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Zwei deutsche Staaten im Ost-West-Konflikt

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Von Beginn an spielte sich der Ost-West-Konflikt nicht nur in Europa ab. Allerdings war Europa der Ort, wo der Konflikt als direkte Konfrontation seine schärfste Zuspitzung erfuhr und wo sein Ende eingeleitet und herbeigeführt wurde. In Europa wiederum war es die deutsche Frage, die den Kern dieses Konflikts ausmachte. Die Errichtung von Besatzungszonen nach Kriegsende und die Gründung zweier deutscher Staaten 1949 mit gegensätzlicher politisch-gesellschaftlicher Ordnung und internationaler Ausrichtung auf einem gegenüber dem Deutschen Reich deutlich verkleinerten Territorium brachten zweierlei zum Ausdruck: zum einen das Bedürfnis nach Sicherheit vor Deutschland, zum anderen die Unfähigkeit der für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Siegermächte, einen Zustand gemeinsamer Sicherheit herzustellen. Die Herausforderung für die deutsche Nachkriegspolitik bestand in der Notwendigkeit, dem Ost und West gemeinsamen Interesse an einer Kontrolle Deutschlands gerecht zu werden und zugleich das Ziel im Blick zu behalten, als eigenständiger Akteur in die internationale Politik zurückzukehren. Letzteres hing davon ab, ob auch Sicherheit mit Deutschland wieder denkbar wurde. Unter den Bedingungen des Kalten Kriegs waren beide deutsche Staaten unverzichtbare Bastionen in der jeweiligen Bündnisstrategie. Die DDR war zu strikter Ausrichtung auf die Sowjetunion verpflichtet, wenngleich Moskau die Wünsche der DDR-Führung nicht selbstherrlich ignorieren konnte. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs stieg die Bundesrepublik allmählich Schritt für Schritt zu einer Mitgestalterin westlicher Sicherheitspolitik auf. Darüber hinaus wuchs sie in eine gesamteuropäische Schlüsselrolle hinein. Denn von ihr hing es ab, ob Sicherheit mit Deutschland auf die Ost-West-Beziehungen ausgeweitet werden konnte. Während Adenauer um Vertrauen im Westen gerungen hatte, bemühten sich seine Nachfolger mit unterschiedlicher Intensität, die bestehenden Kontakte zur Sowjetunion zu verbessern und die reflexartige Diskreditierung der Bundesrepublik als revanchistischer Feindstaat aufzuweichen. Die im Dezember 1966 gebildete Regierung der Großen Koalition wünschte unter ausdrücklicher Einbeziehung des Warschauer Pakts Beziehungen mit „allen Völkern“, „die auf Verständigung, auf gegenseitiges Vertrauen und auf den Willen zur Zusammenarbeit gegründet sind“.32 Dieses Angebot, Sicherheit mit Deutschland zu konzipieren, nahm in der Ära Brandt konkrete Gestalt an, als die Bundesrepublik und die Sowjetunion sich 1970 im Moskauer Vertrag wechselseitig zum Verzicht auf die Androhung und Anwendung von Gewalt verpflichteten. Damit war in aller Form ein entspannungspolitisches Projekt aus der Taufe gehoben, das zwar von den Vorstellungen eines europäischen Sicherheitssystems noch weit entfernt, aber durchaus geeignet war, die Bundesrepublik aus dem Schatten sowohl des Zweiten Weltkriegs als auch des Kalten Kriegs herauszuführen.

Durch den Eisernen Vorhang

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