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Besuch aus Zürich

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Die beiden Frauen fiebern, ohne dass sie es zugeben würden, dem Besuch aus Zürich entgegen. Olivia war noch beim Friseur, Anna hat sich die Nägel machen lassen. Beide betonen, dass es nichts mit Ray zu tun hat. Der Termin beim Friseur sei schon vor vier Wochen abgemacht worden. Auch Anna erzählt jedem der es wissen will, dass sie die Nägel schon lange störten und sie sich deshalb endlich aufgerafft hat, sich diesen Luxus zu leisten.

Zu dritt holen sie Ray am Bahnhof ab. Danach geht es an die Uni. Sie werden im Labor eine Besprechung durchführen. Offizielles Thema, die Untersuchungen der Pflanzen die Olivia in der Uni Zürich analysieren liess. Doch bereits auf der Fahrt mit dem Tram, wurde über Jörg Herbst diskutiert. Anscheinend hat jeder etwas gefunden. Das Stöbern im Internet war erfolgreich. Nachdem man sich auf eine Person fokussiert hatte, wurde man beinahe bei jedem Suchvorgang fündig. Jetzt muss man sich nur noch ein Gesamtbild zusammenstellen. Bis es soweit war, hatte Olivia den Zürcher für sich, erst wurden die Pflanzen analysiert.

Im Labor übergab er ihr die Messergebnisse mit dem jeweiligen Kommentar des zuständigen Biologen. Diese Analysen brauchte Olivia zur Aufwertung ihrer Semesterarbeit. Es ist ihre letzte Chance aus ihrer Dschungelreise einen vernünftigen Bericht zusammenzustellen. Ihr ist schon längst klar, wenn es so weiter geht, kann sie dieses Jahr vergessen, sie kommt einfach nicht vom Fleck.

Während Olivia mit Ray im Labor arbeiten, hat Tim Anna zu einem Kaffee in die Kantine eingeladen. In einer ruhigen Ecke unterhalten sie sich über ihre eigenen Arbeiten, doch es reicht nur zu einigen oberflächlichen Bemerkungen.

Anna ist erleichtert, als die beiden mit einem Höflichkeitsabstand in die Kantine kommen. Ihr Alptraum war, dass die beiden eng umschlungen durch die Türe schreiten. Doch das will nichts heissen, man wird sehen.

«Wir sind fertig», meint Ray, als er an den Tisch kommt, «wie geht es jetzt weiter?»

«Am einfachsten ist, wenn wir auf unsere Bude gehen», meint Anna, «da können wir ungestört über unseren Mister Herbst diskutieren, wir haben auch etwas zum Essen vorbereitet.»

Es ist erstaunlich, wieviel man im Internet über eine Person herausfinden kann, selbst wenn die Zeit weit zurückliegt. Nachdem jeder seine Daten ausgebreitet hat, ist Jörg Herbst kein unbekannter mehr.

Wann er nach Paraguay einreiste, konnte man nicht genau herausfinden. Es dürfte 1949 gewesen sein. Erstmals tauchte er in einem Zeitungsartikel von 1950 auf. Auf seiner Gummiplantage streikten die Arbeiter. Auf der abgelegenen Plantage war alles im Besitz von Herrn Jörg Herbst. Beim Essen, Schlafen und den Drinks in der Kneipe, bei allem verdiente Herbst tüchtig mit. Der Streik wurde von einer privaten Sicherheitstruppe brutal beendet. Mehrere Arbeiter wurden dabei getötet. Es gab nicht einmal eine Untersuchung. Einen wilden Streik beurteilte die damalige Regierung als Aufruhr, die Sicherheitsleute hatten nichts zu befürchten.

Nur kurz ging der Ertrag der Plantage zurück. Der Grossteil der Belegschaft wurde durch brasilianische Arbeiter ersetzt. Jörg Herbst wurde immer reicher. Er lebte ausserhalb Asunción auf einer Hazienda. Diese war luxuriös, abseits des Wohnbereichs mit Pool und kleinem Park, glich die Hazienda einer Festung. Sie wurde von einer paramilitärischen Truppe bewacht. Mehrmals im Jahr veranstaltete er prunkvolle Partys. Diese waren auch der Grund, weshalb man von Herbst regelmässig in der Zeitung lesen konnte, denn auf diesen Partys tummelte sich die Prominenz von Paraguay, was die Paparazzi in Scharen anlockte.

Etwa zwei Jahre später heiratete Jörg Herbst, eine fünfzehn Jahre jüngere, in Paraguay sehr populäre Sängerin. Natürlich war die Zeitung voll mit Fotos vom diesem gesellschaftlichen Ereignis des Jahres. Herbst hatte in Paraguay politisches Gewicht. Sicher standen nebst der Presse, auch mehrere Beamte auf seiner Lohnliste. Die Geschäfte liefen sehr gut. Der Preis für Naturkautschuk kletterte, dank dem Auto Boom, immer höher. Herbst hatte aufs richtige Pferd gesetzt. Nebst dem Gummi, mischte er auch in anderen Geschäften mit. Im nördlichen Distrikt von Paraguay hatte er das Monopol für Alkohol. Alle Kneipen in dieser Gegend wurden durch seine Sicherheitsleute kontrolliert. Die meisten Kneipen wurden wie Bordelle geführt. Dazu kamen noch die Edelhölzer, die bei der Vergrösserung der Plantagen so quasi als Nebenprodukt, gute Gewinne abwarfen. Dieser Jörg Herbst führte sein Reich wie ein Patriarch und wurde immer reicher.

Nur eines konnte noch nicht geklärt werden, welcher der drei in Frage kommenden Männer war Jörg Herbst? Wer versteckt sich hinter dem Namen? Hatte er seinen Vornamen nur leicht verändert und den Familiennamen von Sommer abgeändert, oder war es sogar Knut, welcher aus den beiden Namen einen neuen zusammenstellte. Eigentlich war es nicht von grosser Bedeutung, denn über das Schicksal der beiden anderen Männer wurde nie etwas gefunden. Es gibt keine Hinweise auf ein Verbrechen, auch keine Leichen. Sicher ist nur, dass Knut im Tagebuch nie vermisst wurde. Auch über seinen Tod konnte man nichts lesen. Dass Leutnant Sommer das Rettungsboot lebend verlassen konnte, ist eher unwahrscheinlich. Die Art von Herbst deutet eher auf einen Offizier hin. Natürlich traut man auch einem Funker einiges zu, doch dieses rücksichtslose Vorgehen, passt nicht zu ihm, der war nach Angaben des Tagebuchs, ein eher ruhiger und besonnener Mann.

Tendenziell vermuten die vier, dass Leutnant Sommer der Überlebende ist. Man will sich jedoch nicht weiter mit der Frage beschäftigen, sie wird sich vermutlich von selbst auflösen.

«Hatte er eigentlich Kinder?», wollte Anna wissen.

«Ich glaube drei, einen Sohn und zwei Töchter», beantwortet Ray die Frage, «warum fragst du?»

«Nun, ich denke, dass die vielleicht etwas weniger senil sind. Der Alte sitzt, wenn er noch lebt, sicher in seiner Altersresidenz und lässt sich von einer Krankenschwester pflegen.»

«Du hast Recht, er müsste jetzt über neunzig sein», bestätig Olivia und zeigt, dass sie gut im Kopfrechnen ist.

«Ja, doch er scheint immerhin noch so fit zu sein, dass er Drohbriefe schreiben lässt», wendet Tim ein.

«Wer sagt denn», meint Anna, «dass er es war, der die Drohung verschickte, es könnte auch sein Sohn gewesen sein.»

«Das schon, doch seine Erben hätten ja nichts zu befürchten», wendet Ray ein, «die wissen vermutlich von den Ereignissen in den Kriegsjahren nichts, so etwas hängt man nicht an die grosse Glocke.»

«Wie auch immer», wendet Anna ein, «von den Nachkommen wird man mehr erfahren, als vom alten Mann.»

«Vermutlich schon», bestätigt Tim, «es bringt uns nicht weiter, da wir weder diesen Herr Sommer, noch den Herr Herbst, noch seine Erben kennen.»

«Ich schlage vor», wechselt Olivia das Thema, «wir beide kümmern uns nun um das Essen.»

Alle nickten zustimmend. Die beiden Frauen ziehen sich in die Küche zurück, während Tim und Ray sich der Sportschau im Fernsehen widmen.

«Essen ist fertig», melden sich die Mädels aus der Küche. Das heisst, Fernseher aus. In Gedanken versunken essen sie die Lasagne. Sie ist den Mädels ausgezeichnet gelungen.

«Für eine Lasagne aus der Tiefkühltruhe ist sie ausgezeichnet», bemerkt Tim, «wirklich, super.»

«Sorry – das war kein Fertiggericht, wir haben sie selber zubereitet.»

«Entschuldigung – umso besser, ist ja wie bei Mutter.»

«Stimmt, sie hat mir Tipps gegeben, doch die Hauptsache ist, sie schmeckt.»

«Finde ich auch», meldet sich Ray, «wirklich hervorragend.»

Nach dem Essen mussten die Männer den Abwasch besorgen. Widerwillig erledigten sie die Arbeit. Anna hilft beim Einräumen des Geschirrs. Gerne hätte sie den Beiden die Arbeit abgenommen, doch Olivia bestand darauf, dass sie auch etwas beisteuern.

Nach zehn Minuten setzten sich alle wieder an den Tisch, Kaffee mit Keksen sind angesagt. Nun konnte man wieder diskutieren. Ray machte eine kurze Zusammenfassung, der alle zustimmten.

«Was hat eigentlich Dean herausgefunden?», fragt Ray.

«Nun, eigentlich nichts, ausser, dass wir in der Schweiz vor dem US-Gesetz in Sicherheit sind», erklärte Olivia, «wir sollten ihm noch ein Mail schicken, vielleicht hilft ihm die eine oder andere Information weiter.»

«Gute Idee», bestätigt Ray, «wir schreiben noch das Mail und dann bin ich gespannt auf das Nachtleben von Basel. Hier gibt’s doch Dancings – oder?»

«Natürlich und erst noch sehr gemütliche», bestätigt Anna, «sie sind nicht so versnobt wie in Zürich.»

«Du meinst», nimmt Ray den Faden auf, «wie in Zürich vor zehn Jahre? Gut, ein bisschen Nostalgie kann nichts schaden.»

«Da nimmt aber einer den Mund etwas voll», kontert Tim, «die Basler sind fröhliche Leute, du wirst schon sehen, in Zürich wirst du nichts Vergleichbares finden. Pass nur auf, dass man dich nicht gleich als Zürcher erkennt».

«Gut, ich lasse mich überraschen.»

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