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IV

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Doch der Überwinder der Versuchungen verbannte nicht den Hunger aus der Natur, als wäre er eine Ursache von Sünden, sondern er wies nur die übertriebene Sorge, die sich nach dem Rate des Widersachers zum unabweisbaren Bedürfnis gesellen sollte, von sich, und gestattete, daß die Natur innerhalb der von ihr gezogenen Grenzen ihren Haushalt decke. Wie nämlich jene, die den Wein wegen der ihm anhaftenden Unreinigkeit abseihen, durchaus nicht seinen Nutzen übersehen, sondern nur das Schädliche mit Hilfe des Seihers ausscheiden und dann den so geläuterten Wein recht gerne gebrauchen, so hat das ewige Wort, welches das der Natur Fremdartige wohl zu erkennen und von ihr genau zu scheiden weiß, in seiner gründlichen und treffenden Darlegung den Hunger, weil er die Aufgabe hat, bei der Erhaltung des Lebens mitzuwirken, nicht verworfen, wohl aber die übergroßen Sorgen, die sich leicht in das Bedürfnis einmischen, gleichsam durchgeseiht und ausgeschieden, indem es verkündete, wahrhaft nährendes Brot kenne jener, der sich nach der Anleitung des Wortes Gottes in das rechte Verhältnis zur Natur setzt.

Hat nun Jesus Hunger empfunden, so ist jener Hunger wohl seligzupreisen, der in uns so wirkt, wie in ihm selbst. Wenn wir also erkennen, wonach den Herrn hungert, so haben wir auch den Sinn unserer Seligpreisung gefunden. Welche Speise ist es also, nach welcher zu verlangen Jesus nicht unter seiner Würde erachtet? Er sagte es selbst, als er nach der Unterredung mit der Samariterin zu seinen Jüngern sprach: „Meine Speise ist es, den Willen meines Vaters zu tun“ (Joh. 4, 34). Und den Willen seines Vaters kennen wir genau durch den Apostel: „Er will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim. 2, 4). Wenn also der Vater will, daß wir gerettet werden und unser Heil die Speise Jesu ist, so unterliegt es auch keinem Zweifel mehr, nach welchem Gegenstand wir den Hunger unserer Seele zu lenken haben: lasset uns hungern nach unserem Heile! lasset uns dürsten nach dem göttlichen Willen, der dahin geht, daß wir gerettet werden! Wie wir nun diesen Hunger in uns hervorrufen sollen, haben wir jetzt durch die Seligpreisung kennengelernt; wer sich nämlich nach der Gerechtigkeit Gottes sehnt, hat entdeckt, was wahrhaft begehrenswert ist.

Die Sehnsucht darnach will aber Jesus nicht nur nach der einen der beiden Seiten stillen, nach welchen der Appetit in uns sich betätigt. Denn die Teilnahme an der Gerechtigkeit hat er nicht bloß wie eine Speise verlangt; alsdann würde ja das Verlangen, wenn es nur auf die Aufnahme von Nahrung abzielte, nur zur Hälfte befriedigt. Tatsächlich hat er jenes hohe Gut der Gerechtigkeit auch als Trank hingestellt, um das heiße, ja flammende Begehren unserer Seele nach demselben mit dem Bilde vom Durste zu bezeichnen. Da uns der Durst gewissermaßen ganz trocken und glühend macht, so nehmen wir den Trank als ein Heilmittel gegen diesen Zustand mit einem Wonnegefühl zu uns. Weil nun das Verlangen nach Speise und Trank der Art nach gleich, der Zustand aber, der beiden zugrunde liegt, verschieden ist, so preist das ewige Wort, um uns die höchste Begierde nach dem Guten zur Aufgabe zu machen, diejenigen selig, die beide Empfindungen, Hunger und Durst, hinsichtlich der Gerechtigkeit haben, da der Gegenstand des Sehnens dergestalt ist, daß er beiden Trieben zu entsprechen vermag: feste Nahrung zu werden für die Hungernden und ein Trank für alle, welche dürstend die Gnade an sich ziehen möchten. Daher heißt es: „Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden!“

Essentielle Schriften, Band 2

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