass er vergaß auf die nicht richtig eingestellte Kupplung hinzuweisen. So hoben sie das D-Rad, welches vor Schreck aufgehört hatte zu Knattern, auf seinen Ständer. Anschließend kam ich an die Reihe, als mein Vater auf mich zukam, begannen in mir ahnungsvolle Bedenken. Wieder einmal hatte ich mich sehr oberflächlich, von der augenblicklichen Situation zur Heiterkeit hinreißen lassen und nicht im Geringsten bedacht – was alles hätte passieren können (Sah aber auch zu komisch aus. Vater mit dem Donnerbock auf der schrägen Hühnerwand und das »Davongegackere«). Aus diesem Grunde musste nicht viel erörtert werden. Ich schluckte die Dachtel und die Situation hatte ihren Ausgleich erhalten.

Inzwischen hatte sich der Radiomann weiter vorgearbeitet und sprach davon, dass der Motor bei einem unsachgemäßen Kuppeln, ebenso »Verrecken« kann (Stimmt, klingt richtig elend, wenn er auf die Weise abgewürgt wird.). Wobei dieser mit einem überanstrengten Rucker stehen bleibt und mitten auf dem Armaturenbrett vorwurfsvoll die rote Lampe aufleuchtet.

»Ist der Wagen endlich zum Hoftor gerollt, kommt der besondere Augenblick; es geht voran auf die Straße (Das ist wahr!). Es ist wie das Hervortreten aus dem geschützten Raum, in eine andere Dimension, – in die turbulente Welt, ›Hinaus‹ sozusagen.

Großartig, dieses mühelose »Dahinrollen« nun mit höherer Geschwindigkeit, vorbei an Häusern, Straßen und Menschen und auch das Steuern um die Kurve, am Marktlatz vorüber und zwischen Fahrzeugen und Passanten hindurch. Eine Revolution eigener Art, diese schnellere Fortbewegung, – mit diesem unvergleichlichen Gasgeben«.

Nach dem folgenden Wetterbericht schaltete ich mit einem Seufzer das Radio aus: »Leicht übertrieben dieser Vortrag, aber fantastisch ist das schon mit der Beschleunigung, – jedoch weit weg von mir.«

»Graue Wolken zieh’n dahin, daher, sie zieh´n wohl übers Meer«, summte ich vor mich hin, obwohl ich keinen richtigen Grund zum Singen hatte. Aber dieses Lied, noch aus der Jungvolkzeit, trug die Seele, etwas wehmütig mit der Vergänglichkeit dahin – und zuweilen ist einem Jungen so.

Bald würde mein zwölfter Geburtstag sein und dabei wartete ich schon auf den Vierzehnten, weil ich mir dann sonntags im Kino einen richtigen Film ansehen durfte und nicht nur die Kindervorstellung.

Das Kindsein ist gar nicht so einfach. Wer nimmt das wirklich wahr und versteht, was im kindlichem Gemüt so auf und ab geht und wie das zu mancher Zeit drängt?

Einige Sätze aus dem Radiovortrag meldeten sich zurück. Wie lange dauerte es in der Fahrzeuggeschichte, bis man Eisen zu brauchbaren Stahl verarbeiten konnte und auch Maschinen bauen konnte, die diesen gewonnenen Stahl genau in die gewünschte Form brachten. Das heißt, dass Wellen gedreht und Zylinder gebohrt werden konnten?

Zum Motor gehörte ebenso das Benzin und wie lange brauchten sie wiederum – bei dieser Entwicklung – bis ein gebrauchsfähiger Kraftstoff hergestellt werden konnte? Eine wahrhaftig mühevolle Reihe!

Bei mir lief das nicht so gut und mein Vater musste mich wieder einmal ermahnen, weil ich das Papiermodell eines Flugzeuges nicht zu Ende bekam und es halbfertig auf dem Spielzeugschrank liegen blieb – da es mir zu kompliziert wurde.

«Du musst schon etwas mehr Geduld aufbringen und eine Sache auch zu Ende bringen.« Und dann kam dieser Satz: »Es ist erst geschafft, wenn es geschafft ist, – alles andere zählt nicht!«

Insgeheim sah ich so eine Konsequenz schon ein. Aber konnte man als Kind, seinem »Erziehungsberechtigten« gegenüber, diese Erkenntnis gleich zugeben? Bei Vätern sollte man vorsichtig sein, sonst wird aus zugegebener Einsicht gleich wieder eine Aufgabe: »Und darum wirst du auch in den Ferien den Schatzgräber auswendig lernen, sonst ist das bald wieder vergessen.« Unser Lehrer hatte uns angesichts der Ferien nur das Durchlesen zugemutet, – und nun? So ist das mit der Theorie und der Praxis.

Das Auto und wir

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