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3.1 Wie alles begann?
ОглавлениеIm Jahr 1982 war ich als Personalleiter in der pharmazeutischen Industrie tätig. Auf einer Tagung sprach mich der Inhaber eines Weiterbildungsinstituts an, ob ich nicht Lust hätte, den Teilnehmern in seinen Seminaren (damals hießen die noch 41a-Maßnahmen) etwas über Bewerbungen aus der Sicht der anderen Seite zu erzählen.
Ohne lange zu überlegen, sagte ich zu – und das war ein großer Fehler. Denn meine Vorträge endeten meist in unnützen Diskussionen, weil es der Tenor meiner Äußerungen war, die Bewerber würden sich selten dämlich anstellen und wir auf der anderen Seite hätten große Probleme damit, die Spreu vom Weizen zu trennen, um die richtigen Mitarbeiter zu finden. Auf die konkreten Fragen der Teilnehmer, was sie denn besser machen sollten, hatte ich nur vage Vorschläge.
Das war für beide Seiten nicht sehr erfreulich und ich überlegte, wie ich das ändern könnte. Vielleicht hilft es, so dachte ich, dass ich mir einmal ein paar Bewerbungsbücher besorge und mich einlese, um nicht nur mehr Verständnis für die „andere Seite“ zu erlangen, sondern auch konkrete Hilfen anbieten und Vorschläge machen zu können.
Doch das war leichter gesagt als getan, denn zu der Zeit gab es solche Ratgeber nicht (oder sie waren für meine Zwecke nicht brauchbar). Außerdem machten die Autoren den Fehler, dass sie Zustände zugrunde legten, die es auf dem Arbeitsmarkt längst nicht mehr gab.
Fünfzig Jahre keine „normale“ Bewerbung
Mir wurde sehr schnell klar, warum das so war. Im Jahr 1982 war seit über fünfzig Jahren der Arbeitsmarkt so, dass ein „normales“ Bewerberverhalten gar nicht notwendig war. 1930 hatte man die Arbeitslosigkeit einfach mit diversen Maßnahmen (Arbeitsdienst, Wehrmacht usw.) abgeschafft, dann wurden wir mit Kriegen und anderem Schwachsinn beschäftigt und es kam zum Zusammenbruch. Wer bewarb sich da, als es ums Überleben ging, schon schriftlich um einen Arbeitsplatz.
Im Zeichen des Wiederaufbaus war eine Bewerbung bis 1980 ebenfalls kaum notwendig. Wie sagte es ein Teilnehmer treffend: „Wir haben doch nur mit den Fingern geschnipst, da kamen die Herren Unternehmer schon angerannt.“ Ein anderer ergänzte grinsend: „Ohne Flocken war kein Locken!“ Deshalb brauchte man auch keine Ratgeber für richtiges Bewerben.
Auch ich kann mich noch gut an diese Zeiten erinnern. Einmal sprach ich beim Arbeitsamt in Andernach persönlich vor, weil ich unbedingt fünf neue Mitarbeiter in der Produktion brauchte und hoffte, dass durch mein Erscheinen die Chancen, dass man dort welche „rausrückte“, größer seien. Aber leider wurde mir eröffnet: Wir haben zwar noch Arbeitslose, aber die können Sie nicht gebrauchen. Die sind eigentlich arbeitsunfähig oder gehören – damals durfte man das noch sagen – zur Gruppe der „Bodensatzarbeitslosen“. (Diese Situation war ja auch der Grund, warum Italiener in Sizilien überredet wurden, in Deutschland Gastarbeiter zu werden.)
Die dramatische Wende am Arbeitsmarkt
In den Jahren 1982 bis 1985 trat dann auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine dramatische Wende ein. Volkswirtschaftlich ausgedrückt wandelte sich der Arbeitsmarkt von einem Verkäufermarkt (der Verkäufer der menschlichen Arbeitskraft bestimmt die Bedingungen) zu einem Käufermarkt (der Käufer von Arbeitnehmerleistungen – die Unternehmen – bestimmt, wie der Markt funktioniert).
Das erkannte auch die Arbeitsverwaltung und sie richtete die bereits erwähnten 41a-Bewerbertrainings für arbeitslose Arbeitnehmer ein.
Diese veränderte Situation am Arbeitsmarkt wurde von den Arbeitslosen falsch eingeschätzt. Ihre Erfahrungen und die in der Vergangenheit durchaus erfolgreichen Bewerbungsstrategien funktionierten nicht mehr. Das gleiche Phänomen erlebte ich übrigens nach der Wende in den neuen Bundesländern. Auch hier hatten wir in den Seminaren des Arbeitsamtes mehr damit zu kämpfen, die sozialistischen Strategien und Erfahrungen aus den Köpfen der Teilnehmer zu verbannen, als ihnen neue methodische Kompetenzen zu vermitteln, die man bei einem Käufermarkt anwenden musste, um erfolgreich zu sein.