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KOMMUNIKATION UND REALITÄTSBEREITSCHAFT

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Die Ära Brandt war reich an spektakulären Ereignissen, welche die Rolle der Bundesrepublik im Ost-West-Konflikt und auch den Konflikt selbst veränderten. Genannt seien hier nur das erste Gipfeltreffen zwischen einem westdeutschen und einem ostdeutschen Regierungschef, das Bundeskanzler Brandt und den Vorsitzenden des Ministerrats der DDR Stoph im März 1970 in Erfurt zusammenführte; oder die Verträge mit der Sowjetunion und Polen, die Brandt im August in Moskau und im Dezember 1970 in Warschau unterschrieb; oder das Spitzentreffen zwischen Brandt und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Breschnew im September 1971, nachdem das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin unterzeichnet worden war. Damit setzte Brandt Meilensteine auf dem holprigen Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Pakts, wohl wissend, dass all dies ohne den entspannungspolitischen Vorlauf in den 1960er-Jahren nicht möglich gewesen wäre. Es war ein Jahrzehnt des Übergangs und des vorsichtigen Wandels. Die Erinnerung an die gefährliche Zuspitzung des Ost-West-Konflikts zwischen 1958 und 1962 in Berlin und in der Karibik verblasste zwar nur langsam, aber neue Erfahrungen trugen dazu bei, vorhandene Ängste einzudämmen.

Die USA und die Sowjetunion vereinbarten erste Maßnahmen zur Vertrauensbildung und zur friedlichen Regelung von Konflikten. Auch in Europa mehrten sich Stimmen, die eine neue Tonlage in die ostwestlichen Auseinandersetzungen einführten. Sie traten neben die herkömmliche Darstellung, in der die Teilung der Welt infolge der wechselseitigen Bedrohung als Dauerzustand erschien. Wäre es stattdessen nicht denkbar, aufeinander zuzugehen und Kontakte zu entwickeln? Sich auf die Suche nach gemeinsamen Interessen zu machen? Zu prüfen, ob an die Stelle der feindlichen Konfrontation Formen der Kommunikation treten könnten? Wer solche Fragen stellte, der war davon überzeugt, dass sich die Weltpolitik im Übergang vom Kalten Krieg zur Entspannung befand. Mehr noch: dass der Kalte Krieg als Extremform des Ost-West-Konflikts bereits Geschichte war. Einen der deutlichsten Akzente setzte der französische Staatspräsident Charles de Gaulle. Er hielt sich Ende Juni 1966 für zehn Tage in der Sowjetunion auf und sprach sich abschließend für eine Politik der Entspannung aus. Aus seiner Sicht war der Kalte Krieg vorbei.1 Auch sprachlich verlieh er dieser Einschätzung Ausdruck, indem er lieber von Russland redete und nicht von der kommunistisch regierten Sowjetunion. Russland habe sich „verändert“, ließ er Außenminister Brandt wissen. Das Land sei im eigenen Interesse geradezu gezwungen, sich zu verändern. Vor allem: Es sei „friedlich, wenn auch auf seine Weise“, und plane keinen Angriffskrieg.2

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