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Prolog

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Der Jäger hob sein Fernglas. Aus dem Tal kommend, flog ein Rabenvogel heran, drehte eine Schleife über der Wiese und ließ sich schließlich im ausladenden Geäst einer gegenüberstehenden Buche nieder. Kurz darauf entdeckte er zwei weitere Krähen, die sich im Tiefflug näherten und auf einen anderen Ast des Baumes als Vorhut niederließen. Auch sie stießen das durchdringende, arttypische Kräh-Kräh aus. Wie der Jäger feststellte, blickten alle in Richtung Wiese. Dort musste es etwas geben, das ihr Interesse geweckt hatte.

Plötzlich ließ sich die erste Krähe fallen, glitt im Tiefflug über die Wiese und verschwand im Gras. Der Jäger wartete darauf, ihre Artgenossen ebenfalls diese Stelle anfliegen zu sehen. Vermutlich lag dort ein verendetes Tier. Rabenkrähen nahmen gerne Aas auf. Nach dem Ansitz würde er den Platz einmal kontrollieren.

Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, als eine der Krähen im Baum kurz mit den Flügeln schlug und dann wie ein Stein zu Boden fiel. Zwei Sekunden später stürzte der zweite Vogel aus unerfindlichen Gründen aus dem Geäst. Die Krähe am Boden schien Verdacht geschöpft zu haben, denn sie legte plötzlich mit klatschenden Flügeln einen Alarmstart hin und verschwand über den Baumwipfeln.

Der Jäger war einen Moment verblüfft, dann kam ihm ein schlimmer Verdacht: Wie es aussah, waren diese Vögel abgeschossen worden! Er hatte keinen Schuss gehört, was ihm den Schluss aufdrängte, dass mit einem schallgedämpften Gewehr geschossen worden war. Wilderer!, zuckte es durch sein Gehirn. Unwillkürlich langte er nach seinem Gewehr, das er griffbereit quer vor sich auf die Schießluke gelegt hatte. In dem Jäger stieg Zorn hoch. Die Chance, den Kerl auf frischer Tat zu ertappen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Von seinem Hochsitz aus konnte er nichts Verdächtiges entdecken. Also schnappte er sich sein geladenes Gewehr und hastete eilig die Leiter hinunter. Am Boden angekommen, sprang er, das Gewehr quer vor der Brust, mit zwei Sätzen über den Weg und lief gebückt einige Meter in die angrenzende Wiese. Dort kniete er sich sofort nieder. In dieser Haltung konnte er gerade noch durch die Spitzen der höchsten Grashalme hindurchspähen. Die toten Krähen lagen am jenseitigen Waldrand. Wenn sich jemand den erschossenen Vögeln näherte, würde er das von seiner Position aus sehen. Der Jäger war wild entschlossen, den Straftäter zu stellen. So eine Chance würde er nicht wieder bekommen.

Plötzlich hatte er das unbestimmte Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Ehe er in irgendeiner Form reagieren konnte, bekam er von hinten einen harten Schlag auf den Kopf, und es wurde Nacht um ihn.

Der Mann, der ihn mit dem Hinterschaft seines Gewehres bewusstlos geschlagen hatte, schob die Gesichtsmaske nach oben und sah mit zorniger Miene auf den Jäger herab. Er ärgerte sich, ihn nicht in der Kanzel bemerkt zu haben, sonst hätte er natürlich auf seine Aktion verzichtet.

Der Unbekannte beugte sich hinunter und fühlte den Puls des Bewusstlosen. Das Herz schlug gleichmäßig. Die Platzwunde am Kopf blutete zwar stark, war aber nicht weiter gefährlich. Er hatte kein Interesse daran, dem Mann zu schaden, der lediglich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen war. Sein Pech! Langsam richtete er sich wieder auf und verließ den Ohnmächtigen in Richtung Wiese. Lange würde die Betäubung nicht anhalten.

Auf dem Weg zu den erschossenen Krähen kam er an der Stelle vorbei, wo im Gras ein totes Reh lag. Am Tag vorher hatte er es geschossen und hier in der Wiese niedergelegt, um die Aaskrähen anzulocken. Der Kadaver war bereits von anderen Räubern angefressen. Vermutlich hatte sich ein Fuchs daran gütlich getan. Er ließ das Reh liegen und ging weiter zum Waldrand. Dort hob er die beiden toten Krähen auf, steckte sie in eine Plastiktüte und verstaute sie zusammen mit dem zerlegten, schallgedämpften Kleinkalibergewehr im Rucksack. Als er wenig später im Wald verschwand, begann es bereits zu dämmern.

Der Verletzte wurde zehn Minuten später von einem Mountainbikefahrer gefunden, der noch zur späten Stunde im Revierteil Bendelsgraben seine Trainingsrunden drehte.

Das letzte Schwurgericht

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