Читать книгу Geliebt, gehasst, gefürchtet … - Glenn P. Webster - Страница 7
2. Kapitel
ОглавлениеSie waren zu viert. Kräftige, sehnige Männer mit kantigen Gesichtern, die von einem wilden, verwegenen Leben gezeichnet waren. Jeder hielt einen Revolver in der Faust. Zwei Banditen schleppten prall gefüllte Leinensäcke auf den Schultern. Chad kannte den berüchtigten Bandenboss Amarillo vom Steckbrief her. Er war ein großer hagerer Bursche mit tiefliegenden, fanatisch glühenden Augen. Sein Gesicht war von vielen dunklen Linien zerfurcht, die ihn älter erscheinen ließen, als er tatsächlich war.
Er gab einen knappen Befehl, und sofort begannen die vier Banditencolts zu krachen. Die beiden Burschen mit den Geldsäcken rannten zu den Pferden. Amarillo und ein rothaariger Kerl sprangen vom Gehsteig und versuchten den Sheriff mit ihren schnellen Kugeln zu erwischen. Die Detonationen hallten ohrenbetäubend zwischen den Häuserfronten. Pulverdampf wehte in dichten Schwaden.
Chad ließ sich auf die Knie fallen. Kugeln umjaulten ihn, fetzten Holzspäne von der Veranda und ließen den Sand neben ihm aufspritzen. Ein Pferd riss sich vom Haltebalken los, geriet genau in den Kugelhagel der Verbrecher, bäumte sich durchdringend wiehernd auf und brach schließlich zuerst nach vorn ein, ehe es auf die Seite kippte und sich nicht mehr regte.
Das verschaffte Chad ein paar kostbare Sekunden. Er dachte nicht an Rückzug. Da drüben lag ein toter Bankangestellter im Sonnenlicht, und dort drüben stand mit feuerspeiendem Revolver der Bandit, der viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Durch die Schleier aus Pulverrauch und Staub hetzte Chad vorwärts.
»Chad!«, hörte er Mary-Lou Jones angstvolle Stimme durch den wüsten Lärm dringen. Dann kauerte er schon mitten auf der Straße hinter dem zusammengebrochenen Pferd und jagte einen Schuss über den leeren Sattel weg. Amarillo verlor plötzlich das Gleichgewicht, stolperte gegen die Steinwand des Bankgebäudes zurück und rutschte an ihr langsam abwärts.
Den Rothaarigen traf Chad mit dem nächsten Schuss in die Schulter. Der Mann wurde herumgewirbelt und fiel aufs Gesicht in den Straßenstaub. Die beiden Kerle mit den Geldsäcken waren bei den Gäulen angelangt.
Vom Lucky Cowboy Saloon kam Deputy Sheriff Drover mit gezogenem Revolver herangestürmt. Aus der Schmiede polterten zwei, drei schreiende waffenschwingende Männer. Andere Gestalten tauchten auf überdachten schattigen Veranden auf.
Die vor einigen Minuten noch totenstille Stadt Greenhill hatte sich in einen einzigen Hexenkessel verwandelt.
»Halt!«, brüllte Chad den Banditen zu. »Ergebt euch!«
Amarillos Leute fluchten vor Wut, Enttäuschung und Verzweiflung. Der eine löste die Pferdeleinen vom Haltegeländer, der andere schoss wie verrückt zwischen den erschreckt keilenden, sich aufbäumenden Tieren heraus.
Deputy Sheriff Drovers Colt donnerte, die Gewehre und Revolver der anderen Greenhill-Bürger fielen mit ein. Von allen Seiten kamen sie jetzt auf die Bank zugerannt. Das tollkühne Eingreifen ihres Sheriffs und dessen ausschlaggebender Erfolg hatten ihr Zögern und ihre Bedenken weggefegt.
Zwei Banditengäule brachen im Kugelregen zusammen. Der eine Bandit musste, um sich vor den wirbelnden Hufen zu retten, auf die Straße springen. Er wurde von mehreren Geschossen gleichzeitig getroffen und förmlich niedergeschmettert. Der Leinensack öffnete sich. Geldscheinbündel rutschten heraus. Der andere Desperado schaffte es, in den Sattel zu kommen. Er hielt den Geldsack mit der Coltfaust vor die Brust gepresst, mit der anderen Hand lenkte er das Pferd herum.
Chad war hinter dem toten Pferd hochgekommen. Drover schrie den Bürgern zu, das Schießen einzustellen, um den Sheriff nicht zu gefährden. Chad fiel dem Banditenpferd in die Zügel. Das Tier scheute zurück und knickte in die Hanken.
»Gib auf, Bandit!«, keuchte Chad dem Reiter zu.
Der Mann schrie schrille unzusammenhängende Worte und stieß wie rasend mit dem Stiefel nach Chad. Er ließ den Geldsack noch immer nicht los und konnte deshalb den Revolver nicht in Anschlag bringen. Chad packte seinen Fuß und wollte ihn aus dem Sattel zerren. Da wurde ein Gewehrlauf durch ein Bankfenster gestoßen. Der Schuss vermischte sich mit dem Klirren des Glases. Die Kugel traf den Bankräuber von hinten in den Kopf und schleuderte ihn an Chad Harbin vorbei in den wallenden Staub.
Die gebrochenen Augen des Mannes starrten Chad geweitet an. Noch im Tod hielt der Bandit den mit Dollarnoten gefüllten Leinensack an seinen Leib gedrückt. Ein Gefühl des Ekels packte den Sheriff. Der Lärm ringsum schmerzte in seinen Ohren. Ein Rausch schien die Bürger von Greenhill erfasst zu haben. Eine heisere verzerrte Stimme schrie: »Da ist noch einer von den Halunken! Schnappt ihn euch!«
Chad fiel der Bandit ein, den er auf der Officeveranda niedergeschlagen hatte. Er wirbelte herum. Der Verbrecher war zu sich gekommen, presste sich keuchend gegen die Bretterwand und hob Chads Winchester in Anschlag. In einem staubaufwirbelnden Halbkreis stürmten die Bürger auf ihn zu.
»Weg mit dem Gewehr!«, brüllte Chad. »Lass dich verhaften, du verdammter Narr!«
In seiner Panik hörte der Bandit nicht und begann verzweifelt zu feuern. Ein Greenhill-Mann schrie auf und griff sich an die blutende Wange. Ein Hagel von heißem Blei prasselte erbarmungslos gegen das Office, zerhämmerte sämtliche Fensterscheiben und ließ den Stoppelbärtigen ein paarmal zusammenzucken. Mit letzter Kraft hielt er sich noch auf den Füßen, schaffte es aber nicht mehr, die Winchester hochzureißen.
»Aufhören!«, schrie Chad den Bürgern zu. »Aufhören!«
Da peitschte es schon wieder drei- oder viermal, und der Bandit stürzte mit ausgebreiteten Armen nach vorn auf die Verandabretter. Es gab keine Amarillo-Bande mehr!
Jäh verstummte der Lärm. Ernüchterung überfiel die Menge. Auf einmal starrten sich die Männer überrascht und betreten an. Jemand murmelte gepresst: »Sie haben nichts anderes verdient! Wir haben nur unsere Pflicht getan.«
Chad sah die schlaffen Gestalten, die Geldscheinbündel, die glänzenden Patronenhülsen im Sand, und sekundenlang wünschte er sich weit weg von hier. Dann hörte er hinter sich eilige Schritte und Mary-Lous angespannten Ruf: »Chad, bist du verletzt?«
Er drehte sich zu ihr herum. Sie kam gerade vom Gehsteig herab. Ihr langes schwarzes Haar flatterte. Ihr ausdrucksvolles, klar geschnittenes Gesicht war blass. Chad wollte ihr beruhigend zulächeln, da sah er die große hagere Gestalt hinter ihr emporwachsen, und eisiger Schreck jagte seinen Rücken hinab.
»Mary-Lou, Vorsicht!« Er sprang vorwärts.
Der Mann riss Mary-Lou bereits mit harter Faust zurück, presste sie an sich und hielt ihr die Revolvermündung an die Schläfe. Ein leiser Laut des Erschreckens kam über Mary-Lous Lippen. Sie wagte keine Bewegung mehr.
Amarillos Gesicht war vor Hass und Anstrengung verkniffen. Blut sickerte von seinem linken Oberschenkel das Hosenbein hinunter. Hinter Chad tönte ein rauer Aufschrei. Tritte scharrten über die Straße heran.
Sofort knirschte der Bandenboss wild: »Versucht es nur, ihr Teufel! Das Girl hätte es mit dem Leben zu bezahlen!« Die Geräusche hinter dem Sheriff verebbten. Beklemmende Stille herrschte. Jeder sah dem hageren Banditen an, wie ernst er es meinte. Chad forderte heiser: »Lass sie aus dem Spiel, und ich verspreche dir, wir beide werden es von Mann zu Mann austragen!«
»Zur Hölle mit dir, du Schuft mit dem Blechstern!« Amarillos Stimme zitterte vor Wut. »Von Mann zu Mann? Das kenne ich! So wie ihr meine Crew erledigt habt, ihr Hundesöhne, was? Beim Teufel, ich habe gute Lust, euch dieses Mädchen tot vor die Füße zu legen, nur um euch diese Heldentat heimzuzahlen!«
»Amarillo!«, keuchte Chad entsetzt. »Du …«
»Sei still, Sternträger!«, fauchte ihn der Bandit an. »Kein Wort mehr! Ich werde jetzt verduften, und das Girl ist meine Lebensversicherung. Nehmt die Geldsäcke und bindet sie am Sattel des Falben fest. Ich nehme sie ebenfalls mit. Glotzt mich nicht so an! Das geht euch wohl nicht in den Sinn, dass zum Schluss doch noch ich die Runde gewinne, was?«
»Du bist verwundet, Amarillo!«, sagte Chad gepresst. »Du kommst nicht weit!«
»Lass das nur meine Sorge sein! Und noch eines – wenn ich es nicht schaffe, wenn ich auf der Strecke bleibe, irgendwo draußen in den Hügeln, dann sterbe ich nicht allein! Ich habe das Girl bei mir! Ich habe noch nie meinen Revolver gegen eine Frau gerichtet. Aber was ich hier in dieser verdammten Stadt gesehen habe, ist zu viel, um noch irgendwelche Rücksichten aufkommen zu lassen! Eure schuld! Schreibt es euch hinter die Ohren, ihr Lumpenpack!«
Mary-Lou als Schutzschild vor sich haltend, bewegte er sich rückwärts auf die Pferde zu. Sein linker Fuß schleifte im Staub. Amarillo knurrte: »Ich warte auf das Geld!«
Deputy Sheriff Walt Drover, ein schlaksiger junger Mann mit Sommersprossen über der Nase, schaute Chad fragend an. Chad konnte nur nicken. Da bückte sich Drover seufzend nach den prallen Leinensäcken. Plötzlich entstand Bewegung in der Mauer aus unschlüssig starrenden Männern.
»Mike Conroe!«, rief eine atemlose raue Männerstimme. »Mike, um Himmels willen …«
Amarillo zuckte zusammen. Die Wildheit schwand jäh von seinem Ledergesicht. Seine Augen suchten die Menge ab. Mary-Lous Vater Hank Jones bahnte sich ungeduldig einen Weg nach vorn. Er war ein stämmiger schnurrbärtiger Mann, dessen Gesicht alle Farbe verloren hatte.
»Dad!«, schrie das Mädchen auf. »Vorsicht! Er ist zu allem entschlossen!«
»Mike!«, schnaufte Jones wieder, blieb stocksteif stehen und starrte Amarillo an. »Mike, sie ist meine Tochter!«
Amarillo schluckte. Seine Faust mit dem tödlich drohenden Revolver zitterte plötzlich. »Hank – du?«
»Sie ist meine Tochter!«, wiederholte Jones kratzend, und seine Fäuste öffneten und schlossen sich nervös.
Da sank die Waffe des gefürchteten Bandenführers langsam nach unten. Er ließ Mary-Lou los. Sie lief zu ihrem Vater, schlang ihre Arme um ihn und barg zitternd ihr Gesicht an seiner Brust. Jones Blick war an dem lederhäutigen Desperado wie festgebrannt.
»Zufrieden, Hank?«, fragte Amarillo leise, wartete keine Antwort ab und wandte sich dem Sheriff zu. »Nun? Worauf wartest du noch? Tu deine Pflicht, Sternträger!«
Chad gab sich einen Ruck. Den Finger am Abzug, steuerte er geradewegs auf den jetzt schwankenden Bandenboss zu. Amarillos Augen verengten sich. Die alte Wildheit erwachte in ihnen. Er bemühte sich, nochmals den Colt in die Höhe zu bringen. Doch der Blutverlust hatte ihn schon zu sehr geschwächt. Er lächelte verzerrt.
»Schade, Sheriff! So einfach wollte ich es dir nicht machen!«
Das verletzte Bein gab unter ihm nach. Er landete dumpf und schwer im Sand. Der Colt entglitt ihm. Chad kauerte neben ihm nieder.
»Ich werde dich jetzt verbinden, Amarillo.«
Jones war plötzlich zur Stelle und schob den jungen Sheriff zur Seite. »Überlass das mir!«
Ihre Blicke trafen sich. »Woher kennst du ihn, Hank?«, fragte Chad leise.
»Es ist lange her!«, murmelte Jones ausweichend. Ein nachdenklicher, bitterer Ausdruck stand in seinen Augen. Er bückte sich zu Amarillo. »Ich stehe wieder in deiner Schuld, Mike. Wie damals vor zehn Jahren.«
Er hob den Verwundeten auf und trug ihn auf seinen muskulösen Armen zum Sheriffs-Office. Chad blieb nichts anderes übrig, als hinterherzugehen. Er und Mary-Lous Vater waren immer gute Freunde gewesen. Aber jetzt war etwas Fremdes zwischen ihnen, was Chad mit Unruhe erfüllte. Die Menge auf der Main Street zerstreute sich. Walt Drover ließ die toten und verletzten Banditen fortbringen. Leer und still, als ob nichts geschehen wäre, lag die kleine Stadt kurze Zeit später wieder unter dem strahlend blauen Colorado-Himmel.