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DIE ALTE GESCHICHTE: KLEIN, MACHTLOS UND UNBEDEUTEND
ОглавлениеWährend der letzten anderthalb Jahrhunderte waren wir in eine kosmische Geschichte versunken, die uns mit dem Gefühl allein ließ, wir wären wenig mehr als Staubkörner im Universum oder eine biologische Randerscheinung im umfassenden Programm des Lebens. Carl Sagan beschrieb dieses Denkmuster ausgezeichnet, als er die wissenschaftliche Auffassung bezüglich unserer Stellung im Kosmos kommentierte: »Wir meinen auf einem unbedeutenden Planeten eines langweiligen Sterns zu leben, verloren in einer Galaxis, die in einer vergessenen Ecke eines Universums versteckt ist, in dem es weit mehr Galaxien als Menschen gibt.«13
Diese Art von Engstirnigkeit, wie sie von der wissenschaftlichen Gemeinschaft gefördert wird, hat uns zu dem Glauben geführt, wir wären mit Blick auf das Leben im Allgemeinen vollkommen unbedeutend und folglich von der Welt, voneinander und schließlich auch von uns selbst getrennt.
Sogar Albert Einstein verlieh dieser Auffassung von unserer Bedeutungslosigkeit Ausdruck, als er beim Aufkommen der Quantenmechanik über den Wahrheitsgehalt der Beweise dafür nachdachte, dass alles auf tiefster Ebene miteinander verbunden ist. Einstein konnte die Tatsache dieser Verbundenheit nicht akzeptieren. Er ließ keinen Zweifel an der Bedeutung, die er den neuen Ideen der Quantenmechanik für die Wissenschaft beimaß: »Wenn die Quantentheorie recht hat, bedeutet sie das Ende der Physik als Wissenschaft.«14 Seine Überzeugungen erlaubten ihm nicht, die Möglichkeit anzuerkennen, dass wir in einer Welt leben, in der alles und jeder so innig verbunden ist.
Einer der Gründe für Einsteins Widerstand gegen die Ideen der neuen Physik lag darin, dass ein Leben in einer Welt von Quantenbeziehungen unsere Fähigkeit impliziert, alles, was in unserem Leben geschieht, zu beeinflussen, sodass wir mit unserer Verantwortung für die Folgen unseres Tuns konfrontiert werden. Letztlich war es Einsteins feste Überzeugung, in einer Welt zu leben, in der die Dinge nicht miteinander verbunden sind, die ihn von der Erfüllung seines Lebenstraums abhielt. Er glaubte leidenschaftlich daran, dass ihn seine Forschung eines Tages zur Entdeckung einer wissenschaftlichen Wahrheit führen würde, durch die alle Naturgesetze verbunden wären, einer »Theorie von allem«. Leider starb Einstein 1955, ohne seinen trügerischen Traum erfüllt zu sehen.
Angesichts der von Einstein und Sagan hinterlassenen Vorstellungen von der menschlichen Bedeutungslosigkeit und Getrenntheit überrascht es nicht, dass wir uns oft hilflos fühlen, wenn in unserem Körper und in unserem Leben etwas geschieht. In einer Welt der Unverbundenheit wird uns beigebracht, dass Dinge einfach so geschehen, wann und wie auch immer. Ist es da ein Wunder, dass wir uns oft ohnmächtig fühlen, wenn wir sehen, wie schnell sich die Welt verändert – dermaßen schnell, dass viele Menschen sagen, sie »gerät aus den Fugen?«.
Charles Darwins Entwurf zur menschlichen Evolution aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bildete die Grundlage für die späteren, im frühen 20. Jahrhundert formulierten wissenschaftlichen Schlussfolgerungen hinsichtlich unserer Bedeutungslosigkeit. Die Evolutionslehre beruhte auf der Prämisse, dass wir das jüngste Ergebnis einer Folge zufälliger Ereignisse seien, die niemals beobachtet, bewiesen oder reproduziert werden konnten; und nach dieser Theorie verdanken wir die Tatsache, dass wir immer noch existieren, dem »Überleben des Stärksten«. Diese Theorie, dass wir unsere derzeitige Entwicklungsstufe durch Kampf erreicht haben, impliziert, dass wir hoffnungslos einem Leben von Wettstreit und Konflikt verhaftet sind. Auf kultureller Ebene ist diese Idee in einem solchen Maße akzeptiert, dass viele Menschen glauben, Gewalt wäre das beste Mittel, um etwas am Arbeitsplatz und in der Gemeinschaft der Nationen zu erreichen.
Bewusst und zeitweise auch auf unbewusster Ebene spielt dieser Glauben an Kampf und Streit an jedem Tag unseres Lebens eine Rolle. Und häufig geschieht dies auf überraschende, unerwartete Weise. Wenn wir beispielsweise das Gefühl haben, dass jemand, der uns in intimster Hinsicht ausgezeichnet kennt, unseren »wunden Punkt« getroffen hat, kann selbst der spirituellste Mensch, weil er sich in diesem Moment schützen will, um sich schlagen und ausfallend werden. Der Grund dafür liegt auf der Hand.
Vom Augenblick unserer Geburt an – und auch schon davor, wenn wir uns noch im Mutterleib befinden – lernen wir, die Welt anhand der Gedanken und Gefühle unserer Betreuer zu verstehen und zu bewältigen. Dem Tonfall der mütterlichen Stimme entnehmen wir beispielsweise, wann die Welt sicher ist und wann nicht. Ebenso lernen wir, die Substanzen, die bei Stress und Glück unseren Körper durchfluten, mit den Stimmen, Geräuschen und Erfahrungen zu verknüpfen, die zur Ausschüttung dieser Stoffe führt.
Wenn wir nicht das Glück haben, in einer gesunden Familie mit stabilen Bezugspersonen aufzuwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass unser Umgang mit der Welt auf einer falschen Konditionierung beruht, herbeigeführt von unseren Bezugspersonen in jungen Jahren. Und es sind eben diese Verhaltensmuster anderer Menschen, manchmal Generationen alt, die auch zu unseren Mustern werden.
Fühlen wir uns als Erwachsene bedroht, tauchen dann genau die konditionierten Verhaltensmuster in unserem Geist wieder auf, die dieser für unser Überleben erforderlich hält. Beginnen die Muster zu wirken, speisen sie sich aus den tiefen Überzeugungen, die wir in unserem Unterbewusstsein »fest verschaltet« haben. Der Punkt ist dabei, dass diese Überzeugungen oft in den Geschichten und Erfahrungen anderer Leute verwurzelt sind.
Schlagen wir gewaltsam um uns, weil wir durch unsere Geschichten vom »Überleben des Stärksten« so konditioniert sind?
Oder reagieren wir zuversichtlich und ehrenhaft in dem tieferen Wissen um unsere Verbundenheit mit allem Leben, einschließlich der Menschen, die uns gerade wütend gemacht haben?
Um mich unmissverständlich auszudrücken: Ich will damit nicht andeuten, dass eine Reaktion richtig oder falsch, gut oder böse ist. Vielmehr sage ich, dass unsere Reaktionen nicht lügen. Unabhängig davon, was wir zu glauben meinen, ist die Art und Weise unserer Reaktion in solchen intimen Augenblicken ein beredtes Zeugnis dessen, was wir wirklich glauben. Entscheidend dabei ist, dass die Geschichten, die uns in den verletzlichsten und empfänglichsten Jahren der Kindheit erzählt wurden, unsere am tiefsten verankerten Überzeugungen prägen. Und hier setzt auch die Geschichte von unserem Ursprung an.