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DRITTES KAPITEL

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Die Überraschung.

Die Zeit des Mittagsessens war herangerückt, und Mrs. Taylgrove mit ihren Töchtern schon unten in den Speisesaal hinabgestiegen, um dort ihren Gatten zu erwarten; hielt er die Stunde doch sonst immer auf das Pünktlichste und nur der besondere Fall mit dem gefangenen Mulatten konnte ihn heute etwas über seine Zeit zurückgehalten haben.

Die Tafel stand gedeckt und hinter den Stühlen schon an jeder Seite eines der jungen Negerkinder in schneeweißen Kleidern und mit dem Pfauenwedel in der Hand, um den Damen, sobald sie sich setzten, Kühlung zuzufächeln. So munter die jungen Dinger aber sonst auch waren und so sorg- und gedankenlos sie in23 den Tag hineinlebten, heute standen sie scheu und furchtsam auf ihren Plätzen, denn sie hatten den unglücklichen „farbigen Mann“ vorhin einbringen sehen und wussten nur zu gut, was ihn erwartete.

Den kleinen Dingern gingen dabei die wunderlichsten Gedanken im Kopf herum – Sachen, die sie nicht begreifen und fassen konnten, und die sich ihnen doch heute gerade immer wieder und wieder aufdrängten. Allerdings gehörten sie mit ihrem Dienste in das Herrenhaus und kamen mit den eigentlichen Arbeitsnegern in keine Berührung, ja durften nicht einmal den Teil des Grundstücks, auf welchem deren Wohnungen standen, betreten; aber im Herrenhaus wusste die schwarze Dienerschaft genauso gut, was in der Welt vorging wie draußen im Baumwollfeld, und dass da oben im Norden Krieg geführt wurde, um die armen, schwarzen Sklaven hier im Süden frei zu machen, war oft und oft von ihnen, wenn auch nur ganz scheu und heimlich, besprochen worden. Und doch schien es den armen, schwarzen Kindern undenkbar, dass sich die Weißen da oben um sie kümmern und nur ihretwegen aufeinander schießen sollten. Waren sie doch selber vor kaum mehr als drei Jahren mit Vater und Mutter von einem der schlechten weißen Menschen aus dem Norden gekauft, und sie beide dann von den Eltern heimlich in der Nacht getrennt und weit, weit in das Land hineingeschafft worden, während Vater und Mutter jetzt in Jammer und Sorge gar nicht einmal wussten, was aus ihnen geworden, ebenso wenig, wie sie sagen konnten, welcher strenge und böse Herr vielleicht die Eltern hielt. Und das sollte jetzt anders werden? Oh, Du lieber Gott, waren das die Aussichten, die sie dafür hatten? Weshalb schleppten dann die weißen Männer da wieder einen armen, farbigen Mann, der keinem von ihnen etwas zuleide getan und den sie erst mit den schrecklichen Hunden gehetzt, jetzt gebunden in die Stadt; und wollten sie ihn da nicht aufhängen, wie die alte Köchin, die Susy, gesagt? Wenn sie frei werden und die Eltern wiedersehen sollten, durften dann die Weißen noch so grausam handeln? Es war alles nicht wahr, was man ihnen davon erzählt. Für sie gab es keine Rettung und sie blieben Sklaven, wie sie es stets gewesen.

Die armen Kinder waren Schwestern, vielleicht zehn und elf Jahre alt, mit ebenholzschwarzer Haut, aber zart und schlank gebautem Körper und gar so lieben Gesichtern. Aber recht traurig sahen beide aus, denn wenn sie auch kein Wort mitsammen austauschten, „Missus“, die Frau vom Hause, hätte sonst böse werden können, so hafteten ihre Gedanken doch auf dem nämlichen Gegenstand.

„Das ist sehr unangenehm und – auch rücksichtslos“, sagte Mrs. Taylgrove, die, in voller Toilette, den Gatten schon ungeduldig eine lange Weile zum Essen erwartet hatte. „Wenn Euer Papa nicht rechtzeitig kommen konnte, so war doch nichts leichter, als uns durch irgendjemand Nachricht zu geben, dass wir nicht auf ihn zu warten brauchten.“

„Ach Mama“, sagte Jenny, „wenn sie nur nicht die Gerichtssitzung gleich gehalten und den Nigger schon gehangen haben – es wäre zu schade.“

Liddy, das älteste der beiden kleinen Negermädchen, warf der Schwester einen scheuen Blick zu und schauderte zusammen; Polly, die Jüngste, aber sah still und zitternd vor sich nieder und eine Träne hing ihr an den langen Wimpern.

„Nein, das glaube ich nicht“, sagte die Mutter, mit dem Kopf schüttelnd, „da hätte Euer Papa doch jedenfalls erst zu uns herausgeschickt, und auch ein paar von unseren Leuten dazu beordert, damit sie sich ein Beispiel daran nehmen konnten. So heimlich und rasch darf etwas Derartiges nicht abgemacht werden, oder es verfehlt entschieden seine Wirkung.“

„Da kommen sie, Mama!“, rief Jenny, rasch von dem Schaukelstuhl, auf den sie sich in ihrer Ungeduld geworfen hatte, empor springend. „Ich höre Pferdegetrappel. Sie bringen ihn gewiss gleich mit.“

Die Mutter horchte auf und sah dabei auf die Straße hinaus.

„Oh nein, Kind“, sagte sie, „die Pferde kommen ja ganz von der entgegengesetzten Seite, die Lane herunter, dahinten kannst Du auch schon die Staubwolke sehen, das wirbelt ja nur so in die Höh. Wer kann denn das nur sein?“

Die harte Straße dröhnte von den donnernden Hufen und aus der Staubwolke heraus blitzte es hier und da und funkelte es, wenn ein Sonnenstrahl dazwischen durchdrang.

„Das sind Soldaten!“, rief Jenny, wie sie nur eine kurze Zeit da hinübergeschaut. „Ich kann ihre Säbel in der Sonne glänzen sehen, eine ganze Truppe, aber wo kommen die her?“

„Ja, wahrhaftig! Das müssen Soldaten sein“, rief auch jetzt die Mutter, „jedenfalls eine Abteilung unserer Kavallerie, die nach Savannah vorrückt, um eine mögliche Landung des Feindes zu verhindern.“

„Das ist ein gutes Zeichen, Mama“, lachte Lucie, „denn in dem Fall sind sie auch mit jenem Mr. Sherman und seiner Bande fertig geworden. Vielleicht bringen sie gar ein paar Dutzend gefangene Yankees mit, aber die Uniform kenn’ ich gar nicht.“

„Da weht auch eine kleine Fahne in der Mitte, Mama“, rief Jenny, „aber das – das ist doch nicht – allmächtiger Gott, das ist die Unionsflagge!“

„Die sie erbeutet haben“, sagte die Mutter, indem ein verächtliches Lächeln um ihre Lippen spielte. „Du bist doch nicht töricht genug zu glauben, Kind, dass von dort her und aus dem inneren Lande heraus der Feind gegen uns anrücken könnte?“

„Das ist Unionskavallerie, Mama!“, rief aber Lucie entsetzt. „Ich kenne sie aus den Abbildungen, die wir hierher bekommen. Um des Himmels Willen, der Feind! Jetzt sind wir alle verloren.“

Mrs. Taylgrove war leichenblass geworden, und für den Augenblick schien es in der Tat, als ob sie, starr vor Schrecken, das Furchtbare mehr über sich hereinbrechen sah als fühlte. Aber es sollte ihr keine lange Zeit, um sich zu sammeln, gegeben werden, denn wenige Sekunden später erschallte ein Kommandoruf, und mit demselben zugleich zügelten die ersten Reiter ein – unmittelbar vor der kleinen, niedrigen Gartenpforte und kaum zehn Schritte von der Veranda entfernt, auf welcher sich die Damen befanden. Ein Offizier – die Uniformauszeichnung ließ sich freilich kaum durch den Staub, der ihn bedeckte, erkennen – ritt dicht an die kleine Tür heran, und militärisch, aber sehr artig grüßend, sagte er:

„Ladies, ungemein erfreut, nach einem langen heißen Ritt endlich wieder einmal menschliche Wohnungen und so holde Gesichter zu finden, das ist ein gutes Zeichen; aber eine Bitte hätte ich: Ist es wohl möglich, hier ein Glas frische Milch oder kaltes Wasser zu bekommen? Die Zunge klebt uns allen am Gaumen an.“

Mrs. Taylgrove war in der Tat durch den ersten Schreck momentan gelähmt gewesen, aber das dauerte nicht lange. Ihrer ganzen Natur nach eine äußerst resolute Frau, die überdies von Jugend auf nur gewohnt gewesen war, zu befehlen und über zahlreiche Sklaven zu gebieten, sammelte sie sich bald wieder. Das Blut schoss ihr in einem plötzlichen Strom in die Schläfe zurück. Das war der Feind, der freche Feind, der mit ihr sprach, der ihnen ihre Sklaven nehmen und selber über ihr Land gebieten wollte. Ihre großen, schwarzen Augen blitzten ihn an, ein trotziges, verächtliches Lächeln zuckte um die immer noch schönen Lippen und mit schneidender Stimme erwiderte sie, indem sie sich zu ihrer vollen Höhe emporrichtete:

„Das Hotel ist vorne in der Stadt, Sir. Truppen mit d e r Flagge können nicht erwarten, dass sie von den Bewohnern des Südens verpflegt werden sollen.“

„Oh?“, lachte der Offizier leise vor sich hin. „Stehen wir auf einem s o l c h e n Fuß miteinander, Mylady? Ja, da wird’s wohl nicht bei einem Glas Milch bleiben. Sam“, wandte er sich dann an einen hinter ihm haltenden Neger, „wie weit ist es bis in die S t a d t, wie die Dame sagt, und zum Hotel?“

„Oh Massa“, rief der Neger, der barfuss, nur mit Hemd, Jacke und Hose bekleidet und selbst ohne Hut, sein Tier rasch an die Seite des Offiziers trieb, „kaum zehn Minuten scharf zu reiten, können die Häuser schon da drüben durch die Bäume sehen.“

„Gut, Sam. Mr. Sight, haben Sie die Güte, Ihren Zug in die Stadt zu führen und dort Quartier zu besorgen, nehmen Sie in Beschlag, was Sie finden, und schlagen Sie Ihr Hauptquartier gleich im Courthouse auf, es ist doch eines dort, Sam?“

„Mächtig groß, Sir“, sagte der Neger vergnügt.

„Also gut, ich komme dann in etwa einer Stunde nach und will hier der Dame nur erst Respekt vor unserer Flagge beibringen. Die Proklamationen haben Sie bei sich, wie?“

„Gewiss, Captain“.

„Well. Sie wissen, was Sie zu tun haben. Quartier für den General in dem besten Haus, was Sie finden – selbstverständlich.“

„Ay ay, Sir!“ rief der junge Offizier – laut gegebene Befehle folgten, und wenige Minuten später trabten etwa zwei Drittel dieser Vorhut scharf die Straße entlang und gegen Belleville zu, während die Zurückgebliebenen, auf Kommando ihres Hauptmanns, jetzt absaßen, die Gartentür, die ungehalten nicht aufbleiben wollte, ohne weiteres aus den Angeln hoben und dann ihre Pferde in langer Reihe um das Haus herum auf den Hof führten, der aber auch mehr einem Garten als einem solchen Raum glich.

Der Captain war so lange zurückgeblieben, bis er alle seine Leute dort drinnen wusste – und sechs oder acht Neger hatte er ebenfalls in seiner Begleitung – dann folgte er nach. Kaum betrat er aber den inneren Raum, als er sich Mrs. Taylgrove gegenüber sah, die aus ihrem Haus kam, um dem Feind keck die Stirn zu bieten.

„Sir“, redete sie ihn hier mit finster zusammengezogenen Brauen an, „wer gibt Ihnen das Recht, das Eigentum eines freien Bürgers ohne seine Erlaubnis, ja ohne seine Anwesenheit zu betreten? Sind Sie ein G e n t l e - m a n, dass Sie es wagen, hier von unbeschützten F r a u e n ein Haus zu nehmen und Ihre ganze Mannschaft hineinzulegen. Ich habe wahrlich bis jetzt noch keinen hohen Begriff von den Yankee-Truppen gehabt, aber es scheint mir fast, als ob sie sich selber übertreffen.“

Der junge Offizier hatte ihr lächelnd zugehört, ohne sie auch nur durch ein Wort oder eine Bewegung zu unterbrechen; jetzt, nachdem sie geendet, erwiderte er mit derselben spöttischen Höflichkeit:

„Madame, ich selber habe nie daran gedacht, dass uns der Süden guten Willen und Gastfreundschaft entgegenbringen sollte, denn wir sind eben damit beschäftigt, seinen Stolz und Übermut zu brechen, und das ist stets ein undankbares Geschäft. Ich habe aber wenigstens geglaubt, dass die Bewohner dieser Gegenden die gewöhnliche Klugheit beachten und sich in das Unvermeidliche fügen werden; aber auch das scheint nicht der Fall zu sein, und wir werden es deshalb übernehmen müssen, den südlichen Herrschaften nicht allein unsere Gesetze, sondern auch unsere Sitten aufzuzwingen.“

„Eher könnten Sie das Land zu einer Wüste machen“, rief die Frau erregt und leidenschaftlich aus.

„Vielleicht doch nicht“, lächelte der Offizier, „aber Sie wissen, Madame, dass nur Erfahrung – und oft eigene bittere Erfahrung den Menschen klug macht, und davon möchte ich Ihnen jetzt eine Probe geben. Sie wären mich vorhin mit etwas Milch, ja nur mit ein paar Eimern frischen Wassers losgeworden, sobald Sie es nur freundlich und sich den Umständen eben fügend, geboten hätten – jetzt ersuche ich Sie um zwei Dutzend Medoc24 und einen kleinen Imbiss für meine Leute – frisches Wasser versteht sich von selbst.“

„Nicht ein G l a s Wein, das ich Ihnen freiwillig gebe“, rief die Dame empört aus.

„Also wollen Sie noch m e h r Erfahrungen sammeln?“, lachte der Offizier. „Wenn die Flaschen nicht in zehn Minuten zutage kommen, schicke ich meine Leute auf die Suche aus; aber ich stehe Ihnen dann dafür, Madame, dass sie ganz ungeahnte Schätze zu Tage fördern, denn sie haben darin ein außerordentliches Geschick.“

Damit lenkte er sein Tier, ohne die Damen, die ihm Dolchblicke zuwarfen, weiter zu beachten, um das Gebäude herum und fand, dass sich seine Leute dort schon ganz häuslich eingerichtet hatten – aber nicht etwa aus eigenem Antriebe, sondern von den Plantage-Negern dabei auf das Eifrigste unterstützt.

Die Schwarzen, die er in seinem Zuge mitführte, hatten sich nämlich nicht allein unter die Dienstleute des Hauses gemischt, sondern einer von ihnen war auch schon draußen an der Fenz des Baumwollfeldes abgestiegen und zu den dort arbeitenden Leuten übergeklettert. Allerdings eilte dort der gelbbraune Negertreiber herbei und war eben im Beginn, ihn mit seiner wuchtigen Peitsche zu empfangen, als der fremde Schwarze ohne weiteres auf ihn einsprang und ihm mit ein paar wohlgezielten Boxerstößen bewies, dass seine Herrschaft hier aus sei und er auf seine eigene Sicherheit denken müsse.

Im ersten Moment standen die übrigen Neger allerdings starr vor Entsetzen, denn sie wussten, was ihre Strafe gewesen wäre, wenn sie sich den Befehlen des negro-drivers auch nur mit einem Wort, geschweige denn mit einem Schlag, widersetzt hätten, aber mit der T a t dämmerte ihnen auch zuerst das Bewusstsein ihrer oft besprochenen, aber noch immer nicht geglaubten Freiheit. Das waren die Soldaten des Nordens, die Hilfe ihrem Elend brachten. Der fremde Neger stand, sich seiner eigenen Kraft bewusst, ein f r e i e r, unabhängiger Mann vor ihnen; und wie er dann noch mit beredten Worten zu ihnen sprach, ihnen verkündete, dass sie keine Sklaven mehr wären, dass General Sherman mit seiner ganzen Armee heranrücke, und wer da von ihnen wolle, ihm folgen könne, ohne seinen „Master“ um Erlaubnis zu fragen, da sie keinen Master mehr hätten und nicht mehr verkauft und misshandelt werden dürften, da brach der Jubel unter der herandrängenden Schar aus. Da zertraten sie ihre Körbe und streuten die Baumwollflocken in den Wind, da schwangen sie sich jubelnd und jauchzend in dem Feld herum, in dessen Furchen früher ihr Schweiß geflossen, und zähneknirschend, mit zerschlagenem Gesicht kroch ihr sonst so gefürchteter Driver aus dem Weg, denn seine Rolle war hier ausgespielt.


Sklaven beim Sortieren der Baumwolle

Und welch ein wunderbares Bild gestaltete sich jetzt in dem eigentlichen Hofraum der Plantage, auf dem sonst die Plantagenneger nur Zutritt hatten, wenn sie dorthin zu einer Arbeit beordert wurden.

General Sherman, bei seinem kühnen und unübertroffenen Zuge durch Georgia, wobei er das ganze feindliche Land – abgeschnitten von jeder anderen Hilfe und Unterstützung – durchzog und dadurch zuerst den Beweis lieferte, dass der Süden in seiner Macht vollständig gebrochen sei, da er im Inneren nicht mehr im Stande war, auch nur den geringsten Widerstand zu leisten – erließ allerdings den Befehl, dass die durchziehenden Truppen die Häuser der Pflanzer, die man unterwegs traf, nicht betreten durften. Die Sache hatte auch ihren guten Grund, denn bei jedem Armeecorps, welcher Nation es auch angehöre, findet sich immer rohes und wildes Volk, für deren Betragen nachher der Feldherr einstehen soll. Aber wenn auch der Befehl gegeben war, so wurde doch nicht so streng auf die Ausführung und Befolg desselben gesehen, und weshalb auch? Der Süden hatte wahrlich nicht verdient, dass große Rücksichten auf seine Insassen genommen zu werden brauchten. Wie niederträchtig waren die nordischen Gefangenen behandelt worden, wie grausam waren diese südlichen Barone gegen die Unglücklichen verfahren, die in ihre Hände fielen. Wozu da jetzt noch diese peinlichen Rücksichten, die überdies schon den furchtbaren Krieg so lange Jahre hinausgezögert hatten. General Sherman war auch nicht der Mann, sie zu nehmen, und seine Untergebenen wussten das. Der Süden sollte f ü h l e n, dass seine Macht gebrochen sei und er sich dem Sieger unterwerfen müsse, und wenn er sich dem nicht gutwillig fügte, ei dann mochte er auch die Folgen dafür tragen.

Der General war äußerst streng in allem, was die Disziplin betraf, denn er wusste, dass er nur durch diese seine Leute zusammenhalten und zum Sieg führen könnte; bei allem anderen aber drückte er ein Auge zu, und die Offiziere behielten da ziemlich freie Hand.

Das Gebäude selber hatte nach dem Hof zu eine ganz ähnliche Front wie nach der Straße, nur ohne Veranda. Links daran hin lag die Küche, das Waschhaus und ein weit ausgedehnter Vorratsraum, rechts lagen die Ställe, und quervor befand sich ein langes, den ganzen inneren Raum abschließendes Gebäude, in welchem die das Haus bedienenden Sklaven, besonders die Mädchen, einquartiert wurden, und immer zwei und zwei ihre Zimmer hatten. Hinter der Küche und den daran stoßenden Gebäuden lag noch ein kleiner Gemüsegarten.

Auf diesem glatt und hart getretenen Raum, der auch keinen Grashalm mehr hervorbrachte, hatte sich die nordische Truppe für den Augenblick einquartiert. Mit Hilfe der willigen Neger war schon ein mächtiges Feuer gerade in ihrer Mitte entzündet, und auf Befehl des Offiziers durch die Hausdiener selber ein Tisch herausgetragen, wie ein weißes Leintuch darüber gedeckt worden, und jetzt brachten die bisherigen Sklaven auch noch Gläser und Teller herzu, um die – wenigstens ihnen – willkommenen Gäste zu bedienen.

Mrs. Taylgrove wollte allerdings in ihrer heftigen Weise dagegen Einspruch tun, aber Lucie, die sich in dem Entsetzen über das entschiedene und strenge Auftreten der Fremden auf einmal scheu und eingeschüchtert fühlte, bat die Mutter dringend, nur jetzt nicht auf ihrem starren Sinn zu beharren, wenigstens so lange nicht, bis der Vater zurückkehrte, und ordnete dann selber an, dass der befohlene Wein hinausgebracht wurde, um den „schrecklichen Menschen“ wenigstens keine Ursache zur Unzufriedenheit zu geben.

Der junge Offizier hatte ihr imponiert. Bis jetzt waren ihr alle jungen Leute, die nur den geringsten Anspruch auf Bildung machen konnten und eine Stellung im Leben hatten, mit der größten Bewunderung und Ehrerbietung genaht. Nur ein Wink ihrer Augen war für sie Befehl und Gesetz gewesen, und jeder kaum ausgesprochene Wunsch wurde, wie er nur die Lippen verlassen, erfüllt – und jetzt? – Der junge Offizier, der seinem ganzen Äußeren nach unzweifelhaft den besseren Ständen angehörte, beachtete weder sie noch Jenny. Die jungen, wunderhübschen Mädchen, die ihm anfangs allerdings auch nur verächtliche Blicke zugeworfen hatten, schienen für ihn gar nicht auf der Welt, während er dagegen auf das Entschiedenste der Dienerschaft seine Befehle mitteilte und von ihr auch auf das Eifrigste und Schnellste bedient wurde.

Im Nu war da draußen auf dem Hofraum unter ein paar mächtigen Orangenbäumen nicht allein ein Tisch gedeckt (Hauptmann Helldorn, wie der Offizier hieß, hatte es abgelehnt, das Haus zu betreten), sondern auch alles mögliche an Wein und Getränken aufgetragen, und die Herren begannen eben zuzulangen, als Mr. Taylgrove selber, der schon dem Hauptzug begegnet und dadurch aufgehalten war, in seinen Hof einritt, staunend aber sein Pferd einzügelte, als er die Szene betrachtete, die sich seinen Blicken bot.

Den Mittelpunkt bildete ein Teil der Unionssoldaten, die sich Bänke, Stühle und was sie bekommen konnten, zu dem Tisch gerückt hatten und sich zum Zulangen wahrlich nicht nötigen ließen. Einige von diesen kamen auch schon aus dem benachbarten Zuckerrohrfeld zurück, von wo sie tüchtige Schulterladungen des noch grünen Zuckerrohrs herbeischleppten und von den Plantagennegern so willig dabei unterstützt wurden, dass die Tiere bald in Futter schwelgten, während andere wieder die Zisterne abzapften, um ihnen auch Wasser zu geben.

Links, auf der inneren Veranda, stand die Lady mit ihren beiden Töchtern, keiner Bewegung mehr fähig, ja die feindlichen Soldaten kaum mehr beachtend, denn unweit von ihnen saß ein Unteroffizier auf einem umgedrehten hohen Zuckerfass, hielt ein gedrucktes Papier in der Hand und las den Inhalt den ihn umdrängenden Negern vor.

Und wie horchten ihm diese zu, wie blitzte bei ihnen das Weiße in den großen, rollenden Augen, wie zeigte jeder Zug ihrer dunklen Gesichter die Spannung, in der sie sich befanden, und wie sie jetzt nur noch mit Mühe den Jubel zurückhielten, der jeden Moment unaufhaltsam auszubrechen drohte.

Und dort stand es gedruckt – gedruckt von den weißen Männern selber, die ihre Armee hier zu ihnen gesandt hatte – dort stand es: Sie sollten von jetzt an f r e i sein, so frei, wie es die Weißen bis jetzt gewesen – sie sollten nicht mehr verkauft werden dürfen, und keine Arbeit zu tun brauchen, für die sie nicht, wie freie Arbeiter, bezahlt würden. Kein Weißer hätte dabei das Recht mehr, sie zu peitschen oder einzukerkern, sobald sie sich nicht gegen die Gesetze des Staates vergingen; und wer jetzt von ihnen, wie die Proklamation schloss, in das Heer der Union als Soldat eintreten wollte, um die letzten Reste der Rebellen und Sklavenhalter zu vernichten, der konnte nicht mehr von irgendeinem „Master“ daran gehindert werden. Und das Dokument war von dem Präsidenten Abraham Lincoln selber unterzeichnet worden, und wie der Unteroffizier geendet und es jetzt zusammenfaltete, da brach der Jubel los; da schrien und jauchzten die Männer vor Lust und Seligkeit, da standen den Frauen, die ihre Kinder fester an sich drückten, zum ersten Mal in ihrem Leben F r e u d e n t r ä n e n in den Augen, da kreischten und lachten die Kinder, und ein Hurra donnerte durch die Plantage, dass die Blätter an den Bäumen rings erzitterten.

Auf seinem braunen Hengst, die Unterlippe fest mit den Zähnen gepackt, die Augen in Hass und ohnmächtiger Wut auf seinen Negern haftend, hielt Taylgrove, der alte Pflanzer, und was er noch immer für unmöglich, nur für die Ausgeburt furchtsamer Phantasien gehalten, das geschah hier vor seinen eigenen Augen.

Ruiniert – verloren – zu Boden getreten der ganze Süden, und da vor ihm die Räuber, während ihnen hier unten die Kraft fehlte, sie zu vernichten und von der Erde wegzufegen. – Und wo war Lee mit seiner riesigen Armee – wo waren alle die tapferen Generale des Südens, dass eine Handvoll frecher Yankees wagen durfte, ihren Boden zu betreten, ihre Wohnungen zu brandschatzen und ihre heiligen Gesetze umzustoßen?

Sobald nun der erste Jubel unter den Negern vorüber war – und so lange der dauerte, hatten sie allerdings für weiter nichts Sinn – entdeckten einige der frühen Sklaven „Massa“, wie er noch immer von ihnen genannt wurde – und dicht hinter ihm jetzt Hall, den gefürchteten Aufseher. Die Kinder waren zuerst in ihrem wilden Umhertollen seinem Pferd fast zwischen die Hufen gelaufen, und scheu flüchteten sie zu den Müttern. Ein Flüstern zischelte im Nu durch den ganzen Hof – „Massa“, und unwillkürlich drängten die ihm zunächst Stehenden von ihm fort. Die alte Furcht und Scheu lag noch in ihnen und konnte natürlich so rasch nicht abgeschüttelt werden.

Die mit dem nördlichen Corps gekommenen Neger, die rasch erfuhren, wer der Weiße sei, kannten aber diese Scheu nicht mehr. Einer von ihnen nahm ein eben gefülltes Glas vom Tisch und schritt mit diesem auf den Weißen, der noch immer regungslos und einer Statue gleich dort hielt, zu:

„Hallo, Massa – trinken Sie einmal ein Glas Wein mit uns?“, rief er ihm lachend entgegen. Da aber hielt sich der alte Herr auch nicht länger; mit Blitzesschnelle hob sich der mit der schweren Peitsche bewehrte Arm – aber der Neger war auf seiner Hut. – Im Zurückspringen warf er das Glas von sich, riss aber auch zugleich einen Revolver aus der Jacke und ihn trotzig vorhaltend schrie er:

„Haut zu! Aber das wäre der letzte Schlag, den Ihr führtet.“

Die Frauen auf der Veranda kreischten laut auf vor Entsetzen, denn wer hinderte jetzt die Neger, über sie alle herzufallen und in ihrem Blut die lange Knechtschaft abzuwaschen – aber Hauptmann Helldorn, dem die kleine Zwischenszene nicht entgangen war, mochte selber wohl etwas Ähnliches fürchten, denn rasch sprang er in die Höhe und den Neger zurückstoßend, sagte er finster:

„Halt da, mein Bursch! Wer ohne meinen Befehl hier eine Waffe gebraucht, wird nach den Kriegsgesetzen ohne Weiteres totgeschossen – fort mit Dir, sag’ ich – Du hast gestern gesehen, dass wir Disziplin zu wahren wissen. – Sie aber, Mister – mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Mein Name ist Taylgrove“, sagte der alte Herr düster, „und bis vor einer Stunde war ich Besitzer dieser Plantage.“

„Sind es also noch, Mr. Taylgrove“, erwiderte Helldorn, „soweit es nämlich die Plantage selber betrifft; nicht mehr freilich über die Neger, deren Eigentumsrecht der Süden durch diese blutige Rebellion verscherzt hat.“

„Und wer gibt dem Norden das Recht, uns unser Eigentum zu nehmen?“, fuhr Taylgrove wild empor.

„Mein werter Herr“, sagte der junge Hauptmann abwehrend, „Sie können nicht von mir verlangen, dass ich mich hier mit Ihnen in politische Streitfragen einlassen soll; das ist Sache der Regierung zu Washington, und an die, bitte ich, sich zu wenden. Wollen Sie aber einen R a t von mir annehmen, so seien Sie von diesem Augenblick an außerordentlich vorsichtig in der Behandlung der Neger, denn ob diese ihre Freiheit mäßig gebrauchen werden, oder vielleicht gar missbrauchen werden, hängt nur von der Klugheit ihrer früheren Besitzer ab.“

„Sie sind sehr gütig mit Ihrem Rat“, sagte Taylgrove scharf.

„Und Sie finden hier gleich die Illustration dazu“, lachte der Captain; „Hätten die Damen sich freundlich herbeigelassen, mir nur auf meine Bitte ein Glas Wasser zu reichen, so wären wir gar nicht zu Ihnen hereingekommen, aber der Ü b e r m u t des Südens muss erst gedemütigt sein, und nachher, hoffe ich, können wir wieder recht gute Freunde werden.“

„Sie scheinen mir in Ihren Hoffnungen etwas überspannt, Herr Hauptmann“, sagte Taylgrove bitter. „Der Süden kann für den Augenblick zurückgeschlagen, aber nie besiegt werden, und der Norden wird schließlich eine hübsche Kostenberechnung zu zahlen haben.“

„Warten wir es ab“, lachte der Captain, „aber glauben Sie wirklich, dass Sie d i e Burschen je wieder in Ihren Dienst und in Sklavenketten zwingen können? Wahrlich nicht, und selbst der Versuch möchte schlimm ablaufen, wenn es auch sonst ein harmloses Volk ist. Sehen Sie selber, wie sie sich jetzt nur ihrer F r e u d e hingeben.“

Der Zwischenfall mit dem fremden Neger, der fast blutige Folgen gehabt, war in der Tat fast unbeachtet verlaufen. Der leichte, harmlose Sinn der Neger, der aber auch aus ihrer ganzen Erziehungsweise entsprang und nie eine Sorge für die Zukunft in ihnen aufkommen ließ, da für diese ja ihr H e r r einstehen musste – setzte sie bald über alles andere hinweg und ließ sie nur den Augenblick erfassen, der ihnen alles gebracht, was sie nur je erwünscht und erhofft: F r e i h e i t.

Der Neger ist ein geborener Musiker, liebt wenigstens leidenschaftlich j e d e s Instrument von der Maultrommel bis zur Violine, von der großen Trommel bis zur Holzharmonika, und sucht sich stets, sobald es ihm nur seine Mittel erlauben, eines oder das andere derselben zu verschaffen und einzuüben. Auf Mr. Taylgroves Plantage befanden sich deshalb auch zwei wirkliche Violinen – oder fiddles, wie sie die Schwarzen nannten, ein paar Dutzend Maultrommeln, eine Trompete, eine Trommel und eine „Zieh-Harmonika“; und wenn auch bis dahin noch niemand daran gedacht hatte, sie alle z u s a m m e n einzuüben und stimmen zu machen, so wollte doch jetzt auch keiner mit seiner Kunst nachstehen oder in den Hintergrund gedrängt werden.

Dass der Charakter dieser Menschenklasse kein blutdürstiger oder rachgieriger ist, zeigt sich am Deutlichsten gerade durch die Musik. Sie griffen nicht in ihrem ersten Siegestaumel nach Messer oder Gewehren, um sich an ihren oft so harten und grausamen Herren zu rächen, sondern nach Harmonika und Violine, mit denen sie freilich kaum minder grausam zu Werke gingen. Jeder Neger hat indessen ein ganz richtiges Gefühl für Takt, und wenn die Melodie selber auch eine heillose genannt werden konnte, so hielten die Spieler doch wenigstens das richtige Tempo, und einige Paare der jüngeren Leute traten bald zu einem der gewöhnlichen Negertänze an.

Auch die älteren Frauen waren herbeigekrochen, um das W u n d e r zu sehen. Ihr Volk f r e i ? Sie hatten die „Botschaft“ wohl gehört, aber es fehlte ihnen noch der Glaube, denn es war nicht möglich – nicht denkbar. Ja, jetzt vielleicht, so lange die Soldaten der „Nordischen“ hier im Hofe lagen, ließ man ihnen die Freiheit, aber waren die wieder fort, würden dann nicht Massa und Massa Hall die armen Schwarzen wieder mit der furchtbaren Peitsche zusammentreiben? Und was für strenge Strafen folgten später noch. – Für diese war das auch kein Fest, denn die Furcht lauerte hinter dem freundlichen Bild, und die Erinnerung an blutig gepeitschte Rücken tauchte vor ihrer inneren Seele auf.

Desto ungestörter überließ sich aber das junge Volk dem ersten Freudentaumel, und wieviel des Neuen gab es auch heute zu betrachten, von dem sie sich früher nie auch nur träumen ließen. Die fremden weißen Soldaten mit ihren Waffen, die freundlich mit ihnen waren und mit ihnen Wein tranken, ohne dass der sonst so finstere Massa Hall nur ein Wort hineingeredet hätte – und außerdem ein Wochentag, an dem nicht gearbeitet wurde – und sämtliche Plantagenneger hier mitten im Hofe, den sie sonst ja nie betreten durften.

Der junge Hauptmann hatte sich wieder zu einem der Unteroffiziere gewandt und diesem die nötigen Befehle gegeben, da sie hier auch nicht zu lange verweilen durften, als er sich plötzlich an dem einen Arme leise und schüchtern berührt fühlte. Wie er den Kopf dahin wandte, erkannte er ein kleines, bildhübsches Negermädchen in einem schneeweißen Kleid, das scheu zu ihm aufsah und doch auch wieder dabei den Blick in Angst zur Seite warf, ob „Missus“, ihre Herrin, sie wohl beobachte, und ob sie nachher böse darüber sein würde. Aber es war ja doch nichts Unrechtes, das sie hier wollte.

„Nun, Kleine? – Was gibt’s?“, sagte der Offizier freundlich. „Was hast Du, Kind?“

„Ach, Sir“, flüsterte Liddy, indem sie verschämt und furchtsam an ihrem Rockband zupfte, „ist es denn wahr, was Bob da drin erzählt?“

„Und was erzählt Bob?“

„Dass wir alle frei wären und hingehen könnten, wohin wir wollen?“

„Das ist allerdings wahr – aber willst D u nicht bei Deinen Eltern bleiben?“

„Ach wie gerne, Sir“, klagte Liddy, „wenn ich nur wüsste, wo sie wären.“

„Sind sie nicht hier?“

„Ach nein, Massa – weit, weit oben im Land, irgendwo an einem großen Fluss habe ich sie zum letzten Mal gesehen, und dann wurden wir – die Schwester und ich – hierher gebracht und verkauft.“

Der junge Hauptmann biss die Lippen zusammen. „Und wo war das?“, frug er endlich.

„Auf einem Dampfboot…“

„Nein, in welchem Staat…“

„Ja, das weiß ich nicht, Massa, ich kannte das Land nicht; ach, wenn Sie uns nur dort hinaufschicken könnten. Mutter jammert gewiss nach uns.“

„Armes Kind“, sagte der Soldat weich, „und solche Schurkerei aufrecht zu erhalten, dafür schlägt sich noch ein ganzes Volk. Die Pest über die Schufte.“

„Und wollen Sie uns dahin bringen, Massa?“, drängte die Kleine.

„Ja, mein liebes Herz“, sagte Helldorn, „wie k a n n ich, wenn ich selbst wollte. Ich darf hier die Truppe nicht verlassen. Wo wohnen denn Deine Eltern jetzt? Bei welchem Herrn sind sie? Gib mir den Namen und ich will mich danach erkundigen lassen.“

„Den Namen?“, sagte die Kleine ängstlich. „Ja – ich heiße Liddy, meine Schwester Polly – mein Vater hieß Sip und meine Mutter Sarah – weiter habe ich nie einen Namen gehört, und der Herr, bei dem wir waren, hieß Mr. Boyd in Kentucky; wie sie uns aber erzählten, hatte er eines Nachts sein Geld verspielt und musste einen Teil von uns verkaufen, und da nahm uns denn der böse Mann mit fort und brachte uns auf ein Boot, das den Fluss hinunterging. Was aus Mutter und Vater geworden ist, und wo sie jetzt sind, weiß keine von uns Kindern.“

„Ihr seid zwei?“

„Ja, da drüben die Schwester und ich – oh, wenn wir nur erfahren könnten, wo unsere Mutter jetzt lebt. Was hilft uns die Freiheit, wenn wir die Eltern nie wiedersehen sollten?“

Hauptmann Helldorn nickte schweigend mit dem Kopf; aber wenn ihm auch das Leid des Kindes zu Herzen ging, was k o n n t e er dabei tun und wie ihm helfen? Es war eben nicht möglich, denn Familiennamen hatte man, wahrscheinlich absichtlich, bei den Negern nie geduldet, um es nicht so auffällig zu machen, wenn gerade solche Familien auseinandergerissen wurden. Der Mann hieß Scipio, Nero, Bob oder sonst wie, die Frau bekam ebenfalls ihren Namen: Nelly, Sarah, nach der Laune der Frau, und behielt den auch nach ihrer Verheiratung mit einem der anderen Neger von der Plantage bei; denn Heiraten unter Sklaven von verschiedenen Plantagen wurden nie geduldet, weil die Ehegatten mit Hin- und Hergehen zu viel Zeit versäumt haben würden. Waren aber die Eltern der Kinder, wie es hier der Fall zu sein schien, von dem Dampfboot ab an irgendeinem anderen Landungsplatz verkauft worden – wer hätte den dann wiederfinden wollen und wer konnte sagen, ob die Betreffenden nicht schon Hunderte von Meilen in das Land hineingeschleppt waren?

Der Offizier konnte dem Kinde auch keine Hoffnung geben; seine Leute erforderten ebenfalls wieder seine Aufmerksamkeit, und Liddy zog sich scheu, aber jetzt mit recht traurigem Herzen zu der Schwester zurück. Die anderen freigewordenen Neger jubelten und jauchzten – was half ihr und der Schwester die Freiheit. S i e standen allein und verlassen in der Welt, und eine Sorge, die sie früher nie gekannt hatten – die Sorge um die Zukunft, das Gefühl gänzlicher Verlassenheit, zitterte durch ihre jungen Herzen.

Die Reiter brachen auf, um sich wieder dem Haupttrupp anzuschließen; aber jetzt kam auch Leben in die Neger, denn wie nur ein Verdacht in ihnen aufstieg, dass ihr alter Massa, nach Abzug der Truppen, doch am Ende wieder Gewalt gebrauchen könne, um sich ihre Arbeit zu sichern und sein bisheriges Eigentum nicht zu verlieren, da gingen sie gemeinschaftlich daran, ihre Sachen zu packen und sich den nördlichen Truppen anzuschließen. Ihr Gepäck war ja auch wahrlich nicht groß und bald zusammengeschnürt, denn eigentliches Eigentum besaßen sie nicht einmal, wo selbst die Jacke, die sie auf dem Leib trugen, dem Rechte der südlichen Staaten nach von dem Herrn beansprucht werden konnte und, ebenso wie ihr Körper, sein gesetzliches Eigentum war. Wie aber ihr Körper frei wurde, beanspruchten sie auch das, was er zu seiner Bekleidung brauchte – wohin aber selten oder nie Schuhzeug gehörte – und Mr. Taylgrove sah plötzlich, wie alle seine besten und kräftigsten Arbeiter, wenigstens das ganze junge Volk, aufbrach und die Plantage verließ. Aber er war wie gebrochen, und als Hall, sein Aufseher, seinen Unmut nicht unterdrücken konnte und ihn frug, ob er das dulden wolle, winkte er ihm nur mit der Hand, stieg langsam von seinem Pferde, führte es selber – was er noch nie getan – in seinen Stall, ging dann in das Haus und in sein Zimmer und schloss sich dort ein.

In Amerika

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