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Ein Kreislauf und große Ziele

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Gerade in der Wirtschaft sind systemische Prozesse wesentlich durch Kreisläufe geprägt. Peter Sloterdijk (2009) erzählt eine schöne Geschichte, die zunächst paradox wirkt, aber das Prinzip verdeutlicht.

Ein deutscher Tourist kommt in ein irisches Hotel und will sich einige Zimmer ansehen. Er legt dazu einen 100-Euro-Schein auf die Theke. Während er die Zimmer in Ruhe anschaut, läuft der Wirt mit dem Geld zum Metzger und bezahlt seine Schulden für Fleisch, der Metzger nimmt die 100 Euro läuft zum Bauern und bezahlt für dessen Lieferung. Der wiederum läuft zu einem Schreiner und bezahlt seine Schulden für die neuen Fenster. Der Schreiner läuft zu einer Dame, die im Ort spezielle Dienstleistungen für Männer anbietet und bezahlt seine offenen Rechnungen. Diese wiederum geht zum Hotel und gibt dem Wirt den 100-Euro-Schein für noch nicht bezahlte Zimmernutzung. Der Wirt legt den 100-Euro-Schein wieder auf die Theke. Dem deutschen Touristen haben die Zimmer nicht zugesagt, er nimmt den 100-Euro-Schein, geht von dannen und hinterlässt ein glückliches Dorf, in dem alle Schulden bezahlt sind.

So oder so ähnlich funktioniert das auch im wahren Leben. Wird der Kreislauf von Waren und Geld unterbrochen oder nur verlangsamt, wie es zum Beispiel im Jahr 2008 bei der Finanzkrise geschehen ist, werden Menschen vorsichtiger, investieren und konsumieren weniger und der gesamte Wirtschaftsprozess kommt ins Wanken.

Schaut man sich die verschiedenen Ansätze über den Sinn und die Ziele der Wirtschaft an, so finden sich zwei klassische Antworten: Erstens will Wirtschaft aus den vorhandenen Ressourcen mit dem geringsten Aufwand den größten Nutzen ziehen. Diese Zielsetzung wird auch als Allokation bezeichnet. Zweitens gehört nach heutiger Übereinkunft ein ausreichendes Niveau von Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten für möglichst viele Menschen zur Wirtschaft.

Manchmal wird auch ein drittes Ziel, das der gerechten Verteilung der erarbeiteten Ressourcen, ergänzt. Wobei die Ökonomen hier sehr unterschiedlicher Meinung sind, ob die Wirtschaft wirklich eine gerechte Verteilung herstellen kann und soll. In der Perspektive der Wirtschaftswunderjahre war dies noch selbstverständlich. Das Thema Verteilungsgerechtigkeit ist im Zuge der neoliberalen Dominanz der 80er- und 90er-Jahre zeitweise in den Hintergrund getreten, um dann nach der Wirtschaftskrise ab 2008 wieder zu Aufmerksamkeit zu kommen. Der französische Ökonom Thomas Piketty hat kürzlich rege Diskussionen durch seine These ausgelöst, dass es eine radikale Umverteilung zugunsten der Kapitaleigner gebe (Piketty 2014). Seine schlichte Formel: Die Kapitalrendite, also das Einkommen aus Kapital, ist tendenziell höher als die Wachstumsrate, sprich, die Reichen bekommen vom Kuchen ein relativ größeres Stück ab.

Heute sollte man bei der Betrachtung der Wirtschaft ergänzend den Aspekt der Nachhaltigkeit, also die Berücksichtigung der langfristigen Folgen des Handelns und des Ressourcenverbrauches, erwähnen. Es ist allerdings streng genommen eine Unterfunktion der Allokation, der sinnvollen und effizienten Kombination der Ressourcen. Man muss nur die verschiedenen Naturressourcen entsprechend wertschätzen und eventuell auch finanziell bewerten.

Dabei wird die wichtigste Ressource heute oft vernachlässigt, nämlich die der menschlichen Lebenszeit und der psychohygienischen Gesundheit. Menschen werden wieder, wie es zu Beginn der Industrialisierung und dann im tayloristischen Menschenbild mit der »Klein-Klein-Optimierung« menschlicher Handgriffe gipfelnd schon einmal der Fall war, als reine Produktionsfaktoren gesehen. Anders sind die heutigen Phänomene der Arbeitsverdichtung, der Arbeitsintensität und der langen Arbeitszeiten mit entsprechenden Folgen wie Burn-out nicht zu erklären. Im 19. Jahrhundert führte der gigantische technische Fortschritt zu einer materiellen Verelendung der Menschen. Heute scheint der technische Fortschritt zu einer psychischen Verelendung mit dem Anstieg psychischer Krankheiten und der häufigen Diagnose Burn-out zu führen. Auf jeden Fall rückt die psychosoziale Gesundheit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Diese Welle wurde bereits von dem Konjunkturforscher Nefiodow vorhergesagt (Nefiodow 1999).

Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert hat durch die neuen Produktionsmittel eine Veränderung der Produktionsverhältnisse (Eigentumsstrukturen, Machtverhältnisse) gebracht, wie Marx es nannte. Die technische Revolution des 20. und 21. Jahrhunderts bringt zumindest eine Veränderung der Kommunikation und der Beziehungen.


Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gesundheit als einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur als das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Dies ist ein sehr ambitioniertes Ziel.

Psychische Gesundheit ist laut WHO ein Zustand des Wohlbefindens, in dem der einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen und fruchtbar anbieten kann, die normalen Lebensbelastungen bewältigen kann und imstande ist, etwas zu einer Gemeinschaft beizutragen. Dazu kann auch die Wirtschaft beitragen. Sie könnte sich sogar dazu verpflichten.

Systemische Wirtschaftsanalyse

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