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Vom Überleben zum Gemeinwohl

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Die Zwecke des Wirtschaftens korrespondieren mit einer Grundtendenz, die für Systeme generell gilt, nämlich dem Überlebenswillen. Diese wesentliche Grundlage des Lebens und Wirtschaftens ist auch den meisten wirtschaftstheoretischen Konzepten immanent. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Überlebensprinzip im Sinne von Mehr an Materiellem heute für viele Menschen in den reichen Ländern wirklich noch eine erforderliche Maxime ist. Oder ist diese Orientierung lediglich ein Relikt der Vergangenheit? Psychologisch gesehen werden solche »mentalen Ladenhüter« oft unreflektiert beibehalten. Der Gedanke »Es ist nicht genug da«, beherrscht die Menschen seit Generationen, unabhängig davon, ob dies tatsächlich Realität ist. Dahinter steckt eine evolutionsgeschichtlich erlebte und damit im kollektiven Unbewussten der Menschen, wie C. G. Jung es nannte, vorhandene Reaktion. Der Wettbewerb um eine marginale Verbesserung auf schon hohem Niveau wird innerlich als Existenzbedrohung erlebt. Zieht man die Aufmerksamkeitsebenen des systemischen Modells heran, befindet man sich auf der transgenerationalen Ebene (siehe Kapitel »Aufmerksamkeit«) (Mohr 2014).

Politisch kann man das in der Wirtschaft herrschende sogenannte Knappheitsparadigma als Ideologie bezeichnen. Marxisten deuten es als den ständigen Zwang des Kapitals, sich selbst zu vermehren. Allerdings war – und manchmal gilt das sicher auch heute noch – das Knappheitserleben zunächst durchaus etwas Positives. Not macht erfinderisch, vermeldet ein Sprichwort. In der Psychologie spricht die Transaktionsanalytikerin Fanita English von einem Überlebenstrieb, den Menschen zuerst und meist mit archaischen Reaktionen bedienen, ehe sie vom Gestaltungstrieb geleitet werden (English 2004), der sicher ganz andere Lösungen produzieren kann. In lebensbedrohlichen Situationen schalten Menschen auf den »survival mode« (Überlebensmodus) (Brom 2014). Erlebte Knappheit scheint in den Menschen sehr tief verankert zu sein, weshalb man von einem Paradigma sprechen kann. So muss es heute bei der Knappheit nicht immer um Materielles gehen. Oft ist aber eine vermeintliche, »gefühlte« Knappheit ausschlaggebend, um so zu reagieren, als ginge es ums Überleben.

Dies soll nicht bedeuten, dass alle im Wohlstand leben, aber das Knappheitsempfinden hält von der Bereitschaft zu gerechter Verteilung ab. In der Verhaltensökonomie vielfach nachgewiesen ist der sogenannte Besitztumseffekt (Endowment-Effect). Er besagt, dass niemand einen einmal erreichten Besitz, egal auf welchem Niveau, wieder aufgegeben will. Der Besitztumseffekt bedeutet, dass es uns Angst macht, wenn wir etwas verlieren. Studien in der Verhaltensökonomie haben gezeigt: Die emotionale Reaktion zum Verlust von 1000 Euro ist bedeutend stärker als die zum Gewinn von 1000 Euro. Entsprechend leiden betuchtere Leute unter diesem Effekt sogar relativ mehr als arme. Der Besitztumseffekt wirkt rein psychologisch, unabhängig vom tatsächlichen Vermögen. Das gelebte Knappheitsparadigma des »Es ist nie genug« ist eher ein Gewohnheitsmuster als eine reale Erfahrung, geschweige denn eine Notwendigkeit. Aber auch in einer Wohlstandsgesellschaft wird der Besitztumseffekt nun zum Thema, wenn etwa aufgrund der Klimaveränderungen notwendige Einschränkungen auf die Menschen zukommen.

Als Fazit lässt sich zum Knappheitserleben sagen, dass über seine Wirkung mehr Bewusstheit entstehen und dass es relativiert werden muss. Es gilt, wirkliche Knappheit von psychologisch verursachter zu unterscheiden.

Ein weiterer Aspekt kommt noch hinzu: Ökonomie verbinden die meisten Menschen auch mit Finanzgrößen wie Gewinn und Rendite. Schaut man in die europäischen Verfassungen, so ist der eigentliche Zweck des Wirtschaftens aber nicht der Gewinn. Der Österreicher Christian Felber weist darauf hin (Felber 2009), dass in diesen grundsätzlichen Regelwerken der Menschen durchaus von einem anderen Ziel des Wirtschaftens die Rede ist, nämlich vom Gemeinwohl. Finanzielle Kriterien und Gewinnorientierung sind nur die Mittel. In der Verfassung des Freistaates Bayern, Art 151,1 steht beispielsweise: »Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.«

In der Realität sind viele Entscheider allerdings im Knappheitsparadigma gefangen. Sie huldigen einer angeblich notwendigen Wachstumsideologie. Diese trägt dann heute oft sportliche Züge, die auf der finanziellen Ebene in Wettläufen zu EBIT, EBITDA, Gewinn je Aktie und Return of Investment gipfeln. Eine ganze Industrie von Analysten, Maklern und mit diesen verbundenen Medien unterstützt diese Denkweise.

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