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1. Einleitung

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Das römische Drama ist eine der ersten literarischen Gattungen, die sich in Rom etablierten, als sich in republikanischer Zeit eine römische Literatur zu entwickeln begann. Dieses Genre erhielt wesentliche Impulse durch die Kontakte Roms mit anderen Kulturen während seines Aufstiegs zur bedeutendsten Macht im Mittelmeerraum. Daher ist die Geschichte des frühen römischen Dramas nicht nur von literarischem Interesse, sondern auch von politischer, sozialer und kultureller Relevanz: So bedingte etwa die Einführung dramatischer Aufführungen Änderungen im Format der öffentlichen Spiele. Im Laufe der Zeit kam es zu einer Aufgliederung der Gattung des römischen Dramas in eine Reihe von untereinander verschiedenen dramatischen Formen, wobei die römischen Dichter auch ihrem persönlichen Stil oder den Erfordernissen historischer Umstände entsprechend Stücke in unterschiedlicher Weise präsentierten. Von der späten Republik an ist zu beobachten, dass antike Wissenschaftler chronologische und terminologische Fragen in Bezug auf Dramen als Themen von eigenständigem Interesse diskutierten. Im Übergang von der Republik zur Kaiserzeit veränderten sich die Bedingungen für Aufführungen im Theater, und die Dramatiker passten sich dem Publikumsgeschmack und der gewandelten politischen Situation an. Deswegen besteht die literarische Gattung des Dramas in der Kaiserzeit zunächst fort, hat aber nicht mehr dieselbe Relevanz für das öffentliche Leben. Die Betrachtung der damals entstandenen Dramen ermöglicht zugleich einen Einblick in die literarischen und historischen Bedingungen der frühen Kaiserzeit. Für die spätere Kaiserzeit kann man von einem römischen Drama im eigentlichen Sinne nicht mehr sprechen, weswegen der vorliegende Überblick über das römische Drama die Republik und die frühe Kaiserzeit behandelt.

Trotz der Bedeutung dieses literarischen Genres haben die Gattung bzw. die verschiedenen einzelnen Formen des römischen Dramas bei Lesern und Forschern nicht immer dasselbe Interesse gefunden wie andere Gattungen der römischen Literatur. Das hängt nicht zuletzt mit der Überlieferungssituation zusammen. Denn ein großer Teil der römischen dramatischen Literatur ist nicht erhalten. Namen von Dramen-Dichtern, Titel von Dramen, Testimonia (Zeugnisse zu den Dichtern und ihren Stücken) und Fragmente einer begrenzten Zahl von Dramen ist alles, was für einige Zeitabschnitte und/oder einzelne dramatische Gattungen vorhanden ist. Die einzigen vollständig erhaltenen Dramen der klassischen römischen Periode sind die Komödien von Plautus und Terenz aus der republikanischen Zeit und die Tragödien des jüngeren Seneca (darunter wahrscheinlich eine unechte) und die anonyme Praetexta Octavia (überliefert im Corpus der Dramen Senecas) aus der frühen Kaiserzeit.

In diesem Buch wird der Versuch gemacht, als Ergänzung zu ausführlicheren und/oder auf einzelne dramatische Gattungen oder Epochen beschränkten Überblicken, eine Einführung zum römischen Drama in seiner Gesamtheit zu geben, wobei sowohl die Republik als auch die frühe Kaiserzeit und sowohl die vollständig erhaltenen als auch die fragmentarischen Stücke berücksichtigt werden (mit einem Schwerpunkt auf der Situation in Rom). Dabei sind aufgrund der sachlichen Gegebenheiten (z.B. Überlieferungssituation, Aufführungsmodalitäten) manche Aspekte mehr für die Republik und andere mehr für die frühe Kaiserzeit relevant sowie manche mehr für vollständig erhaltene und manche mehr für fragmentarisch erhaltene Stücke von Bedeutung, sodass der Fokus nicht in allen Abschnitten derselbe sein kann. Um die Entwicklung der Gattung des römischen Dramas als Ganzes bzw. die der einzelnen dramatischen Gattungen in ihrer jeweiligen Eigenart herausarbeiten zu können, werden die Dramatiker und ihre Stücke in den historischen, kulturellen und praktischen Kontext eingeordnet und Dramenaufführungen als Teil der römischen Festkultur interpretiert, was im eigentlichen Sinn nur für die republikanische Zeit gelten kann. Dabei ist es unvermeidlich, dass einige zentrale Fakten in mehreren Kapiteln erwähnt werden.

Um die Entwicklung und Eigenarten des römischen Dramas möglichst ganzheitlich zu erfassen, wird auch den fragmentarisch erhaltenen dramatischen Gattungen gebührende Aufmerksamkeit gewidmet, werden sie mit denen, für die Dramen vollständig erhalten sind, in Beziehung gesetzt und beide in demselben Kontext betrachtet. Es darf daher nicht erstaunen, wenn die dramatischen Gattungen und Dichter in den entsprechenden Kapiteln in chronologischer Folge abgehandelt und den besser bekannten nicht notwendigerweise mehr Platz zugestanden wird, zumal etwa für Plautus, Terenz und Seneca zahlreiche spezielle Abhandlungen zur Verfügung stehen.

Da das Buch als Einführung gedacht ist, sind detailliertere Diskussionen sprachlicher Entwicklungen oder metrischer Details eher knapp gehalten, und es gibt keine Fußnoten oder eine explizite Auseinandersetzung mit Sekundärliteratur. Die kommentierte Bibliographie am Ende des Buchs (mit einem Schwerpunkt auf einführenden und überblickshaften Beiträgen auf Deutsch oder Englisch) enthält Hinweise auf einschlägige Literatur und vermittelt Anregungen für weitere Lektüre.

Um einen direkten Eindruck von den Werken der römischen Dramatiker und der antiken Diskussion über Fragen des Theaters zu ermöglichen, sind in größerem Umfang durchgängig ausgewählte wörtliche Zitate aufgenommen, die Charakteristika der einzelnen Dramatiker oder des Theaterwesens erkennen lassen (im Stellenverzeichnis am Ende aufgelistet). Für diese Zitate ist neben den Originaltext eine deutsche Übersetzung gestellt, die hauptsächlich als Verständnishilfe gedacht ist und daher versucht, relativ nahe am Originaltext zu bleiben; knappe Erläuterungen und/oder verständnisfördernde Zusätze sind in eckigen Klammern eingefügt. Die Zitate (mit T und fortlaufender Nummerierung gekennzeichnet) sind in grau unterlegten Kästen vom Haupttext abgesetzt, der auch als solcher ohne intensiveres Studium der Textbeispiele gelesen werden kann. Zur besseren Übersichtlichkeit des Haupttexts sind die Themen der einzelnen Abschnitte im Fettdruck hervorgehoben.

Angesichts der Tatsache, dass Nachrichten über das Theaterwesen der Römer verstreut und die fragmentierten Dramentexte nur in begrenzter Zahl und aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen erhalten, manchmal nicht eindeutig zu verstehen und möglicherweise unzuverlässig sind, ist eine Überblicksdarstellung des römischen Dramas in besonderer Weise mit dem Problem der Quellen konfrontiert. Sofern man diese jedoch mit der gebotenen Vorsicht überprüft, interpretiert und für das Gesamtergebnis auswertet, kann es vielleicht gelingen, immer mehr über die Geschichte der römischen Dramas zu ermitteln, auch wenn man akzeptieren muss, dass es Bereiche gibt, in denen sich wegen des zur Verfügung stehenden Materials keine sicheren Antworten finden lassen.

Was die Terminologie angeht, so werden die frühen Dichter und die frühe Periode des römischen Dramas als ‚republikanisch‘ und nicht als ‚archaisch‘ bezeichnet: ‚Republikanisch‘ kann eher als eine neutrale chronologische Bezeichnung verstanden werden, während ‚archaisch‘ eine Bewertung aus späterer Sicht impliziert. Entsprechend werden Autoren, die sich nach der republikanischen Zeit über diese äußern, als ‚später‘ bezeichnet (sofern keine genauere Datierung notwendig ist). Außerdem werden die Begriffe ‚Nation‘ und ‚national‘ wegen ihrer anachronistischen Implikationen so weit wie möglich vermieden; wenn sie in Ermangelung einer besseren Bezeichnung verwendet werden, soll das nicht eine ‚nationalistische‘ Perspektive implizieren und eine Vereinfachung der komplexen Situation in Rom bedeuten, sondern auf eine sich entwickelnde Literatur verweisen, die in der eigenen Sprache der Römer geschrieben ist und sich mit Themen befasst, die für Rom wichtig sind.

Zur Unterscheidung der zwei Haupttypen dramatischer Dichtung sind die Bezeichnungen ‚ernstes Drama‘ und ‚leichtes Drama‘ verwendet, die jeweils verschiedene Formen von erhabenen, möglicherweise tragischen bzw. unterhaltsamen, mehr bodenständigen Stücken umfassen. Diese Beschreibungen anstelle von ‚tragischem Drama/Tragödie‘ und ‚komischem Drama/Komödie‘ sind gewählt als möglichst umfassende Bezeichnungen, die Assoziationen mit bestimmten dramatischen Gattungen oder speziellen Charakteristika minimieren.

Die vorliegende Einführung beruht in vielen Fragen, etwa der Textgestaltung oder der organisatorischen Aspekte des Theaterwesens, auf Ergebnissen früherer wissenschaftlicher Forschung (▶ Auswahl in Bibliographie), auch wenn das nicht im Einzelfall dokumentiert ist. Für die Textzitate in diesem Buch seien nur einige Angaben zu den Quellen gemacht.

Die Texte der fragmentarisch überlieferten Dramatiker sind zusammengestellt in den Ausgaben von O. Ribbeck aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Seine Sammlungen der tragischen und der komischen Fragmente (2. Aufl., 1871/1873; 3. Aufl., 1897/1898) sind weiterhin die einzigen kritischen Editionen, die alle Dichter und dramatischen Gattungen beinhalten. Ribbeck gibt außerdem wichtige Hinweise auf sein Verständnis der Stücke in den Einführungen zur zweiten Auflage seiner Ausgaben und in seinem Buch Die römische Tragödie im Zeitalter der Republik (1875). Die Fragmente der bedeutenderen republikanischen Dramatiker sind vielleicht leichter zugänglich in E.H. Warmingtons zweisprachiger Ausgabe als Teil der Remains of Old Latin der Loeb Classical Library (1930er Jahre), da dieses vierbändige Werk (jetzt auch digital zugänglich) englische Übersetzungen, kurze Einführungen zu den einzelnen Autoren und Dramen sowie Hinweise auf den Kontext jedes Fragments (in der Sicht des Herausgebers) enthält. Die Reihe der Remains of Old Latin wird gegenwärtig überarbeitet unter dem neuen Titel Fragmentary Republican Latin. Die kritische Ausgabe von O. Ribbeck wird für die Tragödien nach und nach ersetzt durch die vierbändige Edition Tragicorum Romanorum Fragmenta (TrRF), wovon die ersten beiden Bände (Livius Andronicus, Naevius, Tragici minores, Fragmenta adespota; Ennius) bereits erschienen sind (2012).

Bei den Textzitaten von Fragmenten in diesem Buch ist die benutzte Ausgabe durch die Initiale der Herausgeber nach der jeweils übernommenen Zählung identifiziert (Angaben in der Bibliographie). Zitate aus den vollständig erhaltenen Dramen von Plautus, Terenz und Seneca, für die jeweils eine Reihe von Editionen, Kommentaren und Übersetzungen in moderne Sprachen vorliegt, folgen den gängigen Ausgaben.

Die Abkürzungen für die Namen antiker Autoren und die Titel ihrer Werke orientieren sich an den Konventionen in Der Neue Pauly. Die für die Namen der Dramatiker und die Titel der vollständig erhaltenen Dramen verwendeten Abkürzungen sind in Appendix 1 aufgeführt.

Römisches Theater

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