Читать книгу Geliebt, gehasst, gefürchtet … - Glenn P. Webster - Страница 12
7. Kapitel
ОглавлениеSchwarz und klobig ragten die bewaldeten Hänge der Elk Mountains vor ihnen auf. Die Felsgipfel glänzten fahl im Mondlicht.
Mary-Lou und Shorty ritten Bügel an Bügel, jeder führte ein weiteres Pferd an der Leine neben sich. Auf dem einen lag der tote Rancher in eine Wagenplane gehüllt, auf dem anderen kauerte Amarillo. Als sie bis auf eine halbe Meile an die Berge herangekommen waren, drang von rechts das scharfe Grollen vieler beschlagener Hufe zu ihnen herüber. Aus einer finsteren Geländefalte brach ein Reiterpulk in die bleiche Helligkeit der Mondnacht. Anfeuerndes Geschrei schallte. Mit ihren Hüten schlugen die vordersten Reiter auf ihre Gäule ein, um sie zu noch härterem Tempo anzutreiben.
»Kellocks Banditen!«, krächzte Shorty Ridler und drückte seine schwere Flinte fester an sich. »Sie wollen auch noch Amarillo, dieses Mörderpack. Sie haben nur darauf gewartet, dass wir ihn von der Ranch schleppen!«
»Die Sporen, nimm die Sporen, Shorty!«, schrie ihm Mary-Lou zu und duckte sich tiefer auf den Pferdehals. »Sie wollen uns den Weg abschneiden!«
Das Reiterrudel fegte über das Grasland, genau auf die Linie zu, die Mary-Lou und der Oldtimer überschreiten mussten, um in die Berge zu gelangen. Das Dröhnen der vielen Hufe weckte donnernde Echos an den steilen Hängen. Das Mädchen und der alte Cowboy ritten wie von Furien gehetzt. Mündungslichter lohten aus dem Reiterpulk.
»Schneller, Shorty! Schneller!«, schrie Mary-Lou, und ihre Augen brannten sich förmlich an den dunklen Hängen fest, wo sich Wald und Felsen vermischten und ausreichende Deckung versprachen.
Die Hufe der Gäule schienen kaum noch den Boden zu berühren. Vereinzelte Buschgruppen flogen wie Spukgestalten vorbei. Shorty ächzte: »Oh, Höllenfeuer, sie sind vor uns da! Sie haben die kürzere Strecke!«
»Nicht aufgeben! Weiter, weiter! Shorty, denk an Dad!«
Wie festgeschmolzen kauerte das Mädchen im Sattel. Ihr langes Haar flatterte. Shorty keuchte eine Verwünschung um die andere. Die Kellock-Leute trieben ihre Tiere mit gnadenloser Wildheit an. Immer häufiger bellten die Revolver. Erdklumpen und Grasbüschel wirbelten nahe bei den Fliehenden in die Höhe. Es sah aus, als jagten die beiden verschiedenen Gruppen in so genau abgestimmten Tempo rechtwinkelig aufeinander zu, dass die nächsten Minuten einen mörderischen Zusammenprall bringen mussten.
Amarillo hatte mühsam den Kopf gehoben. Im Mondlicht wirkte sein hageres Gesicht noch eingefallener. »Brecht zur Seite! Lasst mich zurück! Ich werde sie aufhalten!«
»Keinen Unsinn! Sie kommen mit uns!«
»Es ist eure einzige Chance!«
»Nein!«, stieß Mary-Lou schneidend hervor. »Kellock wird keinen einzigen Gegner mehr in seine Klauen bekommen. Eher kämpfen wir hier alle bis zum letzten Atemzug!«
Amarillo starrte das Mädchen groß an. Die Feinde waren nun schon so nahe, dass ihre Revolverkugeln links und rechts an den Flüchtenden vorbeijaulten. »Shorty!«, schrie das Mädchen. »Deine Flinte!«
Der Oldtimer lenkte sein rasend dahinfegendes Pferd nach Indianerart mit den Schenkeln. Er schwang die klobige Flinte, die im Gegensatz zu seiner Figur wie ein Riesenspielzeug wirkte, an die Schulter. Eine Revolverkugel hieb ihm den verbeulten Stetson ins Genick, wo er an der Windschnur hängen blieb. Dann brach schon der Feuerstoß mit donnerndem Knall aus der Parker-Gun.
»Ein schöner Gruß von meiner Freundin Jenny!«, schrie Shorty mit überkippender Stimme den Kellock-Reitern zu und schwenkte kriegerisch die Flinte über dem Kopf. Sein kleines rundes Gesicht war in unzählige Runzeln zersprungen.
Das vorderste Kellock-Pferd brach im vollsten Galopp nach vorn ein. Der Reiter flog im hohen Bogen aus dem Sattel. Die nachdrängenden Gäule rannten gegen das stürzende Tier. Ein wildes Durcheinander entstand. Pferde verloren das Gleichgewicht, scheuten, steilten auf die Hinterhand, Männer fluchten, schrien und feuerten in blinder Wut ihre Colts ab. Aber die hintersten Reiter wichen dem Knäuel aus und kamen wie die Teufel herangedonnert.
»Jetzt gilt es, Freunde!«, krächzte Shorty aufgeregt. Sie flogen nur so den Berghängen entgegen. Die Sekunden, die ihnen Shortys Flinte verschafft hatten, waren vielleicht die Entscheidung. Pferde galoppierten mit gestreckten Leibern, flatternden Mähnen und geblähten Nüstern. Gleich darauf waren sie auf gleicher Höhe mit den von der Seite heranjagenden Kellock-Cowboys.
»Jenny!«, schrie Shorty. »Jetzt bist du wieder dran!« Und er schwenkte seine Parker-Gun herum.
Ein Hagel aus Revolverkugeln prasselte gegen sie. Shortys Pferd wieherte plötzlich schrill und wirbelte halb herum. Die Schrotlandung des Oldtimers verpuffte ins Leere. Die Wucht des Galopps riss Shortys Pferd aus dem Gleichgewicht. Shorty flog durch die Luft und verschwand im Staub.
Sofort zerrte Mary-Lou an den Zügeln. Ihre Fuchsstute knickte in die Flanken. Schaum flockte von den Nüstern.
»Shorty! Shorty, schnell!«
Die humpelnde Gestalt des kleinen Cowboys schälte sich aus dem Staub. Er winkte aufgeregt mit beiden Händen. »Weg hier, Girl! Verlier keine Zeit, sonst ist es zu spät!«
Die Front der Kellock-Horde hatte sich wieder geschlossen und war jetzt dicht vor ihnen.
Shorty brüllte: »Ihr Hundesöhne! Ihr Bastarde! Lasst das Girl aus dem Spiel!« Fieberhaft suchte er nach seiner Parker-Flinte.
»Schnappt sie euch!«, brummte der Anführer der Kellock-Cowboys, ein schnurrbärtiger narbengesichtiger Bursche. »Und erledigt diesen Revolverschwinger Amarillo!«
Eine Salve von Gewehrschüssen knatterte von den dunklen nahen Berghängen her. Der Narbige, der den Revolver auf die kleine Schar der Verlorenen richtete, sank plötzlich nach vorn auf die Pferdemähne und glitt dann lautlos seitlich vom scheuenden Gaul. Zwei, drei andere Sättel waren ebenfalls wie leer gewischt. Stöhnende Männer wälzten sich zwischen den halbverdorrten Büffelgrasbüscheln.
Eine Reitergruppe löste sich von den finsteren Bergen und jagte im Galopp heran. Die Mündungsfeuer über den Pferdehälsen beleuchteten grimmig verkantete Gesichter. Wieder warf ein Kellock-Mann die Arme hoch in die Luft und verschwand über die Hinterhand seines hochsteilenden Pferdes im Staub. Ein zweiter wurde wie von einem mächtigen Fausthieb zur Seite gerissen und konnte sich gerade noch an der Pferdemähne festkrallen. Er schrie gellend: »Eine Falle! Weg hier! Weg, sonst bringen sie uns alle um!«
Die Gäule wurden herumgerissen. In panischer Flucht stürmten die K-Star-Ranch-Leute davon. Eine dritte Salve prasselte hinter ihnen her, ohne noch Schaden anzurichten. Die Cowboys verschwanden in der Hügelkerbe, aus der sie aufgetaucht waren. Ihr rasendes Hufgetrappel verlor sich in Richtung der K-Star-Ranch.
Shorty schob mit zitternder Hand neue Schrotpatronen in die herabgeknickten Läufe seiner Flinte. »Jetzt fange ich tatsächlich noch an, an Wunder zu glauben!«
Mary-Lou hatte ihre Stute beruhigt und schaute mit wachsamen Augen den herantrabenden Reitern entgegen. Jim Santana ritt lächelnd auf sie zu. »Ich freue mich wahrscheinlich mehr als du, Mary-Lou, dass wir noch zur rechten Zeit gekommen sind.« Er tippte grüßend an die Krempe seines Stetsons.
Mary-Lou musterte seine Begleiter. Der Mann seitlich neben Santana war ein wahrer Hüne von Gestalt. Hinter ihm brachten ein schnurrbärtiger Mexikaner mit wagenradgroßem Sombrero und ein Bursche mit schulterlangem blondem Haar ihre Pferde zum Stehen. Die anderen hielten sich im Hintergrund, vier weitere drahtige Gestalten mit harten Gesichtern, staubbedeckter Reitertracht und tief geschnallten Colts.
»Du lebst also nicht allein in den Elk Mountains, Jim!«, stellte Mary-Lou nachdenklich fest.
Er zuckte die Achseln. »Ich hielt es für besser, diese Tatsache so lange wie möglich für mich zu behalten. Wir sahen die brennende Ranch von den Bergen aus. Wo ist dein Vater?«
Sie deutete stumm auf das planenumwickelte Bündel auf dem einen Pferd. Santanas Raubvogelgesicht wurde noch scharfzügiger.
»Kellock?«, fragte er hart.
Mary-Lou nickte. Plötzlich lenkte sie ihre Fuchsstute so dicht an Santanas Rappen heran, dass sich ihre Steigbügel klirrend streiften. Ihr Blick brannte sich an Santanas Miene fest.
»Ich habe geschworen, Dad zu rächen. Ich brauche jede Unterstützung im Kampf gegen die K-Star-Ranch. Jim, du hast mir schon einmal deine Hilfe angeboten …«
In Santanas dunklen Augen erschien ein raubtierhaftes Lauern. »Sicher, Mary-Lou, sicher! Aber – der Preis hat sich nicht geändert!«
Sie hielt seinem durchdringenden Blick stand. Die Schrotflinte unter den Arm geklemmt, humpelte Shorty aufgeregt heran. »Girly, dieser Bursche wird im Süden steckbrieflich gesucht. Sieh dir bloß seine Mannschaft an. Lauter Galgenvögel und Halsabschneider. Mary-Lou, mache jetzt keinen Fehler, hörst du?«
Das fleischige Gesicht des Hünen neben Santana verzog sich zu einem Grinsen. »He, welcher Gockel hat denn da gekräht?« Er lenkte ohne Eile sein Pferd auf den Oldtimer zu. »Sieh mal an! Da ist ja noch jemand! Hallo, Kleiner, wie hast du uns genannt? Habe ich mich verhört oder …«
»Bleibe mir vom Leib!«, knurrte Shorty und ließ die Doppelläufe der Flinte wieder einrasten. »Oder willst du Bekanntschaft mit meiner Freundin Jenny machen, eh?«
»Freundin?«, grinste der Hüne breit. »Das Weib möchte ich sehen, das sich in so einen alten Gartenzwerg vergafft!«
»Du schaust ihr bereits direkt in die Augen, du Fleischkoloss!«, knurrte Shorty wütend und ließ die Hähne der Parker knacken. »Das ist sie! Miss Jenny Parker! Und sie kann es auf den Tod nicht leiden, wenn sich so ein spatzenhirniger Menschenaffe über mich lustig macht!«
Der Hüne lief rot an. »Verdammter Zwerg! Wenn du mir zwischen die Fäuste gerätst, mache ich Hackfleisch aus dir!«
»Vor deinen Pranken wird mich Jenny Parker behüten, darauf kannst du Gift nehmen, alter Gorilla! Und wenn du es genau wissen willst – jawohl, ich habe euch Galgenvögel und Halsabschneider genannt. Und das, finde ich, ist noch verdammt vornehm ausgedrückt. Wenn die Lady nicht hier wäre, würde ich dir und deinen lieben Freunden noch ganz andere Ausdrücke an den Kopf werfen!« Shorty wippte kriegerisch auf den Stiefelspitzen, und seine Augen sprühten nur so vor Zorn und Furchtlosigkeit.
Der Mexikaner und der Kerl mit dem schulterlangen Haar tauschten einen kurzen Blick und griffen gleichzeitig so blitzschnell zu den Revolvern, dass man der Bewegung nicht mit den Augen folgen konnte. Als ihre Waffen hochschwangen, rief Santana scharf: »Genug, hebt euch eure Kindereien für später auf!«
»Kindereien?«, entrüstete sich Shorty. »Muss ich mir das als alter Mann sagen lassen? Mary-Lou, es wird höchste Zeit, dass wir diesen Gentlemen Adios sagen! Meine Freundin Jenny wird schon so ungeduldig, dass ich sie kaum bremsen kann!«
»Sei still, Shorty! – Santana, ich werde mit dir reiten! Ich bin mit jedem Preis einverstanden. Hör zu, Jim, ich werde deine Frau! Aber zuvor will ich Bruce Kellock tot auf der Erde liegen sehen. Das ist meine Bedingung!« Ihre Stimme war kühl und klar wie Glas.
»Heiliger Rauch!«, krächzte Shorty erschrocken. »Mary-Lou …« Er verschluckte sich und begann heftig zu husten.
Santana starrte das Mädchen forschend an. Ein gieriges Flackern erschien in seinen stechenden dunklen Augen. Heiser murmelte er: »Bruce Kellocks Todesurteil ist schon gesprochen!« Er winkte seiner rauen Mannschaft zu.
»Ihr habt es gehört! Wir reiten ins Camp zurück. Morgen knöpfen wir uns Kellock vor.«
Der Langhaarige räusperte sich. »Jim, Kellock ist die Macht in diesem County.«
Santana grinste ihn scharf an. »Er war es, solltest du sagen, Sixgun! Er war es!« Er schaute Mary-Lou an und deutete auf Amarillo. »Kommt er mit?«
»Ja! Er war der Freund meines Vaters und ist ohne Hilfe verloren. Später kann er Seite an Seite mit uns gegen Kellock kämpfen.«
Shorty hielt Mary-Lous Stute am Halfter fest, als sie wenden wollte. »Es ist ein Fehler, Mädel! Es sind Banditen, gewissenlose Burschen wie Kellocks Schießer. Dein Vater wäre damit nicht einverstanden! Mary-Lou, ich bitte dich, hör auf mich und …«
»Du brauchst nicht mitzukommen, Shorty! Du kannst reiten, wohin du willst! Jim, ich bin bereit! Reiten wir!«
Santana stach einen Arm in die Luft und stieß einen schrillen Cowboyruf aus. Da preschte die ganze Kavalkade in so verwegenem Tempo zu den Bergen zurück, wie sie gekommen war. Um Jim Santanas Mund lag ein Lächeln des Triumphes, als der das Mädchen an seiner Seite verstohlen musterte.
Shorty Ridler starrte der staubaufwirbelnden Rotte kopfschüttelnd nach. Dann marschierte er seufzend zu einem zurückgebliebenen Kellock-Pferd, saß eilig auf und preschte mit finster verkniffener Miene hinter Mary-Lou Jones und ihrer neuen wilden Streitmacht her.
»Jenny!«, murmelte er heiser seiner Schrotflinte zu. »Nimm es mir nicht übel. Aber du bist nun mal nicht die einzige Lady, für die mein Herz schlägt …«