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STUFEN DER GEWISSENSBILDUNG

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Die Vorstufe zum eigenen Handeln ist die Einfühlung, die Empathie. Das Kind will – sich damit identifizierend – hingebungsvoll in den anderen eintauchen und miterleben, »wie Handeln geht«. Es erlebt menschliches Handeln mit, um es daran selber zu lernen. Doch das geht keineswegs reibungslos. Denn um das zehnte Lebensjahr beginnt eine Krise. Das Kind erfährt sein Willensleben neu: als »Nacht«, als Labyrinth, als hinter einer verschlossenen Tür, für das Bewusstsein unzugänglich.

In dieser Phase braucht das Kind Leitbilder, die Wirklichkeit eines anderen sprechenden und handelnden Ich, um dem »dunklen Grund« etwas entgegenzusetzen. Das Kind sucht im anderen Ich Quellen des Handelns, aus denen heraus es selber sein Verhalten mehr und mehr lenken kann. Darin liegt der hohe Auftrag und die Würde der Erziehung. Denn der Begegnungsraum zwischen Kind und Erwachsenem kann Zukunft vorbereiten und eröffnen. In den Jahren ab dem 9. Lebensjahr möchte der Stern des Kindes neu aufleuchten, bevor er zumeist in den Jahren der Pubertät noch einmal verschwindet. Das Gewissen als Zukunftspfand wird in diesen Jahren veranlagt.

Dieses Kapitel sei abgerundet mit Auszügen aus einem Brief, den der Arzt Hans-Müller Wiedemann aus der Seele des Kindes in der Mitte der Kindheit intuitiv an die Erwachsenen schreibt, »von Herz zu Herz«:

»Erzieht mich nicht nach dem Muster, nach dem euch eure Eltern erzogen haben. Denn ich bin anders, als ihr damals gewesen seid ... Ich möchte verstehen lernen, wie ein Mensch dem anderen helfen kann, und was einer dem anderen bedeutet. Denn ich ahne jetzt, dass der Mensch einsam sein kann ... Ich ahne, dass es hinter dem Fühlbaren und Sichtbaren meines Leibes ... noch etwas gibt, was ich auch bin und fühlen möchte. Ich hoffe, dass ihr von dort her zu mir sprechen lernt, wo der unsichtbare Mensch seine Heimat hat und wo sein Stern leuchtet ... Macht euch kein Bild von mir, aber habt Vertrauen in mich ...

... sucht den Sinn eures Lebens. Dieses Licht in euch wird wie ein Spiegel sein. Ich kann darin euren Sinn in meinen Mut verwandelt sehen ...

Die Welt ist nicht immer schön, aber sie ist wichtig für mich. Auch jede menschliche Beziehung in ihr ist wichtig ...«11

Diese Zeilen sind der Versuch einer Annäherung an das, was in der Seele des heranwachsenden Kindes lebt, das das Herz in sich entdeckt. Er könnte auch unterschrieben sein: Natascha Kampusch.

Ein Schlüssel zur inneren Biografie

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