Читать книгу In Amerika - Gerstäcker Friedrich, Jurgen Schulze - Страница 6

Links: General William Tecumseh Sherman , rechts General George Brinton McClellan

Оглавление

„Bah, Unsinn“, sagte Bool, der Apotheker, „aller Wahrscheinlichkeit nach existiert Sherman mit seiner ganzen Bande gar nicht mehr, denn sonst müssten sie doch wenigstens im Norden wissen, wo er geblieben ist. Die letzten neuen Zeitungen, die wir von dort bekommen haben, zerbrechen sich aber selber den Kopf, wo er möglicherweise stecken könne, und suchen sich einander über sein Schicksal zu beruhigen. Zehn gegen eins will ich wetten, dass wir in den nächsten Tagen Nachricht bekommen, wie er von dem Volk unterwegs gefasst und aufgerieben ist, und wenn wir etwas hier von ihm zu sehen bekommen, so werden es Gefangene sein, die unsere Truppen vielleicht nach Savannah durchtransportieren.“

„Ich will’s wünschen“, meinte Lesley, „aber recht trauen tue ich ihm auch nicht. Es soll ein zäher, rücksichtsloser Gesell sein, der sein eigenes Leben keinen Pfifferling wert achtet, und ein Kunststück wär’s wahrhaftig nicht, hier durch das Land zu ziehen, wenn einer nur den richtigen Mut dazu mitbringt.“

„Ach, lasst den Unsinn“, sagte Taylgrove, „was kümmern uns die albernen Gerüchte, die schon seit Wochen im Staat umlaufen und nur von solchen Leuten geglaubt werden, die vielleicht ein Interesse an der Sache haben. Den N e g e r n wäre es vielleicht erwünscht, das glaub’ ich, aber denen müssen wir jetzt dafür auch desto fester den Daumen aufs Auge drücken, dass sie nicht wagen, sich zu mucksen oder zu rühren, denn ihre Zahl schon ist uns hier gefährlich, und unser einziger Schutz nur ist bis jetzt gewesen, dass sie selber nicht an den Sieg des Nordens geglaubt haben. Helfen wir selber aber noch solche Gerüchte verbreiten, dann sind wir natürlich keinen Augenblick mehr sicher und dürfen uns auf das Schlimmste gefasst machen.“

„Bah“, sagte der Sheriff verächtlich, indem er ein Streichholz an seinen Beinkleidern abstrich und dann seine Zigarre damit entzündete, „was wir von denen zu fürchten hätten! Haben sie denn Waffen? Zehn oder zwölf entschlossene Männer schießen die ganze Bande zusammen.“

„Ich danke Ihnen“, lachte Taylgrove, „aber damit wäre uns verwünscht wenig gedient, denn ich habe Neger, die ihre 12-1400 Dollar wert sind, und wer trägt den Schaden, wenn wir sie zusammenschießen müssen? – Wer anders als die Eigentümer? Nein, da ist es besser, dass wir ein mögliches Übel gleich im Keim ersticken, und deshalb bin ich auch dafür, diesen Hills, wie sich der schuftige Mulatte nennt – ich glaube, sogar Reverend Hills, hol’ der Teufel Se. Ehrwürden – ohne weiteres an dem nächsten besten Baum aufzuhängen. Dann wissen die Kanaillen nachher, was sie zu erwarten haben, wenn sie nur eine irgend verdächtige Stellung einnehmen und fremde Vagabunden werden sich in Zukunft zweimal besinnen, ehe sie sich in solche Gefahr begeben. Muss es sein und verlangt es die Form, so lasst uns hinüber in das Gerichtshaus gehen um dort die Sache zu erledigen; meiner Meinung nach könnten wir es aber hier, bei einem Glas Sherry, ebenso gültig fertig bringen und hätten die Umstände nicht nötig.“

„Ja, Mr. Taylgrove“, sagte jetzt der andere Advokat, Johns, ein Creole,21 aber von englischen Eltern im Lande geboren, „das ist alles recht schön und gut, aber was ich bis jetzt über den Fall habe erfahren können, so liegen eigentlich gar keine weiteren Beweise von Schuld gegen den Mulatten vor, als was der Neger Benjamin gegen ihn ausgesagt hat, und das ist eine so nichtswürdig durchtriebene und boshafte Kanaille, wie nur je eine den Boden von Georgia ihre Fährten eingedrückt hat. Der Schuft war früher mein Eigentum und kein schlechter, sogar ein recht geschickter Arbeiter; ich habe ihn nur deshalb verkauft, weil er auf meiner Plantage nichts als Stänkereien machte, bald den, bald jenen verdächtigte und zahllose Male dabei überführt und gepeitscht wurde. Ich selber möchte kein Wort von dem glauben, was der Schuft aussagt.“

„Darauf kommt es hier aber gar nicht an“, rief Urguard heftig. „Haben wir dem Nigger Erlaubnis gegeben, hier auf offenem Platz zu predigen und eine Ansprache an unsere Sklaven zu halten, und sollen wir verpflichtet sein, solche Versuche, die Leute abtrünnig zu machen, zu überwachen oder uns der Gefahr eines solchen frevelhaften Erfolgs aussetzen?“

„Das ist alles wohl wahr“, bemerkte Lesley, „aber ein gewisses Verfahren muss doch jedenfalls stattfinden und irgendeine Klage muss gegen ihn vorgebracht und – bewiesen werden, denn wir dürfen einen Menschen nicht allein deshalb hängen, weil er eine gelbe Haut und keinen Eigentümer hat.“

„Mr. Lesley“, bemerkte Urguard ziemlich scharf, „Sie haben jetzt schon ein paar Mal, auch neulich bei einer ähnlichen Veranlassung, Äußerungen getan, die in dem Munde eines südlichen Gentleman – und dafür gelten Sie doch – das Wenigste zu sagen, wunderlich klingen.“

„Mr. Urguard“, sagte Lesley ruhig, „ich bin Advokat und gehe allein vom Rechtsstandpunkt aus. Hat sich der Gefangene gegen unsere Gesetze versündigt, dann wäre ich der Letzte, der ihm das Wort reden würde; wollen Sie aber, ohne genügenden Grund, einfach ein Exempel an ihm statuieren nur der anderen Sklaven wegen, dann würde ich seine Verteidigung übernehmen und Ihnen keine Gelegenheit geben, ihn, ohne offenes Lynchgericht, an seinem Leben zu schädigen. Ich glaube, Judge Rogers ist darin gewiss ebenfalls meiner Meinung.“

„Oh, sicher – sicher“, sagte der Richter doch etwas verlegen, denn da er selber einen sehr bedeutenden Sklavenstand besaß, lag ihm am wenigsten daran, große Umstände mit dem Mulatten zu machen; Lesley gegenüber, der volle Aussicht hatte, in nächster Zeit zum Staatsanwalt ernannt zu werden, mochte er sich aber auch keine Blöße geben. „Und wenn es ein Nigger ist, so muss seine Schuld erst bewiesen werden.“

„Und indessen haben Sie den Burschen mit Bluthunden gehetzt“, lachte Johns.

„Wenn er sich nicht schuldig fühlte, so hätte er auch nicht die Flucht ergriffen“, rief Taylgrove, dem die Ironie in den Worten nicht entging, heftig. „Sollten wir erst hier lange untersuchen und ihm Zeit lassen, seine Haut in Sicherheit zu bringen? Verdammt, nein. Übrigens glaube ich fast“, setzte er finster und drohend hinzu, „dass ihm eine Verteidigung verwünscht wenig Nutzen bringen würde. Wenn w i r, die wir unsere Pflanzungen hier haben, seine Schuld einsehen und ihn verurteilen, dann könnten sämtliche Advokaten östlich vom Mississippi zusammenkommen und würden seinen Hals doch nicht aus der Schlinge retten.“

„Sie sind jetzt aufgeregt, Mr. Taylgrove“, sagte Lesley ruhig, „und glauben deshalb selber, was Sie behaupten; aber ich denke, die eigene Klugheit müsste Sie schon davor bewahren, gerade in jetziger Zeit die überdies beunruhigten Schwarzen durch eine entschiedene Ungerechtigkeit vielleicht gar selber zu Gewalttätigkeiten zu reizen, die für uns alle verderblich werden könnten.“

„Dann dürfen S i e aber auch nicht davon reden, einen Nigger zu verteidigen“, rief Taylgrove, der sich augenscheinlich Gewalt antun musste, um sich nicht stärker und beleidigender auszudrücken, „denn dadurch würden die schwarzen Kanaillen nur noch in ihrem Übermute bestärkt. Es ist jetzt kaum noch, ausgenommen mit unerbittlicher Strenge, mit ihnen auszukommen; lasst sie aber erst einmal merken, das sie selbst Weiße auf ihrer Seite haben, und sie brechen in offene und blutige Revolution aus.“

„Lass ihn doch, Taylgrove“, flüsterte Urguard mit einem spöttischen Lächeln dem Freund zu, „es ist einmal sein Beruf, sich auf die Hinterbeine zu setzen und mit Gesetz und Recht zu drohen. Ihm macht es Spaß und uns schadet es nicht; sollte er sich aber ernstlich widersetzen, dann bringen wir ihn auch zahm, darauf gebe ich Dir mein Wort. – Und nun, Gentlemen“, setzte er laut hinzu, „dächte ich, verlören wir unsere kostbare Zeit nicht mit nutzlosen Redensarten. Wir haben einen Nigger eingefangen, der den Versuch gemacht hat, unsere Sklaven zu verführen. Ich habe nichts dagegen, dass wir ihn vorher einem Verhör unterwerfen, aber wir wollen auch keine lange Gerichtspflege dabei einschlagen. Wir befinden uns hier tatsächlich im Kriegszustand. Die frechen Yankees haben gewagt, unsere Neger, unser wohlerworbenes Eigentum für frei zu erklären und damit – weil sie uns nicht in offener Feldschlacht besiegen konnten, versucht, eine ganz barbarische Nation über uns und unsere Familien loszulassen. Jeder Bürger hat aber das Recht, sich selbst und seinen eigenen Herd zu schützen, und ich schlage deshalb vor, dass wir uns, ohne faule Bedenken, ob wir damit ein Gesetz verletzen, das in den uns feindlichen und von uns ausgestoßenen nördlichen Staaten gilt, gleich hier an Ort und Stelle als Gericht konstituieren. Ich glaube nicht, dass irgendeiner von Ihnen etwas dagegen wird einzuwenden haben.“

„Bitte um Verzeihung, Mr. Urguard“, rief Lesley, „ich selber müsste dagegen auf das Entschiedenste...“

„Bitte, Sir“, unterbrach ihn Urguard scharf, „Sie selber haben hier keine Besitzung und kommen deshalb gar nicht in Betracht. Wenn unsere Gesetze erst einmal geregelt sein werden, führen wir auch wohl wieder advokatische Spitzfindigkeiten ein und machen Prozesse von der Zungengeläufigkeit der verschiedenen Herren abhängig. Unter den gegenwärtigen Umständen ziehen wir es aber vor, unser eigenes Recht zu sprechen und – wer sich dem widersetzen will, tut es nur auf seine eigene Gefahr.“

Lesley biss sich auf die Lippen, aber er wusste auch gut genug, in welchen Kreisen er sich hier befand, und trat jetzt nur zu dem Richter hinüber, um diesem Vorstellungen zu machen, damit er um Gottes Willen nicht der Gewalt seinen Namen lieh. Rodgers aber zuckte wieder mit den Achseln und behauptete jetzt selber, dass sie sich gegenwärtig in einem Ausnahmezustand befänden, in welchen sie sich allerdings nicht an die in den nördlichen und jetzt feindlichen Staaten geltenden Gesetze binden könnten. Der Fall solle allerdings untersucht werden, aber auf die Form brauchten sie, wie er selber meinte, nicht so genau zu sehen, und er schlüge deshalb vor, den Gefangenen wie seinen Ankläger hierher zu bringen. Ein Schwarzer könne allerdings nicht – den Gesetzen des Südens nach – gegen einen Weißen Zeugnis ablegen, aber mit jeder Berechtigung gegen einen Genossen seines eigenen Stammes, gegen einen Mulatten, und je eher deshalb die Sache zu einem Ende geführt würde, desto besser.

Urguard hatte indessen aber auch nicht einmal den Ausspruch des Richters abgewartet, sondern durch Bolling, der auch nicht die geringsten Schwierigkeiten machte, einen Boten an den Vize- oder, wie er dort genannt wurde, Deputy-Sheriff abgesandt, den Gefangenen und seinen Ankläger herzuliefern. Die Sache konnte dann rasch und ohne Schwierigkeit erledigt werden.

Während der Bote seinen Auftrag ausführte, waren die Herren noch einmal an den Schenkstand getreten, um ein frisches Glas zu trinken. Mr. Urguard traktierte diesmal22, und über den Fall selber wurde jetzt nicht weiter gesprochen. Die Sache war vor der Hand erledigt, und erst, wenn die Sitzung begann, konnte man sich wieder damit beschäftigen.

Noch standen die Herren so plaudernd in dem großen Saal herum, und selbst Sherard hatte sich ihnen, ohne indessen direkt aufgefordert zu sein, wieder angeschlossen, als Mr. Taylgroves weißer Aufseher oder Verwalter, seine Reitpeitsche in der Hand, den Hut auf dem Kopf und augenscheinlich in außergewöhnlicher Aufregung, das Gemach betrat, den Blick darin einen Moment umherwarf und dann ohne weiteres auf seinem Employer, wie diese Leute ihren Dienstherren nennen, zueilte.

„Hallo, Mr. Hall!“, rief Taylgrove, der ihn schon gleich bei seinem Eintritt erkannt und mit Erstaunen das wunderliche und „unschickliche“ Benehmen des Mannes bemerkt hatte. „What is the matter? Was haben Sie? Sie sehen so verstört aus, dass Sie selbst Ihren Hut vergessen haben.“

„Bitte um Verzeihung, Mr. Taylgrove“, sagte Hall, eben nicht erfreut über diese Zurechtweisung, indem er aber doch seinen Hut abnahm und in der Hand hielt, „ich wollte Ihnen nur melden, dass die Yankees eingetroffen sind.“

„Die Yankees?“, fragte Taylgrove und sah seinen Aufseher verwundert an. „Von was faseln Sie jetzt? Was gibt es? Wer ist eingetroffen?“

„Die Yankees“, sagte der Aufseher trocken, „oder wenn Sie wollen, die nordischen Soldaten – General Shermans Vortrab.“

„Unsinn, Mann!“, rief Taylgrove unwillig aus. „Was schwatzen Sie da ins Blaue hinein? Haben Sie vielleicht einen flüchtigen Soldaten gesehen und schließen daraus, dass die ganze Armee anrückt?“

„Ich schließe gar nichts, Mr. Taylgrove“, erwiderte aber der Aufseher weit schärfer, als er sonst zu seinem „Herrn“ zu sprechen wagte, denn eine unbestimmte Ahnung mochte ihm wohl sagen, dass seine Stellung hier nun doch so gut als aufgehoben sei, „vor Ihrer Plantage halten aber einige sechzig Reiter der Unionsarmee, und ich habe mich nur ohne Zögern auf mein glücklicherweise schon gesatteltes Pferd geworfen, um Ihnen die Meldung zu machen.“

„Die Unionsarmee?“, rief Taylgrove und wurde dabei totenbleich – aber schon hatten sich die Übrigen um den Berichterstatter gesammelt und drängten mit ängstlichen Fragen in ihn, während nur Urguard lachend ausrief:

„Torheit, Mann! Es werden unsere Reiter sein, die das Land von dem Feind rein fegen, und Ihr, in lauter Angst und Schrecken, habt sie für Unionstruppen gehalten. – Hahahaha! Wo sollten die hier herkommen?“

„Jawohl, Mr. Urguard“, sagte Hall, ein baumlanger Kentuckier mit einem fast fußlangen Bart, indem er den Pflanzer trotzig ansah, „ich bin auch gerade so ängstlich, dass ich mich in blindem Schrecken davonjagen lasse. Was ich aber mit meinen eigenen Augen sehe und mit meinen eigenen Ohren höre, weiß ich. Es ist Shermans Vortrab – die Flagge kenne ich gut genug.“

„Und w o habt Ihr sie gesehen, Hall?“, rief Taylgrove, dessen Gesicht leichenfahl geworden war.

„Vor Ihrem Haus, Mr. Taylgrove, zügelten sie ihre Tiere ein“, erwiderte der Aufseher, „als ich davonsprengte, unterhielten sie sich gerade mit den Damen, und die ganze Negerbande drängte aus dem Feld herein.“

D a s Wort zündete, denn wie sich bisher der Stolz und Trotz dieser übermütigen Baumwoll-Barone dagegen gesträubt hatte, auch nur die Möglichkeit eines endlichen Sieges der Nordstaaten zuzugeben, so trafen sie jetzt die Wirklichkeit und die daraus unfehlbar entspringenden Folgen nur so viel empfindlicher, und mitten aus ihrem Sicherheitsgefühl heraus wurden sie in Furcht und Entsetzen hineingeschleudert.

Die Neger! Wenn die Unionstruppen wirklich diesen entfernten und vom Kriegsschauplatz abgelegenen Teil der Staaten erreicht hatten, dann war auch das ganze übrige Land schon von ihnen überschwemmt, und erhoben sich dann die plötzlich frei gewordenen Neger gegen ihre bisherigen Herren, so waren die entsetzlichen Folgen gar nicht abzusehen.

Der aber, der am meisten bei der Nachricht erschrak, obgleich er keinen direkten Verlust zu fürchten brauchte, war Jim Sherard, der Eigentümer der Bloodhounds, denn wie ihn die Neger liebten, wusste er. Aber beruhte das Ganze nicht doch noch vielleicht auf einem Irrtum? – Es blieb ihm freilich keine Zeit, sich darüber mit den Pflanzern und sonstigen Herren auszusprechen, denn in diesem Augenblick drängte es jeden, seine eigene Heimat aufzusuchen und zu sehen, wie es dort stand. Erst mussten sie Gewissheit haben und dann galt es, zu beraten, wie sie sich selber schützen und das drohende Unheil von sich abwenden konnten.

In Amerika

Подняться наверх