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Interessenkonflikt

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Als Olivia den Briefkasten öffnet, findet sie eine Karte. Ein eingeschriebener Brief muss abholten werden. Wieso erhält sie einen eingeschrieben Brief? Sie erwartet nichts, was kann das sein?

Am nächsten Morgen holt sie den Brief ab. Mit erstaunen stellt sie fest, dass der Brief von einem Anwalt in Tallahassee stammt. Was hat sie mit einem Anwalt in Tallahassee zu tun? Ist es etwa der reiche Onkel aus Amerika, der verstorben ist? Sie weiss jedoch nichts von Verwandten in Amerika.

Sie wagt es nicht den Brief in der Post zu öffnen. Sie beeilt sich, um nach Hause zu kommen. Sie geht auf ihr Zimmer und schliesst ab, bevor sie weiss, um was es geht, will sie das Geheimnis nicht mit Anna teilen.

Endlich kann sie den Brief öffnen. Das Dokument ist sehr eindrucksvoll mit vielen Stempeln und Unterschriften. Der Anwalt teilt ihr mit, dass sie es zu unterlassen hat, nach Urs Sommer, Jürg Eicher und Knut Heglund zu suchen. Sie soll ihre Recherchen unverzüglich einstellen, sonst muss sie mit einer Klage rechnen.

Jetzt versteht sie überhaupt nichts mehr. Wieso will jemand verhindern, dass sie nach den drei Personen sucht? Das soll einer verstehen. Dabei hat sie auf ihre Anfrage noch keinerlei Hinweise erhalten. Warum droht der Anwalt? Sie hat nichts Verbotenes gemacht, das muss sie nun doch mit ihrer Freundin besprechen.

Als Olivia Anna den Brief zeigt, ist auch sie erstaunt. Das ist doch nicht normal, weshalb droht der Anwalt mit einer Klage? Aus ihrer Sicht hat sie nichts Unrechtmässiges gemacht. Das sieht der Anwalt offensichtlich anders. Steckt hinter dem Schicksal der drei Männer mehr, als sie bisher angenommen hat?

«Was willst du jetzt machen?», fragt Tim, der später noch zu Besuch kommt.

«Keine Ahnung, vermutlich muss ich meine Anfrage zurückziehen, für mich ist es ja nicht so wichtig», entgegnet Olivia.

«Sicher ist es vernünftig, sich da herauszuhalten», bestätigt Tim, «andrerseits würde es mich schon interessieren, was dahinter steckt. Der Anwalt hat mich erst recht neugierig gemacht».

«Mich auch», bestätigt Olivia, «doch ich habe Angst, uns geht die Sache doch wirklich nichts an.»

«Nun», philosophiert Tim, «was ist, wenn es etwas mit den Diamanten zu tun hat, immerhin ist dies der letzte Eintrag im Tagebuch.»

«Schon, nur wie willst du nach so langer Zeit herausfinden, was damals geschah?», meint Anna, «wurde jemand ermordet? Hat man ihn beraubt? Irgendetwas ist doch faul, sonst würden der Anwalt nicht so reagieren.»

«Nun, als Erstes werde ich einem Freund in Amerika den Brief schicken! Kannst du den Brief einscannen?»

«Natürlich ich bin gut eingerichtet, was glaubst du?», bestätigt Olivia, «das mit dem Freund in Amerika finde ich allerdings nicht gut, du weisst, wir müssen uns raushalten.»

«Mein Freund Dean wird sich sicher nicht so dämlich anstellen», meint Tim.

«Was meinst du mit dämlich! Hast du etwas gegen Frauen?»

«Entschuldigung, das war nur eine Redensart, legt doch nicht alles auf die Goldwaage.»

«Das war nicht sehr feinfühlig», meint auch Anna, «so seid ihr Männer, voll von Klischees, - zur Sache, ich denke auch, dass das Einschalten von Dean zu vertreten ist.»

«Gut, mir ist es nicht wohl bei der Sache», willigt Olivia ein, «doch wenn was schief läuft, lasst ihr mich nicht im Stich, versprochen!»

«Natürlich nicht, so einfach können sie dir keinen Prozess anhängen, oder hast du nächstens vor, nach Amerika zu reisen?»

«Nein, ich habe im Moment genug vom Reisen.»

Damit war man sich einig. Tim scannte den Brief ein und schrieb das Mail an seinen Freund Dean Richards in Florida. Er ist Rechtsanwalt und ist mit dem amerikanischen Rechtssystem vertraut. Tim kennt ihn von einer Studienreise vor fünf Jahren. Dean wollte damals noch Ökologie studieren, da ihm die Anwaltskanzlei zum Halse heraus hing, deshalb beteiligte er sich an einem Trip zum Mount Sankt Hellen.

«Hoffentlich stellt er keine Honorarforderung», meint Olivia, die über die Stundensätze von amerikanischen Anwälten schon schlimmes gehört hat.

«So, das Mail ist unterwegs», meint Tim, nachdem er das Iken senden gedrückt hat, «jetzt gibt es kein Zurück mehr.»

Damit war das Thema Brief erledigt. Die drei wenden sich wieder ihren Alltagsproblemen zu. Die Ablenkung hatte allen gut getan. Nun können sie sich wieder an ihre Arbeit machen. Während Olivia noch mit grosse Motivationsproblemen kämpft, hat Anna bereits hunderte von Varianten entwickelt, am Ende scheitert alles an der Frage, wer soll es bezahlen. Auch Tim dreht sich im Kreis, das Einlagern von CO2 ist nicht so einfach. Das Zeug dringt durch alle Gesteine hindurch.

Vor dem Einschlafen liest Olivia nochmals die Stelle im Tagebuch: «wir haben heute “durchgestrichen“ gefunden.»

Ursprünglich hat es also geheissen, «wir haben heute Diamanten gefunden!»

Was lassen sich daraus für Erkenntnisse herleiten? Als Erstes ist deutlich, dass es sich um mehrere Diamanten handelte, denn der Schreiber verwendet die Mehrzahl. Als nächstes geht daraus hervor, dass der Fund beiden Männern bekannt war. “Wir“ bedeutet, dass sie die Diamanten gemeinsam entdeckt hatten. Rätselhaft bleibt, warum danach das Tagebuch nicht weiter geschrieben wurde. Platz wäre noch vorhanden gewesen, vielleicht ist die Tinte ausgegangen, doch das merkt man vorher und hätte es entsprechend vermerkt.

Interessant wäre zu wissen, ob Diamanten sofort, oder erst später, eventuell durch eine andere Person durchgestrichen wurde.

Leider bringen Olivia diese Überlegungen nicht weiter. Sie legt das Tagebuch weg. Sie muss es vergessen.

Vor dem Einschlafen stellt sie sich vor, was die Männer erlebt hatten. Am Fusse der Felswand hatten sie sich eine Hütte gebaut. So waren sie vor dem Regen geschützt. Ihre Vorräte konnten sie so vor Tieren schützen. Die Hütte war nicht besonders gemütlich. Sicher waren die Männer mehr draussen unterwegs. Erstens um Nahrungsmittel zu beschaffen und zweitens suchten sie nach einem Ausweg, die Insel zu verlassen. Doch da beginnen die ersten Rätsel. Warum baut jemand die Hütte am Fuss einer Felswand, wenn sie die Insel verlassen wollen? Haben sie in der Nähe der Hütte die Diamanten gefunden und sie deshalb an dieser Stelle gebaut? Stand die Hütte dort, weil sie eine strategisch günstige Stelle war, die man immer wieder finden konnte. Auch das wäre möglich, die Felswand ist sehr markant und man konnte sie aus grosser Entfernung sehen.

Wie lange haben die beiden Männer in der Hütte gelebt? Im Tagebuch wird sie nicht erwähnt. Sie versucht sich zu erinnern, wie die Hütte innen ausgesehen hatte. Es gab zwei Schlafstellen, also haben Jürg und Knut gemeinsam dort geschlafen. Die Männer haben noch zusammen hier gewohnt. Doch wo sind sie geblieben? Es gab keine Leiche in der Hütte. Zu dumm, dass sie die Umgebung der Hütte nicht besser abgesucht hatte, vielleicht hätte es in der Umgebung ein Grab gegeben. Das war nun zu spät.

Wie haben die Männer den Fund der Diamanten verkraftet. Diamanten sind schön und wertvoll, doch im Dschungel haben sie keinen Wert. Eine Wasserquelle oder ein Baum mit nahrhaften reifen Früchten, wären wertvoller gewesen. Die Diamanten wurden erst dann wertvoll, wenn sie damit die Zivilisation erreichten. Da das Tagebuch im Dschungel blieb, gibt es darüber nicht den geringsten Anhaltspunkt. Wann verliessen sie die Insel? Waren sie noch zusammen, oder haben sie sich getrennt. Natürlich darf sie auch den Leutnant Sommer nicht ausser Acht lassen. Hat er die beiden aufgespürt und sie beobachtet? War er die Person die sie einmal kurz gesehen hatten? Wie reagierte dieser, als er von den Diamanten erfuhr. Schon viele Menschen wurden für Diamanten umgebracht.

Schliesslich muss sie eingeschlafen sein. Dann beschliesst sie, sich endgültig von dieser Geschichte zu lösen. Sie muss sich damit abfinden, dass sie die waren Hintergründen nicht herausfinden wird.

Nach zwei Tagen erhält Tim ein Mail von Dean. Der teilt ihm mit, dass es für ihn unmöglich ist, herauszufinden wer dem Anwaltsbüro den Auftrag zu diesem Brief gegeben hatte. Dies sei auch deshalb nicht möglich, weil er sich damit strafbar macht und das sei ihm die Sache nicht wert. Er bestätigt ausserdem, dass der Brief nichts als eine leere Drohung sei. Die amerikanische Justiz würde in dieser Sache nie international tätig werden.

Tim ist beruhigt, dass die Rechtslage auf ihrer Seite steht, doch gleichsam enttäuscht, weil sie keinen Schritt weiter gekommen sind. Im Klartext heisst das, dass Dean ihn nicht unterstützen wird. Wenigstens machen sie sich nicht strafbar, wenn sie weiter suchen. Im Internet gibt es mehrere Suchfunktionen, doch so einfach kommt man nicht an die entsprechenden Infos heran.

Der giftige Ton seines Handys ertönt. Er sollte endlich einen etwas ruhigeren Klingelton einstellen.

«Ja! – Was gibt’s?»

«Ich bin’s Olivia», meldet sich die vertraute Stimme, «ich habe erfahren, dass du ein Mail aus Amerika erhalten hast.»

«Woher weist du das schon wieder?»

«Ich weiss es eben, so was spürt eine Frau, stimmt’s?»

«Ja es stimmt, Dean hat sich gemeldet. Er hat momentan keine Zeit, sich mit dem Fall zu beschäftigen. Er hat mich insofern beruhigt, dass die amerikanische Justiz bei solchen Fällen von der Schweiz keine Unterstützung erhält. Mit solchen Bagatellen, kann man niemand belangen.»

«Wenigstens das, doch es hilft uns nicht weiter, was gedenkst du als nächstes zu unternehmen?»

«Nichts, ich habe keine Zeit, zudem geht es mich nichts an.»

«Nichts, der Herr hat keine Zeit, schön und was ist, wenn ein Mordfall dahinter steckt?»

«Übertreibst du jetzt nicht ein bisschen?»

«Vielleicht, doch ich kann den Mord auch nicht ausschliessen. Ich möchte schon wissen, warum jemand auf eine simple Nachfrage so heftig reagiert. Da muss mehr dahinter stecken.»

«Und wenn, was geht das uns an?»

«Nun, ich bin die, die etwas gefunden hat. Ich fühle mich verpflichtet, das Rätsel zu lösen.»

«Richtig, Du! - fühlst dich verpflichtet, bei mir ist das etwas anderes, ich war nicht auf dieser Insel, ich habe keine Beziehung zu den Männern. Ich habe nicht einmal ihre Eintragungen gelesen.»

«Danke für deine Hilfe», Olivia will auflegen.

«Jetzt musst du nicht gleich sauer sein», versucht Tim die Situation zu retten, «ich weiss wirklich nicht, wo man anfangen könnte.»

«Stimmt», muss im Olivia zustimmen, «wir stehen noch am Anfang, doch nichts haben wir nicht. Wir wissen, dass Diamanten im Spiel sind und den Zeitraum, in welchem sie auf den Markt gebracht wurden. Kann man damit nichts anfangen?»

«Ich nicht, dazu brauchst du einen Hacker und nicht nur einen gewöhnlichen, nein, es brauchte ein Genie!»

«Und bist du das?»

«Nein mit Sicherheit nicht, ich werde mich rum hören, vielleicht hat einer Interesse.»

«Danke ich wusste, dass ich auf dich zählen kann», antwortet Olivia, «ich werde mich noch mit Ray in Zürich in Verbindung setzten, der hat sehr gute Computerkenntnisse. Vielleicht kann er etwas herausfinden.»

«Eine gute Idee», bestätigt Tim.

«Ich versuche es einfach», bestätigt Olivia, «ich schicke ihm die gleiche Mail, die wir bereits Dean geschickt haben. Je mehr Leute suchen, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, einen Treffer zu landen. Danke für die Hilfe!»

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