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Der Kalte Krieg als Phase im Ost-West-Konflikt

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Seitdem wird mit dem Terminus Kalter Krieg meist ein Abschnitt der Weltgeschichte bezeichnet, der die Jahrzehnte vom Zerfall des Weltkriegsbündnisses bis zur Auflösung des sowjetischen Imperiums umfasst. Auf den folgenden Seiten wird hingegen argumentiert, dass der Kalte Krieg im engeren Sinne mit der Bewältigung der Berlin- und Kubakrise 1962/63 auslief und nach einer Übergangsphase der Durchbruch zur Ost-West-Entspannung während der Ära Brandt erfolgte. Damit wird jene Begriffsverwirrung vermieden, die entsteht, wenn von mehreren angeblichen Kalten Kriegen über einen längeren Zeitraum die Rede ist, der ebenfalls Kalter Krieg genannt wird.5 Die Phase zwischen dem Ende des „ersten“ und dem Beginn des „zweiten“ Kalten Kriegs firmiert in dieser Lesart international als Détente und im Deutschen als Entspannung, die zur Zwischenphase im „kalten Weltkrieg“6 oder auch zum „middle cold war“7 wird. Demgegenüber meint Kalter Krieg im Folgenden den Grad der Ost-West-Konfrontation, der die „langen“ 1950er-Jahre (1946/47–1962) bestimmte. Diese Phase der Auseinandersetzung war geprägt von feindlicher Konfrontation und aggressiver Propaganda, unkontrolliertem Wettrüsten und Allianzbildung mit Blockdisziplin unter Führung der Supermächte. Sie kannte aber nicht nur den äußeren, sondern auch den inneren Feind, der eine rigide gesellschaftliche Formierung unter dem Vorzeichen von Feindbildern und vermeintlichen Bedrohungen zwingend geboten erscheinen ließ.

Nach dem Abflauen der Krise um Berlin und Kuba erfuhr der Ost-West-Konflikt nie mehr eine derart umfassende Verdichtung. Die nun zögernd und schrittweise einsetzende Politik der Entspannung war – wie die Politik des Kalten Kriegs auch – eine Form des Konfliktaustrags. Es ging um die Deeskalation des Ost-West-Konflikts und nicht um seine Beseitigung. Als Ausgangspunkt für Entspannung diente die wechselseitige Anerkennung von als legitim anerkannten Interessen auf der Basis des Status quo. Während sich die Sowjetunion in einer Übergangsphase von Chruschtschows Offensivdrang zu Breschnews Stabilitätspolitik befand, signalisierte der amerikanische Präsident Kennedy, man müsse sich „mit der Welt befassen, wie sie ist“, sprich: von der Realität der sowjetischen Supermacht und ihres Imperiums ausgehen, das bis nach Mitteleuropa reichte und dessen Außengrenze mitten durch Deutschland verlief. Kennedy verurteilte den Kommunismus als „abstoßend“ und bezeichnete das Streben der Sowjetunion, anderen ihr System aufzuzwingen, als „Hauptgrund für die Spannungen in unserer heutigen Welt“. Er bescheinigte Moskau aber auch „Abscheu vor dem Krieg“ und empfahl, „unsere Einstellung zum Kalten Krieg“ zu überprüfen und damit aufzuhören, einen Konfliktausgleich mit der Sowjetunion als „unmöglich“ anzusehen.8

Sowohl in Washington als auch in Moskau wurde erkannt, dass der bloße Wunsch nach Friedenswahrung nicht ausreichte. Nötig waren darüber hinaus eigene Methoden und Instrumente der Konfliktkontrolle. Woran es zuvörderst mangelte, waren direkte Kontakte zwischen beiden Regierungszentralen. Zur Überwindung dieses Defizits empfahl Kennedy eine höhere Kommunikationsbereitschaft und verbesserte Kommunikationsbedingungen. Der Begriff Kommunikation wurde in den Bemühungen um Spannungsabbau zu einem Signalwort, das neben den älteren Schlüsselbegriff Containment trat. So wurde im Juni 1963 die Einrichtung einer direkten Nachrichtenverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml vereinbart. Um einen „heißen“ Krieg, wie er während der Kubakrise gedroht hatte, zu vermeiden, wurde ein „heißer Draht“ installiert, der in künftigen Krisensituationen ein angemessenes Krisenmanagement durch direkte Kommunikation ermöglichen sollte. Schon im August 1963 kam es zu einer Einigung über die teilweise Beendigung der Kernwaffenversuche. Auch wenn diese Maßnahmen nichts am atomaren Rüstungswettlauf änderten, kam es in der Folge zu einer Serie von Verträgen zwischen Ost und West, die eine Überwindung des Denkens in den Kategorien des Kalten Kriegs einleiteten.

Durch den Eisernen Vorhang

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