Читать книгу Geliebt, gehasst, gefürchtet … - Glenn P. Webster - Страница 13

8. Kapitel

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Die drei Pferde vor dem Lucky Cowboy Saloon in Greenhill trugen das Brandzeichen der K-Star-Ranch an den Flanken. Eine ganze Weile hockte Chad Harbin wie festgenagelt im Sattel und starrte auf das große K und den Stern daneben, bis der Stempel vor seinen Augen zu verschwimmen begann. Dann lenkte er seinen Schwarzbraunen über die Straße und stieg vor Harpers Waffenhandlung ab. Er schien die vielen Augenpaare nicht wahrzunehmen, die ihn unter schattigen Veranden hervor, aus Türen und Fenstern beobachteten. Mit steifen Schritten verschwand er im Haus. Die Türglocke schrillte die halbe Main Street entlang. Als er zehn Minuten später wieder im Freien erschien, waren die Schlaufen seines Revolvergurtes mit funkelnden neuen Patronen gefüllt, und in seinem tiefhängenden Holster steckte ein neuer 44er Smith and Wesson. Die drei Gäule vor dem Saloon dösten noch immer in der Glut der Mittagssonne. Mit den hölzernen Bewegungen eines Mannes, der lange im Sattel gesessen hat, ging Chad Harbin langsam über die breite Main Street zurück.

»Chad!«, hielt ihn eine raue Stimme auf, als er den Fuß auf die erste Verandastufe setzte. Ein grauhaariger hemdsärmeliger Mann hastete den Gehsteig entlang auf ihn zu. Lane Dunmore, der Town Mayor von Greenhill. »Chad, Junge, was hast du vor?« Schwer atmend blieb Dunmore vor ihm stehen und betupfte mit einem bunten Taschentuch seine schweißglänzende Stirn.

Chad schaute ihm durchdringend ins Gesicht und erkannte, dass die ganze Stadt bereits wusste, was mit Hank Jones in der vergangenen Nacht geschehen war. Er deutete mit dem Daumen auf den Salooneingang und sagte leise und grimmig: »Ich weiß nicht, was diese Burschen über meine Rolle draußen auf der Jones-Ranch erzählt haben. Aber eines steht fest: Ich werde mir einen nach dem anderen schnappen, bis ich zum Schluss Kellock selber vor dem Schießeisen zur Jury schleppe!«

»Hör auf! Chad, du bist verrückt! Jones hat Amarillo aus dem Jail geholt. Er oder sein Kumpan haben dabei Walt Drover erschossen. Mag sein, dass Kellock zu vorschnell gehandelt hat, aber das ist kein Grund …«

»Es war nicht Jones, Dunmore! Davon bin ich jetzt fest überzeugt. Er hat Amarillo versteckt. Stimmt. Aber rausgeholt haben ihn andere. Dunmore, Sie wissen so gut wie jeder andere Mann in der Stadt, wie scharf Kellock seit ein paar Wochen auf Jones’ Land war. Können Sie zwei und zwei zusammenzählen? Ich kann es! Gestern, als man Jones die Schlinge um den Hals legte, ist mir alles klar geworden! Kellock hat mich hereingelegt, indem er sich so offensichtlich auf die Seite des Gesetzes stellte. Auf der Jones-Ranch war es zu spät, ihn zu bremsen. Mir bleibt nur noch eines, und das bin ich meinem alten Freund Hank Jones und dem Gesetz schuldig! Kellock bekommt seine Gerichtsverhandlung!«

Der Bürgermeister ertrug das Feuer in Chads Augen nicht mehr. Sein Blick glitt zur Seite, während er die längst trockene Stirn immer noch mit dem Taschentuch rieb.

»Das sagst du, Chad. Kellock sagt etwas ganz anderes. Er behauptet, du hättest den Befehl gegeben – hm, na ja, wir sollten es alle vergessen, was? Nichts kann mehr ungeschehen gemacht werden.«

»Vergessen?«, dehnte Chad verächtlich. »So, wie ich vergessen soll, wie ihr mit der Amarillo-Bande umgesprungen seid? Keine Gerechtigkeit für einen Mann, der außerhalb des Gesetzes steht, und wenn er noch so in die Enge getrieben ist. Ist das das Motto von Greenhill? Das und die Angst vor Kellocks Macht, wie? Nein, Dunmore! Duckt euch, so viel ihr wollt – aber verlangt das nicht von mir!«

»Chad!«, würgte der Bürgermeister hervor. »Wir haben dich zum Sheriff eingesetzt, damit du die Interessen und die Ordnung dieser Stadt wahrst. Aber es verstößt gegen unsere Interessen, wenn du jetzt da drinnen im Saloon dein Eisen auf Kellocks-Reiter richtest! Die Stadt lebt von der K-Star-Ranch und ihren Männern. Die Stadt kann es sich nicht leisten, Kellocks Zorn auf sich zu ziehen! Chad, verstehe mich richtig! Wir haben dir den Stern nicht gegeben, damit du …«

Chads Hand fuhr hoch und riss mit einem wilden Ruck das silbern schimmernde Abzeichen von seiner ärmellosen Weste. Er ließ den Sheriffstern Dunmore vor die Füße scheppern.

»Steck ihn dir selber an, Dunmore, wenn du Lust dazu hast! Dann kannst du nach Kellocks Pfeife tanzen, soviel es dir Spaß macht! Und wenn du mich jetzt noch aufhalten willst, dann musst du schon den Revolver in die Hand nehmen!«

»Chad, das ist ja …«

Lane Dunmore verstummte unter Chads flammendem Blick und wich mit eingezogenem Kopf zur Seite. Dumpf pochten Chads Stiefel die Verandastufen hinauf. Hinter den schulterhohen Schwingtüren des Saloons war es dämmrig und still – eine Stille, die verriet, dass sie ihn drinnen bereits erwarteten. Dunmores Stimme war laut genug gewesen, um sie im Saloon zu warnen. Ein wildes Lächeln kräuselte die Mundwinkel des großen hartgesichtigen Mannes. Seine Hand schwebte griffbereit über dem glatten Kolben des Smith and Wesson. Er drückte die Türflügel auseinander und trat ein.

Vom Keeper war nichts zu sehen. Die Küchentür fiel eben mit leisem Klicken ins Schloss. An jedem Ende der langgestreckten Mahagonitheke stand geduckt und lauernd ein Kellock-Mann. Der eine war Jesse, der gestern Jones das Lasso um den Hals gelegt hatte. Der andere Slim, der Jones’ Pferd unter den Galgenbaum geführt hatte. Bei ihrem Anblick erlosch das quälende Brennen in Chad und machte einer eisigen Kälte Platz. Jesse und Slim hielten die Hände auf den Coltgriffen. Vom dritten Mann war kein Schatten zu sehen. Chad zweifelte keinen Moment daran, dass er verborgen im Hinterhalt lauerte. Sie hatten eine Falle aufgestellt und waren entschlossen, ihm keinen Pardon zu geben!

Jesses dünne Lippen verzogen sich zu einem mühsamen Grinsen. »Hallo, Harbin! Wo hast du deinen Stern gelassen? Bist du hier, um einen Drink mit uns zu kippen? Dann komm nur! Bist herzlich eingeladen!«

Chad suchte aus den Augenwinkeln nach dem dritten Mann, fand ihn aber nicht. Er wusste, was er aufs Spiel setzte, als er vier Schritte in den Saloon hineinging und dann breitbeinig stehen blieb. Aber der Gedanke an den Toten in der Schlinge und die brennende Ranch ließen ihn gar nicht anders handeln. Alles in ihm war kalt und leer, seine Gedanken nur auf ein Ziel gerichtet: schneller zu sein als diese zweibeinigen Wölfe, die seinen Tod wollten!

Er sagte ruhig: »Ihr wisst, dass ich euch holen will! Worauf wartet ihr also noch? Fangt an!«

»Verrückt!«, fauchte Jesse und brachte es nicht mehr fertig, weiter zu grinsen. »Wenn du diesen Saloon verlässt, dann nur mit den Stiefeln voraus! Bist du dir darüber im Klaren, verdammtes Großmaul?«

»Du redest zu viel, Jesse! Hast du Angst? Gestern, als ihr einen Wehrlosen ermordet habt, warst du doch so mutig!«

»Dir werde ich schon zeigen, was Angst ist, Harbin!«, schnappte Jesse wild. »Ed, gib es ihm!«

Chad verlor keinen Sekundenbruchteil, nach dem versteckten Kellock-Mann zu spähen. Mit einem kraftvollen Hechtsprung warf er sich einfach zwischen die Stühle und Tische. Ein Schuss peitschte, die Kugel fauchte über ihn weg. Er kam hart auf den Brettern auf. Ein Tisch kippte um, ein Glas zerschellte am Boden. Chad wälzte sich auf die Seite und brachte seinen 44er Revolver blitzschnell in die Höhe.

Er feuerte genau in die Richtung, wo eben noch das gelbrote Mündungsfeuer zusammensank. Von der Treppe, die ins Obergeschoss führte, kam ein heiserer Aufschrei. Ein Mann stand sekundenlang noch schwankend auf den Holzstufen, dann neigte er sich langsam vornüber. Der Colt polterte ihm voraus die Treppe hinab, er folgte ihm sich einige Mal überschlagend. Aber das sah Chad schon nicht mehr. Unter einem Tisch weg jagte er seine Kugel zur Theke hinüber.

Sein Schuss vermischte sich mit dem Dröhnen von Slims und Jesses Waffen. Holzspäne flogen Chad ins Genick. Jesse stellte sich auf die Zehenspitzen, riss weit und erschrocken die Augen auf und brach wie vom Blitz gefällt zusammen. Slim sprang von der Theke vorwärts und rannte schießend auf die Tür zu.

Chad stemmte sich schnell auf die Knie, zielte eine Sekunde lang ganz sorgfältig, während ihm Slims heißes Blei um die Ohren pfiff, und drückte dann ab. Vier Schritte vor dem Eingang stürzte Slim aus vollstem Lauf hinaus aufs Gesicht.

Chad stand auf, ließ die leeren Patronenhülsen aus der aufgeklappten Revolvertrommel klirren und lud die Waffe sofort wieder nach. Slim rollte sich ächzend auf den Rücken. Der Colt war ihm entfallen. Er tastete danach. Mit unbewegter Miene stiefelte Chad zu ihm hinüber und stieß die Waffe aus seiner Griffweite. Kalt schaute er auf den Kellock-Cowboy hinab. Die Mündung des Smith and Wesson zielte genau auf Slims Herz.

Der Mann wurde schneeweiß. »Nein, Harbin! Nicht schießen! Um Himmels willen, nicht …«

Chads Stimme klirrte wie Stahl. »Wer hat Amarillo aus dem Jail geholt?«

»Harbin, nehmen Sie das Eisen weg! Menschenskind, Sie dürfen nicht …«

»Wer war es? Du und Jesse? Hat euch Kellock den Auftrag gegeben?«

Slims Lider zuckten. »Nein, nein! Ich war nicht dabei! Wirklich nicht, Harbin! Es ist nicht meine Schuld, dass Jones gehenkt wurde! Sie dürfen mich nicht erschießen! Ich bin erledigt! Sie haben mein Knie zerschossen. Ich …«

»Ich will wissen, wer es war!«

»Leach war der eine, der andere Kellock selber! Sie brachten Amarillo zur Jones-Ranch, um einen Grund zu haben …«

»Das genügt! Alles andere weiß ich selber!« Chad hob den Blick und begegnete Lane Dunmores aufgerissenen Augen, die über die Schwingtüren starrten. Der Bürgermeister musste jedes Wort verstanden haben.

»Harbin, mehr weiß ich nicht!«, keuchte Slim. »Geben Sie mir eine Chance! Ich verspreche Ihnen, dass sich unsere Wege nie mehr kreuzen werden! Ich …«

»Sei still, Bandit, du widerst mich an!«, sagte Chad kalt, stieg über ihn weg und verließ den Lucky Cowboy Saloon. Auf der Veranda wich Dunmore erschrocken von ihm zurück. Chad wurde sich bewusst, dass er noch immer den Revolver in der Faust hielt und steckte ihn zurück ins Holster.

Die Gehsteige und Veranden waren plötzlich von Menschen gefüllt.

Chad sagte ruhig: »Bringt ihn zum Doc und dann ins Jail! Die beiden anderen sind tot!« Dunmore schlüpfte überstürzt in den Saloon, froh, aus Chads Nähe wegzukommen. Ohne Eile stieg Chad die Stufen hinab und überquerte die Fahrbahn, ohne sich um die vielen Blicke zu kümmern, die ihm wie hypnotisiert folgten. Das Sattelleder knarrte, als er sich auf seinen Schwarzbraunen schwang.

»Wenn ihr Bruce Kellock seht, dann bestellt ihm, dass ich von dieser Stunde an Jagd auf ihn machen werde! Jagd, bis er endlich vor einem Richter stehen wird!«

Die Menge duckte sich förmlich unter seiner peitschenscharfen Stimme. Da drückte er seinem Pferd bereits die Hacken an und preschte, in eine gelbe Staubwolke gehüllt, aus der Stadt.

Geliebt, gehasst, gefürchtet …

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