Читать книгу Die Chinesische Mauer - Günter Billy Hollenbach - Страница 22

20

Оглавление

Das Badzimmer – dezent von den Seiten her beleuchtet – ist sehr groß und hellbeige mit Marmor ausgelegt. Vor einer riesigen Spiegelwand glänzen vergoldete Armaturen. Daran erinnere ich mich schwach. Um so deutlicher hat sich mir das Geschehen ins Gedächtnis gegraben.

„Bitte, bleibe gleich an der Tür stehen, Nancy.“

Ich gehe mehrere Schritte weiter, drehe mich vor einem Bidet zu ihr.

„Entschuldige bitte nochmals. Wir machen es kurz und sorgsam. Aber es muss sein, das bin ich dir schuldig. Es wird etwas intim, aber nicht unanständig.“

Sie legt die Hände auf ihr Gesäß, schaut freundlich interessiert.

„Mach, ich bin einverstanden. Ich glaube, ich weiß was kommt.“

Sagt sie das nur? Egal. Bevor mich weiteres Nachdenken aufhält, tue ich es einfach. Knöpfe zügig mein Oberhemd auf und lege es seitwärts auf die breite Marmorumfassung der zwei Waschbecken. Hebe die Arme ein wenig seitwärts, nachdem ich das T-Shirt zu Boden geworfen habe, drehe mich einmal um mich selbst, frage:

„Okay?“

„Ja, gut, mach weiter.“

Ein Glück; im Hotel habe ich frische Boxer-Shorts angezogen.

Ich knöpfe die Jeanshose auf, lasse sie abwärts rutschen, trete ganz heraus, streife die Socken ab und drehe mich erneut.

Als ich wieder aufschaue, steht Nancy da und grinst wonnig.

„Du glaubst doch nicht, dass ich dich damit davonkommen lasse.“

Ihr Lächeln, ihr Ton – eine gekonnte Mischung aus Heiterkeit und wohlmeinender Boshaftigkeit, dazu der Anblick ihrer attraktiven Oberarme bringen mich aus der Fassung.

Nach wenigen Sekunden ist es unübersehbar.

„Ich fürchte, das geschieht jetzt doch etwas anders als ich erwartet habe,“ murmele ich verlegen.

Sie lacht herzhaft los, kommt unvermittelt zu mir, ergreift den vorderen Hosenbund der Boxershorts und zieht ihn ein gutes Stück zu sich. Nach einem kurzen Blick hinein lässt sie los, weist mich heiter an:

„In Ordnung, umdrehen,“ und wirft einen kurzen Blick auf meinen Po. Dieses Biest.

„Für dein Alter stehst Du sehr gut da, Mann.“

Im vergeblichen Ringen mit meiner peinlich erregten Verlegenheit geht mir der feine Hintersinn ihres Kompliments erst später auf.

„Du bewegst dich regelmäßig, stimmt ’s? Deine Frau kann zufrieden sein mir dir. Du hast mich überzeugt. Zieh dich an.“

*

Ich wasche mir eilig Gesicht und Hände, steige hastig in die Jeans, zerre T-Shirt und Oberhemd über.

Mann, war das peinlich! Aber notwendig.

Jedenfalls rede ich es mir ein.

Trotzdem ist mir etwas weich in den Knien, als ich das Bad verlasse.

Nancy sitzt auf der obersten Treppenstufe zum Wohnraum.

Statt aufzuschauen, als ich mich neben sie setze, legt sie ihren Arm um meine Schultern und zieht sich kurz seitwärts an mich.

„Danke dir, wirklich. Die Bullen haben Humor. Wollten dich tatsächlich mit einer Abhörwanze hierher schicken!? Die scheinen eine hohe Meinung von mir zu haben. Und von dir.“

Mir läuft es heiß den Rücken hinab. Sie hat mich mehr als verstanden, hat sich an mich gedrückt. Ich fühle mich mächtig erleichtert, nicht die Spur verlegen. Unsere Blicke treffen sich.

Ist die Frau hübsch ... und hübsch frech!

Prompt werde ich rot.

Nancy lächelt wissend.

„Alle Achtung. Deutlicher als eben lässt sich nicht zeigen, was Du von der Polizei hältst ... und über mich denkst. Wo warst Du heute, in welcher Abteilung?“

„Bandenkriminalität, früher Organisierte Kriminalität.“

Nancy legt ihre Hand auf meinen Oberschenkel, bemerkt gelassen:

„Ah ja. Ich nehme an, dort hat man dich genüsslich über meinen Familienhintergrund aufgeklärt?“

Stellt sie so leichthin fest wie sie vorhin Carmens erzieherische Qualitäten gelobt hat. Mann, in der Art miteinander zu sprechen, vertrauensvoll, ohne dass es betont werden muss?! Huh! Das gefällt mir.

„Als ob das etwas ändert an dem, was ich gemacht habe.“

Nancy lacht hörbar nicht-belustigt.

„Weniger daran. Mehr, wie Du über mich denkst.“

„Stimmt. Das Ergebnis kennst Du jetzt.“

Sie schubst mich seitlich an. Ganz selbstverständlich.

„Zum Glück. Jedenfalls verstehst Du es, bei mir Eindruck zu machen. Das gelingt nicht vielen Männern so weitgehend. Am ersten Abend.“

Mehr als erleichtert, ich.

„Ach, tut mir das gut, Nancy!“

„Also, der wollte dich geradewegs vor seinen Karren spannen und Du hast ,Nein’ gesagt. Das hat den bestimmt gehörig angepisst ... wie heißt der Beamte?“

„Detective Contreras.“

„Kenne ich nicht.“

„Vorher habe ich mit einem anderen Officer ein Computer-Bild des Angreifers erstellt.“

„Hast Du eine Kopie davon?“

„Pah, ne; auf den Gedanken bin ich nicht gekommen. Hätten die mir sicher nicht gegeben.“

„Hoffentlich bringt es die Polizei weiter.“

Nancy steht auf; „die brauchen wir jetzt wohl nicht mehr.“

Sie geht zur Wandkonsole und stellt die Musik ab.

Ich stehe am Couchtisch. Nancy kommt zu mir, eine halbe Armlänge Abstand. Ihr Blick, das Lächeln, die Stimme, ihre Gesten; seit meinen Striptease vermitteln sie eine ähnlich selbstverständliche Herzlichkeit wie im Umgang mit den Kindern oder mit Carmen. Meine Faszination für ihre Schönheit ist verflogen. Ich sehe einfach nur Nancy, eine junge Frau, in deren Nähe ich mich gern aufhalte. Die ich mir als Freundin wünschen, aber weiterhin nicht als Geliebte vorstellen kann.

Obwohl sie mich gerade so gut wie nackt gesehen hat.

Während ich noch überlege, ob ich mich in einen Sessel oder auf die Couch setze – mit ihr gern daneben –, greift Nancy beiläufig nach der Gürtelschnalle meiner Jeans, wie um mich am Weggehen zu hindern.

„Ich habe heute Nachmittag ausführlich mit Francis, meinem Mann, telefoniert. Er ist auf Geschäftsreise in Seattle.“

„Was macht er beruflich?“

Sie schaut zur Seite, verzieht den Mund, antwortet im Stil einer Geschäftsmitteilung.

„Er importiert Computerbauteile aus China. Das Schiff kommt dummerweise erst heute Nacht oder morgen früh rein. Er lässt dich unbekannterweise grüßen und seinen Dank ausrichten.“

Aha. Deshalb wollte sie lieber heute Abend mit mir sprechen. Gut so.

Nancy legt ihre Hände auf meine Schultern, sieht mich ernst an. Am liebsten möchte ich ihre samtenen Oberarme streicheln, liebkosen. Falsch, am liebsten die ganze Frau. Mit ihren zauberhaft braunen Augen, die etwas Liebevolles ausstrahlen, ohne verführen zu wollen.

„Jetzt bin ich dran und Du hörst zu, okay? Mister Robert Berkamp, ich sage dir nur einmal, aber von ganzem Herzen ,Danke dir’ für das, was Du heute Vormittag für Janey ... und mich, für uns alle getan hast. Das war das Beste, was wir alle uns wünschen können. Unter den Umständen. Außerdem bin ich sehr froh für das, was Du eben gesagt und getan hast. Das war mindestens genauso wertvoll ... und sehr mutig.“

Sagt sie glaubwürdig und ohne falsche Zwischentöne. Mir wird warm ums Herz. Mit ihrer kleinen Tochter hätte auch ein Stück von ihr entführt werden können. Dass ich das verhindert habe, finde ich jetzt doppelt schön.

Ich schließe ihre Händen zwischen meinen ein.

„Danke, Nancy. Deine Kinder und dich kennen zu lernen, ist sehr schön. Vorsicht, jetzt wird es persönlich: Was dich betrifft, lass die Polizei denken, was sie will. Ich mag dich.“

Sie hält ihre Hände still zwischen meinen, zieht sie nicht zurück.

„Danke, Du seltsamer Held. Hör zu, Robert: Ich fürchte, diese Sache ist noch nicht zu Ende, leider. Ist nur so ein Gefühl. Trau mir einfach zu, dass ich das beurteilen kann. Das heute kann noch viel Ärger nach sich ziehen. Aber egal, wie es weitergeht: Du hast mir gegenüber keine Verpflichtung, zero, nada, verstehst Du! Falls es dazu kommt, was auch immer passiert, ich möchte, dass Du davon verschont bleibst, dass unser Vertrauensverhältnis bestehen bleibt. Bitte versprich mir das. Ich verspreche es meinerseits.“

„Danke dir. Als Du vorhin über den Denkfehler beim Bau der Chinesischen Mauer gesprochen hast? Das hast Du nicht einfach dahergesagt, stimmt ’s?“

„Ja. Die gefährlicheren Feinde befinden sich innerhalb der Mauer.“

„Das habe ich kapiert. Für mich gilt, wenn uns die Sache weiter beschäftigt – möglicherweise werde ich dir nicht alles sagen, was ich von der Polizei erfahre. Was andere Leute mir anvertrauen, behalte ich für mich. Das ist Teil meines Wesens. Aber ich werde dich niemals hintergehen oder belügen.“

Contreras Bemerkungen über Alarmstufe Rot und den Umgang mit verdächtigen ,Schlitzaugen’ kann ich Nancy getrost ersparen.

Wir schauen uns lange in die Augen. Als Nancy ihren Kopf ein wenig bewegt, denke ich, jetzt folgt so etwas wie der Bruderkuss.

Um dem zuvorzukommen ergänze ich:

„Versprochen, Nancy! Bei der Polizei heute Nachmittag – überleg mal, Du warst eine fremde Frau für mich, trotzdem – ich hätte mir selbst nie wieder in die Augen schauen können, wenn ich mit einem Abhörgerät zu dir gekommen wäre.“

„Besser als eben konntest Du mich nicht überzeugen. Trotzdem bleibt das unter uns beiden, okay? Entschuldige, jetzt muss ich auf Toilette.“

Ich warte einige Minuten auf der Seitenlehne des nächstbesten Sessels, bis sie wiederkommt und sich neben mich setzt. Sie riecht, ähnlich wie Klein-Janey, frisch nach Aloe Vera.

„Außerdem, Nancy, die Angst, Du könntest mir misstrauen, ... hätte den Umgang miteinander vergiftet.“

Sie schaut zwischen ihren Knien hindurch auf die schwarzen Slipper und meint halblaut:

„So ist es besser.“

Sie drückt mir sanft ihren Oberarm gegen die Seite. Unsere Blicke treffen sich – ihre Lippen ein wenig vorgeschoben, in ihren Augen ein sinnlicher Glanz.

Und ein schelmischer Funke.

„Weißt Du, das habe ich schon lange nicht erlebt. Ein fremder Mann, der sich unaufgefordert vor mir auszieht. ... Und sich von mir rumkommandieren lässt, ... tolle Sache!“

„Du weißt genau, warum ich das getan habe!“

„Wer weiß, wer weiß? Vielleicht bin ich ein Naturtalent ... als Domina!“

„Mit deinem Aussehen, Nancy. Die Männer liegen dir in Massen zu Füßen und Du brauchst noch nicht mal eine Peitsche.“

Sie kichert vor sich hin:

„Du hast keine Ahnung, wie sexy ich das vorhin fand; zum Schluss jedenfalls. Im Vollbesitz meiner Macht!“

Sie stößt mir erneut mit dem Ellbogen in die Seite.

„Komm, lass uns in mein Schlafzimmer gehen. Keine Widerrede.“

Die Chinesische Mauer

Подняться наверх