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1 Charakteristika und Erkennungsmerkmale
ОглавлениеDas Auffälligste am unverkennbaren und attraktiven Habitus alter Robinien ist ihr bizarrer Zickzack-Wuchs (Abbildung 1). Zudem sind die Kronen häufig schirmartig ausgebreitet.
Abbildung 1: Bizzarer Wuchs einer alten Robinie mit Zickzack-Wuchs von Stämmlingen
Die Zweige weisen markante Dornen auf. Diese stehen immer beidseitig des Blattstieles bzw. der Seitentriebe und zeigen so an, dass es sich um umgewandelte Nebenblätter handelt, die dem Schutz vor Verbiss dienen. Ihre Länge von bis zu 5 cm kann an Kindergärten und in Grünanlagen sowie bei Baumpflegemaßnahmen ein Problem sein.
Knospen sucht man bei dieser Baumart vergeblich, denn diese sind unsichtbar unter der Rinde verborgen und brechen erst beim Austreiben aus ihr dort hervor, wo sich zuvor die Blattstiel-Ansatzstelle (Blattnarbe) befand. Das ist einmalig unter den hierzulande häufigen Baumarten. Robinien treiben erst spät aus, oft Anfang Mai, und sind zusammen mit der Esche die letzten Bäume. Dies liegt an ihrem ringporigen Holz, da sie im Frühjahr zunächst einen neuen Jahrring entwickeln müssen, bevor die neuen Blätter mit Wasser versorgt werden können.
Junge Robinien können einen Jahreshöhenzuwachs von über einem Meter erreichen, zeigen also im Freistand und bei guter Wasserversorgung sehr schnelles Wachstum. Robinien gehören damit zu den schnellwachsenden Baumarten, die deshalb auch in Schnellwuchs-Plantagen angepflanzt werden. In der Jugend erfolgt das Wachstum frei (der Trieblängenzuwachs hält bis zum Spätsommer an), im Alter ist es gebunden (Beendigung vier bis sechs Wochen nach Austrieb).
Der oft schiefe oder gebogene Stamm macht die Bäume ästhetisch attraktiv (Abbildung 2). Er ist meist kein Anzeichen für eine mangelnde Stand- oder Bruchsicherheit, da der einzelne Baum daran angepasst ist und sich mit dem Schiefstand allmählich entwickelt hat. Die Rinde wird zu einer tiefrissigen Netzborke mit ausgeprägten Furchen und Rippen sowie oft beeindruckenden Maserknollen. Zudem tritt nicht selten auffälliger Drehwuchs auf, den die Borkestrukturen widerspiegeln. Durch die eindrucksvolle Borke und den bizarren Wuchs wirken selbst jüngere Bäume oft schon viel älter.
Robinien können Stammumfänge von 5 m (selten über 7 m) und Baumhöhen von 30 m erreichen, das Höchstalter beträgt 150 Jahre (selten bis über 300 Jahre). Gelegentlich vergreisen die Bäume sehr schnell. Die dicksten und ältesten Robinien wachsen in Ostdeutschland: Im Schlosshof von Strehla (Sachsen, Stammumfang 6,55 m, Alter 320 Jahre, Abbildung 3) und im Branitzer Park von Cottbus (Brandenburg, Stammumfang 7,65 m, Alter 172 Jahre).
Die Blätter sind unpaarig gefiedert, d. h. sie haben ein Endfiederblättchen. Sie bestehen aus einem Stiel (der Spindel) und 11–19 Fiederblättchen und sind ökologisch als „Wegwerftriebe“ zu interpretieren, da sich der Baum wie auch bei Esche, Walnuss, Schnurbaum und Götterbaum im Herbst mit den Blattspindeln im Grunde der feinsten Verzweigungsordnung entledigt. Sehr spannend ist zu beobachten, wie sich die Blattstellung im Tagesverlauf eines Sommertages verändert: Nachts hängen die Fiederblättchen in „Schlafstellung“ herab, richten sich vor Sonnenaufgang parallel aus und falten sich bei Trockenstress tagsüber nach oben zusammen, um die Strahlungsfläche zur Sonne zu minimieren. Bei Regen entfalten sie sich dann wieder. Wenn man eine Robinie im Wohnumfeld kennt, ist es interessant, sich das mal zu verschiedenen Tageszeiten (und nachts) anzusehen. Wir haben es mehrmals bis zu 72 Stunden lang untersucht.
Es findet nur an einigen Fiederblättchen eine gelbe bis hellgrüne Herbstfärbung statt. Diese werden nach dem Blattfall kein Streitfaktor, da sie sehr klein sind und sich beim Eintrocknen einrollen.
Etwas ungewöhnlich ist die Einblatt-Robinie (Sorte ‘Unifoliola’): Erst durch die Dornen, Blüten oder Früchte erkennt man die Baumart. Die (einzigen) Endblättchen sind bis zu 15 cm lang.
Die zwittrigen weißen Blüten öffnen sich Ende Mai, wenn die meisten einheimischen Baumarten (u. a. Obstbäume) bereits verblüht sind (Abbildung 4). Sie hängen in reichblütigen langen Trauben aus den Kronen heraus, sind eine Augenweide und duften intensiv aromatisch, so dass man Robinien in dieser Zeit sehr gut am angenehmen Geruch erkennen kann. Die Zahl der Blüten an einem älteren Baum kann 1 Million erreichen, und es entsteht tagsüber eine eindrucksvolle Geräuschkulisse durch Bienen, welche die Bestäubung vornehmen. Bekannt ist der aromatisch schmeckende „Akazienhonig“ von Robinienblüten, für viele Imker ist die Baumart daher sogar ihr Lieblingsbaum. Da sie zu den Schmetterlingsblütlern gehört, weist die Einzelblüte vier Kronblätter mit Fahne, Flügeln und Schiffchen auf. Der Blütenfall nach dem Verblühen kann zu geringfügigen Belästigungen führen, da es sehr viele Blütenblätter sein können, aber diese trocknen dann schnell zu kleinen Krümeln ein.
Die Früchte sind Hülsen, sehen also bohnenähnlich aus und sind 5–10 cm lang, sie werden jedes Jahr in Massen produziert und sind ebenso wie die Blätter giftig.
Abbildung 2: Typischer Habitus einer blühenden alten Robinie mit schiefem Stamm und breiter Krone
Abbildung 3: Mit etwa 320 Jahren die vermutlich älteste Robinie Deutschlands mit markantem Stamm (BHU 6,55 m)
Abbildung 4: Ansicht eines Robinien-Waldrandes mit Blütenmeer Ende Mai
Abbildung 5: Wurzelbrut (links) einer Robinie (Mutterbaum rechts) aus oberflächennahen Wurzeln
Es entwickelt sich zunächst eine Pfahlwurzel, die selten bis zu 8 m tief in Felsspalten eindringen kann, ansonsten ein Herzwurzelsystem mit einer Tiefe bis zu 2 m. Bei entsprechenden Bodenverhältnissen (Felsen, Bodenverdichtung oder -vernässung) kann es auch zur Bildung eines Flachwurzelsystems und zu Bodenbelagshebungen durch oberflächennahe Wurzeln kommen. Aus solchen oberflächennahen Horizontalwurzeln wachsen zudem viele Schösslinge hervor, die sog. Wurzelbrut (Abbildung 5). Diese kann so intensiv werden, dass sich Robinien nur noch schwer vom Standort entfernen lassen. Man kann sie damit aber auch gezielt zur Böschungsbefestigung einsetzen. Die Robinie ist zudem sehr stockausschlagfreudig, allerdings nur bei vollem Lichtgenuss.
Sie gehört zur Familie der Schmetterlingsblütler („Leguminosen“), wie auch der Schnurbaum und die Gleditschie. Ihr zweiter deutscher Name Scheinakazie deutet auf Ähnlichkeiten zu den (sub)tropischen Akazien hin, was Fiederblätter, Früchte und Dornen betrifft.