Читать книгу Mutige Studenten - Geri Schnell - Страница 14

Wer ist Jörg Herbst?

Оглавление

Eine Woche nachdem sie Dean das Mail geschickt hatte, erhält Olivia einen Anruf: «Hallo!»

«Hallo, hier ist Ray Kammber.»

«Ach du bist es, ich habe deine Nummer nicht erkannt», meldet sich Olivia, «schön dass du dich meldest. Wie läuft‘s in Zürich?»

«Recht gut, ich bin stolz, dass mich eine Baslerin um Hilfe bittet.»

«Schon gut, es handelt sich um einen Notfall, sonst würden wir uns selber helfen, doch bei illegalen Sachen sind uns die Zürcher überlegen!»

«Ja natürlich, für die Drecksarbeit sind wir gut genug», macht Ray das Spiel Zürich gegen Basel mit.

«Oh sorry, ich werde dir eine Packung Seife schicken, dann kannst du dir wenigsten die Hände waschen.»

«Danke nicht nötig», entgegnet Ray, «wer hat gesagt, dass ich mir die Hände schmutzig mache, vielleicht habe ich ja dein Mail direkt in den Papierkorb verschoben.»

«Könnte ich dir nicht übel nehmen», erwidert Olivia, «nur würdest du mich dann vermutlich nicht anrufen.»

«Da hast du Recht», erklärt Ray, dessen Ton etwas ernster klingt, die Eröffnung des Gesprächs ist somit beendet, jetzt kommt er zum eigentlichen Grund des Anrufs, «ich habe natürlich versucht, den Leuten aus unseren Vororten zu helfen, es ist gar nicht so einfach. Bis jetzt habe ich nur eine einzige heisse Spur, doch sie könnte genauso gut im Nichts enden.»

«Und ich bin gespannt, was hast du herausgefunden?»

Danach erklärt er ihr, wie er zuerst nach den drei Namen gesucht hat. Verdächtige konnte er keine ermitteln. Keiner hatte etwas mit Diamanten zu tun. Danach hat er die Suche erweitert. Er suchte nach verwandten Namen, also nach Namen, die eine Ähnlichkeit mit einem der drei Männer hatten. Dabei gab es unzählige Kombinationen. Ich habe alle durchlaufen lassen. Ein einziger Name ist dabei hängen geblieben.

«Jörg Herbst!»

«Jörg Herbst, wer ist das?»

Nun erklärt er ihr weitere Details. Dieser Jörg Herbst hat sich im Jahr 1949 in Paraguay angemeldet. Auf jeden Fall hatte dieser Herbst sich in Paraguay niedergelassen und ist sehr schnell zu Wohlstand gekommen. Er eröffnete in Asunción einen Juwelierladen, der schnell grösser wurde. Besonders Diamantringe waren seine Stärken. Schnell erlangte er einen gewissen Einfluss in Südamerika. Er kaufte Betriebe und restaurierte sie. Sein Wirkungskreis reichte über Brasilien, Argentinien bis Venezuela. Er hatte gute Verbindungen zum Holländer de Beers, dessen Imperium bekanntlich den Diamantenhandel beherrscht. Im Jahre 1980 expandierte Jörg Herbst in die USA. Er eröffnete je ein Geschäft in Miami, Las Vegas und New York.

«Das könnte tatsächlich unser Mann sein», bestätigt Olivia, «gibt es noch mehr Infos?»

«Bis jetzt weiss ich nicht einmal, ob er noch lebt, doch in letzter Zeit war es sowieso ruhig um ihn geworden.»

«Danke für die Hilfe, es könnte tatsächlich unser Mann sein, nur weiss ich jetzt nicht, um welchen der drei Männer es sich handelt.»

«Ich werde mich auf ihn konzentrieren, vielleicht findet man beim nachhacken weitere Informationen. Mit wem hat er verkehrt? War er verheiratet? Gibt es eine Ehefrau? Diese Fragen könnten uns nun weiter bringen, oder was meinst du?»

«Das mit der Ehefrau», greift Olivia den Faden auf, «könnte erfolgsversprechend sein.»

«Also das war’s», versucht Ray das Gespräch zu beenden, «vielleicht komme ich nächste Woche mal in die Provinz. Ich war schon lange nicht mehr auf dem Land. - Dürfte ich bei euch reinschauen?»

«Natürlich, Anna freut sich über jeden Männerbesuch. Doch Vorsicht, sie ist sehr anspruchsvoll, also bis nächste Woche», Olivia beendet das Gespräch.

«Was ist mit mir», fragt Anna, die eben reinkommt und offenbar den Schluss des Gesprächs mitbekommen hat.

«Ach nichts», wimmelt Olivia ab, «nur ein neuer Verehrer, ich denke, er wird nicht in dein Beuteschema passen, wenigstens war er eine grosse Hilfe.»

«Ich höre nur Beuteschema», Anna ist nun etwas eingeschnappt und kommt auf Olivia zu, «als was stellst du mich wieder hin, wer war das überhaupt?»

«Kennst du nicht, einer aus Zürich.»

«Ah – sicher dieser Ray, was wollte er?»

«Er will uns nächste Woche besuchen, er hat einen Verdächtigen ausfindig gemacht.»

«Wer ist der Verdächtige?»

«Jörg Herbst», antwortet Olivia, «doch das wird dir nicht weiter helfen. Ich kenne den Typen auch nicht, zudem dürfte er inzwischen doch in die Jahre gekommen sein.»

«Wie kommt ihr denn auf den?»

«Wie kommt Ray auf den?», korrigiert Olivia, «einfach durch kombinieren. Herbst statt Sommer und Jörg statt Jürg. Ein kleiner Hinweis zu zwei der drei Männer. Zugegeben etwas dürftig, doch er hat zusätzlich noch mit Diamanten zu tun.»

«Nicht schlecht», Anna ist beeindruckt, «Und wo lebt dieser Herbst?»

«In Paraguay, falls er überhaupt noch lebt, das versucht Ray jetzt herauszufinden.»

«Und dieser Ray kommt nächste Woche nach Basel?»

«Ja, er will wieder einmal aufs Land», erklärt Olivia, «wir müssen ihm zeigen, dass Basel nicht ein Provinznest ist, das sind wir Basel schuldig.»

«Du willst diesen Zürcher noch beeindrucken?», ereifert sich Anna, «das musst du schon alleine durchziehen, ich werde mich verdrücken, wenn er auftaucht.»

«Wir werden ja sehen, wie wär’s mit einem Kaffee?»

«Klingt gut, dabei kannst du mir erzählen, was es mit diesem Herbst auf sich hat».

Während dem Kaffeekochen erzählt Olivia ausführlich, was sie erfahren hatte. Dabei schmückte sie die Geschichte bereits detailliert aus. Der Mister Jörg Herbst hatte seine beiden Kontrahenten ausgeschaltet und sich in Besitz der Diamanten gebracht, das war für sie klar. Nur, welcher der drei Männer der Überlebende war, das ist auch für Olivia noch nicht eindeutig. Alles deutet aus ihrer Sicht auf den Leutnant Sommer hin, doch der neue Vorname macht sie stutzig. Jürg und Jörg waren sich sehr ähnlich, den Vornamen zu behalten ist viel einfacher und wesentlich weniger verdächtig. Doch auch Knut kann man nicht ausser Acht lassen, was ist, wenn er sich aus den Namen seiner Rivalen einen neuen Namen kreierte, das wäre noch viel sicherer.

Für Anna war andrerseits klar, dass einer der jemand umbringt, sich seinen neuen Namen nicht aus den Namen der Ermordeten zusammenstellt, so verrückt kann doch keiner sein. Dieser Herr Herbst ist für sie nur eine Fata Morgana. Doch wenn es Olivia beruhigt, warum nicht, so kommt sie auf andere Gedanken. Doch warum der Zürcher nächste Woche persönlich vorbeikommen will, das ist für sie das grössere Rätsel. Hat er etwa Absichten? Will er bei ihnen in der Wohnung übernachten? Dieser Gedanke bringt sie etwas durcheinander, wie er wohl aussieht, dieser Zürcher?

«Hier ist der Kaffee», Olivia stellt die Tassen hin, «du bist so in Gedanken versunken, träumst du von Ray.»

«Ach du, ich habe nicht nur Männer im Kopf. Ab und zu denke ich auch an meine Arbeit», flunkert Anna.

«Ach so wie läuft es denn?»

«Recht gut, ich habe jetzt einige Projekte aufgestellt, in die der Bund investieren könnte, um damit die Wirtschaft anzukurbeln und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.»

«Hört sich interessant an, - erzähl!»

Nun erklärt Anna einige Projekte. Diese sind vor allem aus dem Bereich Energieeinsparung. Zum Beispiel Umrüsten der Strassenbeleuchtung auf LED-Technologie, damit könnte man viel Strom sparen, in der Nacht sollte die Beleuchtung nur noch einschalten, wenn ein Bewegungssensor meldet, dass jemand im Gebiet unterwegs ist, das spart nicht nur Strom, auch die Natur könnte sich wieder an den normalen Tag- und Nachtrhythmus gewöhnen. Windkraftwerke auf den Jurahöhen und Kleinkraftwerke in abgelegenen Gegenden, damit die langen Leitungen reduziert werden können und so keine Verluste entstehen, brächten weitere Vorteile.

«Das sind doch keine neuen Ideen, die kennt schon jeder, damit holst du keinen hinter dem Ofen hervor.»

«Natürlich sind die Projekt bekannt, doch es macht keiner Vorwärts. Eine kleine Motivationsspritze würde solchen Projekten gut tun, sonst landen sie plötzlich wieder in den Schubladen.»

«Gut, bin mal gespannt ob es etwas nützt.»

«Ich habe auch etwas für die Autoindustrie», verkündet Anna stolz. Dann erzählt sie von ihrer Idee, neue Taxis zu entwickeln. Diese würden die Luft in den grossen Zentnern wesentlich weniger belasten.

«In Städten wie New York, London und in praktisch allen Grossstädten in Asien, hat das Taxi eine dominante Rolle. Die Taxis in New York verbrauchen zum Beispiel rund 40 Millionen Liter Benzin im Jahr. Der Verbrauch könnte ohne grossen Aufwand auf 20 Prozent reduziert werden. Wenn es gelingt, dass in Zukunft nur noch kleine umweltfreundliche Taxis durch die Städte fahren, bringt dies der Umwelt sehr viel», schliesst sie ihren Beitrag.

«Ein guter Vorschlag, doch was wird aus den ausrangierten Autos?»

«Nun, das ist das kleinste Problem, die kann man an Privatpersonen weiter verkaufen. Für diese Personen reicht die Qualität noch lange, sie würden den durchschnittlichen Schadstoffausstoss nochmals herunterdrücken, weil sie noch ältere Automodelle günstiger ersetzen könnten.»

«Ich merke schon, du hast an alles gedacht», bemerkt Olivia anerkennend, «doch wer soll das alles umsetzen?»

«Das wird das Problem sein, zuerst müssen Autofirmen sich mit den speziellen Anforderungen, die an ein Taxi gestellt werden, auseinandersetzen. Mit dem umweltfreundlichen Antrieb ist es noch nicht gemacht. Ein Taxi müsste noch weitere Bedingungen erfüllen. Komfort, Sicherheit und kleinere Grundfläche, müssen den speziellen Bedingungen angepasst werden. Da liegt noch viel drin.»

«Jetzt bin ich echt beeindruckt.»

«Wenn die Taxis kürzer werden und zudem dank Abstandssensoren enger aufschliessen können, könnten mehr Taxis in der gleichen Zeit eine Ampel passieren, der Verkehrsfluss würde verbessert», ergänzt Anna, «Wirtschaft bedeutet eben mehr als nur Zahlen und Statistik. Da brauch es eine Gesamtübersicht.»

«Ich merke schon, ich habe mit meiner Ethnologie ein Mauerblümchen unter den Wissenschaften ausgesucht, es ist anzunehmen, dass ich nie einen grossen Beitrag an die Menschheit weitergeben kann.»

Ein Telefonanruf unterbricht das Gespräch.

«Hallo», meldet sich Olivia.

«Hallo, ich bin’s Tim!»

«Ach du», meldet sich Olivia, «hast du schon das Neuste von Ray gehört?»

«Ja, er hat mich angerufen, sehr interessant. Ich habe darauf in den Archiven der Zeitungen von Asunción nachgeforscht und dabei einen Artikel gefunden. Ich schick dir den Artikel per Mail.»

«Gut, was steht den drin? Mach’s nicht so spannend.»

«Nur, dass er der Regierung für seine Einbürgerung eine halbe Million Dollar bezahlt hatte. Wenn man bedenkt, wie viel Geld das im Jahre 1952 war, sagt es einiges aus.»

«Ich vermute, dass er sehr schöne Diamanten gefunden hatte, sonst hätte er sich das nicht leisten können.»

«Gut, ich schau mir den Artikel an, hast du ihn schon geschickt?»

«Mache ich sofort nach dem Telefonanruf», erklärt Tim, «bis Morgen! Noch einen schönen Gruss an Anna!»

«Werde es ihr ausrichten, bis Morgen. – Tschüss Tim.»

«Komm, wir müssen das Mail von Tim lesen», drängt Olivia, «er hat etwas wichtiges herausgefunden.»

«Hast du nicht etwas vergessen?», fragt Anna nach.

«Was? Ach so, ich soll dich noch grüssen, aber das hast du ja gehört!»

«Natürlich, doch ich wollte es noch von dir hören.»

Die beiden starten den PC auf und öffnen das Mail von Tim. Da steht, dass Jörg Herbst sich in Paraguay einbürgern liess. Bei der Einbürgerungsfeier überreicht er dem Bürgermeister einen Scheck über eine halbe Million Dollar. Der Artikel erscheint auf der zweiten Seite. Ein Foto dokumentiert die Übergabe des Schecks.

«Der eine Mann auf dem Foto dürfte der Bürgermeister sein, der andere Mann ist Jörg Herbst», stellt Olivia fest.

Dass man jetzt weiss, wie dieser Herr aussieht, ist zwar erfreulich, doch weiter bringt es sie nicht. Man weiss ja nicht, wie die anderen beiden in Frage kommenden Herren aussahen.

Immerhin hat man jetzt eine Ahnung, mit wem man es zu tun hat. Der Herr ist blond und wird sicher um die ein Meter achtzig gross sein. Das Foto beweist, dass sich der Herr sicher fühlt, er musste zumindest in Asunción keine Angst haben. Die Vergangenheit scheint ihn nicht mehr zu belasten.

Mutige Studenten

Подняться наверх