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Die Entwicklungsgeschichte der Natur als definiertes Forschungsziel

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Das Entwicklungsdenken hatte in der Mitte des 18. Jahrhunderts nahezu alle Bereiche erfasst – vom Kosmos bis zum menschlichen Verstand. Auch letzterer konnte nicht von einem Moment zum anderen entstanden sein. Ihn zu schulen und zu entwickeln, war schließlich ein wesentliches Element der Aufklärung. Der Gedanke, dass die vollständige Umsetzung einer „Entwicklungsgeschichte der Natur“ erst dann vollständig gelungen sein kann, wenn auch die Entwicklungsgeschichte des Lebens integriert ist, wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich. Immanuel Kant hat dieses Ziel im Jahr 1777 in der ihm eigentümlichen Weise ausgesprochen:

Wir nehmen die Benennungen Naturbeschreibung und Naturgeschichte gemeiniglich in einerlei Sinne. – Allein es ist klar: dass die Kenntnis der Naturdinge, wie sie jetzt sind, immer noch die Erkenntnis von demjenigen wünschen lassen, was sie ehedem gewesen sind und durch welche Reihe von Veränderungen sie durchgegangen, um an jedem Orte in ihrem gegenwärtigen Zustand zu gelangen. Die Naturgeschichte, woran es uns fast noch gänzlich fehlt, würde uns die Veränderung der Erdgestalt, ingleichen die der Erdgeschöpfe (Pflanzen und Tiere), die sie durch natürliche Wandrungen erlitten haben, und ihre daraus entsprungene Abartungen von dem Urbilde der Stammgattungen lehren […]

Man muß, so sehr man auch und zwar mit Recht der Frechheit der Meinungen feind ist, eine G e s c h i c h t e der Natur wagen, welche eine abgesonderte Wissenschaft ist, die wohl nach und nach von Meinungen zu Einsichten fortrücken könnte.20

Dennoch hat es noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gedauert, bis Alfred Russel Wallace und Charles Darwin ein hinreichend gut begründetes Konzept zur natürlichen Entwicklungsgeschichte des Lebens vorlegen konnten. Dieser lange Weg ist deshalb bemerkenswert, weil das Sammeln von Fossilien schon im 17. Jahrhundert intensiv betrieben wurde. Doch Ziel dieser Sammlungstätigkeit war nicht gewesen, eine Entwicklungsgeschichte der Spezies zu erforschen. Bei der Bearbeitung der Fossilien standen nicht zeitlich-entwicklungsgeschichtliche, sondern systematische, traditionelle „naturhistorische“ Fragen im Vordergrund.

So bedurfte es erst der verlässlichen Einsicht, dass sich das Spektrum der Organismen im Laufe der Erdgeschichte tatsächlich verändert hat. Und dies ist erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts deutlich geworden. Die Frage nach einer natürlichen Entwicklung der Spezies hat somit nicht Jahrhunderte, sondern nur Jahrzehnte im Raum gestanden.

Kants Forderung nach einer konsequenten Entwicklungsgeschichte der Natur dürfen wir daher nicht so interpretieren, als ob er eine Evolution im Sinne einer völligen Wandlung der Spezies im Auge hatte. Die „Abänderungen“ von „Urbildern“ als Reaktion auf Veränderung der Umweltverhältnisse war im 18. Jahrhundert ein weit verbreiteter Gedanke. Dass es möglich sein würde, die Entstehung des Lebens, wie die Entwicklung aller Lebensformen in allen ihren Verzweigungen als eine natürliche Entwicklungsgeschichte zu schreiben, hätte Kant nicht zu träumen gewagt, oder noch wahrscheinlicher, die Idee zu diesem Traum hätte er nicht einmal gehabt.

Die geologische Revolution

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