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III

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Welches ist nun jene Gerechtigkeit, die alle erreichen können und nach welcher das Verlangen aller geht, die auf den Tisch des Evangeliums blicken, reich oder arm, Diener oder Herr, frei oder Sklave, so daß kein äußeres Verhältnis imstande ist, den Begriff der Gerechtigkeit zu erweitern oder zu verengern? Denn fände sich die Gerechtigkeit nur bei dem, der durch eine bestimmte Macht und Auszeichnung über andere hervorragt, wie wäre dann Lazarus gerecht, der vor der Türe des Reichen hingestreckt lag, er, der keine Unterlage für die vorher dargelegte Gerechtigkeit besaß! kein Amt, keine Macht, kein Haus, keinen Tisch oder sonst eine Ausstattung im Leben, vermöge deren man jene Gerechtigkeit betätigen kann. Wenn nämlich die Gerechtigkeit nur im Befehlen, im Verteilen oder überhaupt in einer ordnenden Tätigkeit möglich ist, so ist einer, der an jenen Lebensstellungen keinen Anteil hat, von der Gerechtigkeit ganz ausgeschlossen. Mit welchem Rechte könnte also der noch einer Erquickung oder Belohnung für würdig erachtet werden, wer nichts von dem hat oder tut, was nach der Ansicht vieler zum Begriff der Gerechtigkeit gehört? Wir müssen daher jene wahre Gerechtigkeit erst suchen, deren Lohn nach der Verheißung jedem zuteil wird, der nach ihr verlangt; heißt es ja doch: „Selig, die nach der Gerechtigkeit hungern; denn sie werden gesättigt werden.“

Da sich uns Vieles und Mannigfaltiges zum Genusse darbietet, worauf sich das Verlangen der Seele richten kann, so brauchen wir einen hohen Grad von Einsicht, um das Nahrhafte vom Schädlichen zu unterscheiden, damit nicht eine Speise, welche die Seele als kräftigende Nahrung aufzunehmen glaubt, in uns Verderben und Tod statt des Lebens bewirkt. Da ist es vielleicht nicht unpassend, durch die Untersuchung einer anderen Stelle im Evangelium den Sinn unserer Seligpreisung aufzuhellen. Der uns in allem gleich geworden ist außer der Sünde und an denselben Bedürfnissen wie wir seinen Anteil nahm, wies das Gefühl des Hungers nicht ab, als es ihn befiel, sondern unterwarf sich dem natürlichen Trieb des Verlangens nach Nahrung. Denn nachdem er vierzig Tage gefastet hatte, hungerte ihn zuletzt, als es ihm gefiel, der Natur zu erlauben, daß sie auch an ihm ihre Kraft äußere. Als nun der Urheber aller Versuchungen wahrnahm, daß die Empfindung des Hungers auch in ihm sich rege, riet er ihm, sein Verlangen mit Steinen zu befriedigen, wodurch aber das Begehren von der natürlichen Nahrung auf die unnatürliche gelenkt wurde. Er sprach nämlich zum Herrn: „Sprich, daß diese Steine zu Brot werden!“ Was hat der Ackerbau verbrochen? Warum verabscheut der Widersacher den Samen und die daraus gewonnene Nahrung? Weshalb verachtet er die Weisheit des Schöpfers, ob sie nicht in entsprechender Weise das Menschengeschlecht ernähre? Denn wenn auf einmal die Steine geeigneter zur menschlichen Nahrung erscheinen, dann hat die göttliche Weisheit nicht die nötige Vorsorge für das menschliche Leben getroffen. „Befiehl, daß diese Steine Brot werden!“ So spricht der Satan bis zur Stunde zu allen, denen er durch ihre Begierlichkeit Versuchungen bereitet, und er will sie dadurch überreden, auf sein Geheiß hin sich aus Steinen ihr Brot zu bereiten.

Denn wer seine Begierde über die vom Bedürfnis gezogenen Grenzen hinausschreiten läßt, befolgt den Rat des Teufels, der immer aufs neue die aus der Saat gewonnene natürliche Nahrung verwirft und in den Seelen ein Verlangen nach Unnatürlichem weckt. Von Steinen essen in gewissem Sinne diejenigen, welche sich das Brot der Habsucht vorsetzen lassen, ebenso jene, die sich kostspielige schwelgerische Mahlzeiten durch Werke der Ungerechtigkeit bereiten, desgleichen auch alle, bei welchen die Zubereitung der Tafel nicht nach Maßgabe des Notwendigen erfolgt und nur darauf berechnet ist, möglichst prunkvoll zu sein und das Staunen der Gäste zu erregen. Denn was hat der ungenießbare Stoff des Silbers, der in schwerer, kaum zu tragender Last vorgesetzt wird, mit dem Bedürfnisse der Natur gemein? Was ist denn die Empfindung des Hungers? Nicht etwa das Verlangen nach dem, was unserem Leibe mangelt? Denn wenn die leibliche Kraft verbraucht ist, wird der hierdurch hervorgerufene Mangel durch einen entsprechenden Ersatz ergänzt; Brot ist es also oder sonst etwas Eßbares, wonach die Natur beim Hunger verlangt. Wird diesem Verlangen aber abgeholfen, wenn Gold statt Brot zum Munde geführt wird? Wenn einer auf ungenießbare Stoffe ausgeht, statt auf genießbare, so bemüht er sich um Steine, da die Natur etwas anderes verlangt, als worauf er seine Sorgfalt verwendet. Fast mit lauter Stimme sagt die Natur durch die Empfindung des Hungers, daß sie jetzt Speise bedürfe, weil sie die verflüchtigte Kraft dem Körper wiederersetzen müsse. Du aber hörst nicht auf die Natur; denn du gibst ihr nicht, was sie sucht, sondern bist besorgt, daß dir eine schwere Last Silber auf dem Tisch liege; du siehst dich um Bearbeiter des Metalls um und entwickelst wegen der Fertigung der Bilder, die in das Metall einziseliert werden, eine emsige Tätigkeit, darauf bedacht, daß durch die Arbeit des Künstlers die Leidenschaften und Gemütsstimmungen scharf ausgeprägt werden, daß man genau erkenne den Zorn des Schwerbewaffneten, wenn er mit dem Schwerte zum tödlichen Schlage ausholt, und den Schmerz des Verwundeten, wenn er sich in seinem Blute krümmt und schmerzlich stöhnt, was in seiner ganzen Haltung zum Ausdruck kommen soll. Völlig naturgetreu soll in der Darstellung auch hervortreten die Erregtheit des Jägers, die Wildheit des Tieres, sowie alles andere, was sonst noch die eitlen Toren in ihrer Geschäftigkeit an den für ihren Tisch bestimmten Metallen und Stoffen durch künstlerische Arbeiten darstellen wollen. Zu trinken begehrt die Natur, du aber lässest kostspielige Dreifüße bereiten, Waschbecken, Mischkrüge, Henkelkrüge und unzählig anderes, was mit der Befriedigung des Bedürfnisses nichts zu tun hat. Gehorchst du da in einem derartigen Tun nicht offenbar dem, der in dich dringt, deinen Blick auf Steine zu richten? Wozu soll ich noch die übrigen Arten von solcher Steinliebhaberei durchgehen? Dazu wären noch z. B. zu rechnen schändliche Schaustellungen, aufregende Musikaufführungen und Deklamationen, wodurch man den Weg zu einer ganzen Reihe von Sünden betritt und den Begierden zur Ausschweifung neue Nahrung zuführt. Das ist der Rat des Widersachers in bezug auf die Nahrung; dies beabsichtigt er, wenn er unseren Blick auf die Steine lenken will statt auf den der Natur entsprechenden Brotgenuß.

Essentielle Schriften, Band 2

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