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STUFEN DER ABNABELUNG

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Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt genauer die Lebensstufen, die jeder Mensch durchläuft, so macht er schon vor der Geburt tiefe Erlebnisse von Aussonderung und Trennung durch – nur weniger bewusst. Schauen wir zunächst auf den Anfang des Erdenlebens, auf die Geburt. Wir als Eltern, als Erwachsene und Geschwister, freuen uns, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt. Ein altes Kinderlied spricht vom Stern, der jeden Geburts-Tag überleuchtet.

Im Erleben des Kindes sieht der Geburtsvorgang möglicherweise sehr anders aus. Man spricht von der Gefahr eines »Geburtstraumas«. Was ist damit gemeint? Der österreichische Anatom Joseph Hyrtl (1810–1894), der sich sein Leben lang für das Wohl von Waisen und Kindern aus bedürftigen Familien eingesetzt hat und ein vehementer Gegner einer einseitig materialistischen Weltanschauung war, versuchte, sich ganz in den vorgeburtlichen, lebensreifen Embryo zu versetzen und aus dessen Erleben den Geburtsvorgang zu schildern. Denn es gibt neben der Freude der Familie und den Schmerzen der gebärenden Mutter auch den Schmerz des zur Welt kommenden Kindes!

»Der Embryo im Mutterleib müsste, sofern er Selbstbewusstsein hätte und im Voraus wüsste, was beim Vorgang der Geburt mit ihm geschehen wird, diesen Vorgang zweifellos für seine absolute Vernichtung halten.«4

Warum? Die schützenden Hüllen werden zerreißen, das Fruchtwasser wegfließen, in dem das Kind bisher sein Lebenselement hatte! Dann muss es sich durch eine »würgende Enge« zwängen, wie durch einen zu klein erscheinenden Höhlenausgang. Schließlich wird die Nahrung bringende Nabelschnur durchtrennt. Aus dieser Sicht erscheint ein Überleben der Geburt höchst unwahrscheinlich ...

Aber zum Glück eröffnet die physische Geburt eine andere Zukunft. Ist der Geburtsschmerz überwunden und findet das Neugeborene eine liebevolle, umhüllende Aufnahme, kann es schnell gedeihen. In den ersten Jahren ist das Kind vollständig auf den anderen Menschen angewiesen. Wie anders ist das bei den hochentwickelten Säugetieren, bei denen das Jungtier schon voll ausgereift zur Welt kommt! Demgegenüber braucht das kleine Kind eine Schutzhülle, vergleichbar dem Uterus der Mutter, um im ersten Jahr leben und sich entwickeln zu können. Deshalb spricht man vom »extra-uterinen Frühjahr« (Adolf Portmann), in dem auch das Geburtstrauma durch Erfahrung von Geborgenheit, Nähe und Sicherheit überwunden werden kann. So bildet die physische Geburt eine erste Stufe im Selbstständig-Werden des Menschen. Es ist die Abnabelung, die sich jetzt im Physischen, später im Bereich der Lebensprozesse und Lebenskräfte und – beginnend mit der Mitte der Kindheit – im Seelischen fortsetzen wird.

Die Entwicklung des Kindes in den ersten drei Jahren ist ein Wunder, das nicht oft genug bestaunt werden kann. Nie im Leben später ist der Mensch wieder so tätig und »erfolgreich«. Als Kinder lernen wir, unsere Leiblichkeit im Raum zu orientieren, uns selber in die Gesetzmäßigkeiten des Raumes hineinzustellen und die Schwerkraft zu ordnen. Wir lernen, an der Sprache Geistiges zu erfassen, zu verstehen und selber ins Wort zu bringen. Wir nennen das Denken-Lernen. Wir gehen in der Nachahmung über die Nachahmung hinaus und erwerben uns denkend einen eigenen Zugang zur Welt geistiger Vorgänge, Inhalte und Wesen. Die Fähigkeiten von Stehen und Gehen, der Spracherwerb und das aufkeimende Denken werden ohne ein bewusstes Lernen erworben.

Ein Schlüssel zur inneren Biografie

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