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2.2.2 Personen mit Demenz und kognitiven Beeinträchtigungen im Akutkrankenhaus

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Laut der Robert Bosch Stiftung GmbH weisen knapp 20 % der Patientinnen und Patienten im Akutkrankenhaus über 65 Jahre eine Demenz und sogar 40 % eine kognitive Beeinträchtigung auf (Robert Bosch Stiftung 2016). Dabei handelt es sich keineswegs nur um Personen, die aufgrund ihrer kognitiven Beeinträchtigung stationär aufgenommen werden, sondern diese tritt häufig neben einer akuten Erkrankung (wie z. B. Frakturen, Infektionen, Neubildungen, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen) auf. Dass die organisatorischen Abläufe meist jedoch nicht auf die Situation älterer und/oder kognitiv eingeschränkter Patientinnen und Patienten ausgerichtet sind, ist bereits seit längerem ein Gegenstand in der pflegewissenschaftlichen Diskussion (vgl. z. B. Büter et al. 2017; Quack 2015; Kleina & Wingenfeld 2007). Ebenfalls hinlänglich bekannt ist, dass dadurch Risiken für unerwünschte Folgen wie Stürze, Malnutrition oder Dehydration steigen. Darüber hinaus kommt es bei den Betroffenen zu Lauftendenzen, Widerstand oder mangelnder Mitarbeit bei pflegerischen Handlungen/Operationsvorbereitungen, zu Verständigungsproblemen oder Fixierungen und damit verbundenem aggressivem Verhalten (vgl. z. B. Riedel et al. 2015).

Folgerichtig wird auch der Einsatz technischer Unterstützungssysteme für Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen (meist mit dem Fokus Demenz) seit einigen Jahren ebenfalls vermehrt in der wissenschaftlichen Diskussion und in Forschungsprojekten aufgegriffen. Allerdings bezieht sich die Auseinandersetzung bislang meist auf den Bereich der häuslichen Pflege und/oder die stationäre Langzeitpflege (vgl. exemplarisch Hergesell 2017; Weinberger & Decker 2015; Beer et al. 2015; Hülsken-Giesler & Krings 2015). Dieser Lücke nimmt sich das PPZ-Freiburg im Rahmen eines weiteren inhaltlichen Schwerpunkts an. Konkret werden dabei technische Möglichkeiten fokussiert, die (a) unterstützend in der Pflege von Personen mit Lauftendenz und/oder Bettausstiegstendenz sein können, wie z. B.

• Bettausstiegsinformationssysteme,

• Informationssysteme für das Betreten bzw. Verlassen bestimmter Bereiche oder

• Ortungssysteme.

Oder welche (b) einen Beitrag zur Betreuung, Aktivierung und Orientierungsgabe für Personen mit Demenz/kognitiven Beeinträchtigungen leisten können, wie z. B.

• (biographiebezogene) multimediale Techniken, wie Tablets, Monitore oder Projektionssysteme,

• Systeme, die einen Kontakt mit Angehörigen ermöglichen, z. B. Telepräsenzsysteme oder

• Systeme, die im Rahmen von Beschäftigungsangeboten eingesetzt werden können.

In vorbereitenden Workshops mit Pflegenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachdisziplinen, die teilweise auch über persönliche Erfahrungen zu Personen mit Demenz im Krankenhaus im familiären Umfeld verfügen, wurden erste Schritte unternommen, sowohl bedeutende Phänomene (begrifflich) zu fassen als auch besonders relevante Ansatzpunkte für technische Unterstützungssysteme zu identifizieren. In diesem Rahmen wurde insbesondere deutlich, dass eine Zuspitzung der Aktivitäten auf Personen mit Demenz im Krankenhaus zu kurz greift, da bei einer Vielzahl der betroffenen Personen eine Demenzdiagnose (noch) nicht vorliegt oder der kognitiven Beeinträchtigung andere Ursachen, wie z. B. neurologische und neurochirurgische Erkrankungen, zugrunde liegen. Des Weiteren zeigte sich, dass in vielen Fällen nicht (nur) das Phänomen der Lauftendenz bei Patientinnen und Patienten eine Belastung für die Pflegenden darstellt. Es geht oftmals darum, dass Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichen Gründen das Bett verlassen (möchten), sie dazu aber (a) physisch nicht in der Lage sind und/oder (b) ein unbegleitetes Aufstehen aus medizinischen Gründen nicht intendiert ist. Diese »dilemmatische« Situation zwischen der Selbstbestimmung Pflegebedürftiger und pflegerischem Versorgungsauftrag, zu dem auch der Schutz vor Gefährdungen zu zählen ist (vgl. exemplarisch Kotsch & Hitzler 2013), stellt für die Pflegenden häufig eine große Belastung dar. Darüber hinaus ist eine klare Trennung zwischen den beiden Schwerpunkten kaum möglich, denn es ist beispielsweise immer die Frage zu stellen, warum Personen die Tendenz entwickeln zu »laufen«. Dies können beispielsweise die Sorge um ein Haustier oder um Angehörige sein, Langeweile, Toilettendrang oder das Bedürfnis sich zu bewegen. Daher ist es durchaus plausibel zu erwarten, dass sich Angebote im Rahmen der Betreuung, Aktivierung und Orientierungsgabe auch positiv auf die Lauftendenz auswirken können. Umgekehrt sollte auch das mit technischer Unterstützung gewonnene Wissen um das Bewegungsverhalten von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen dazu führen, die individuelle Situation genauer in den Blick zu nehmen und entsprechende pflegerische Maßnahmen einzuleiten (vgl. zur ethischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Wandering und darauf ausgerichtete technische Systeme auch Moeller-Bruker et al.; Teil IV, Kap. 2).

Im PPZ-Freiburg werden Projekte vorbereitet, die sich diesen Problemstellungen widmen. In einem ersten Schritt soll eine Sensormatte getestet werden, die Pflegenden signalisiert, wenn eine Patientin oder ein Patient das Bett verlässt oder sich an die Bettkante setzt. Der Einsatz von Sensorsystemen wird, insbesondere unter dem Fokus der Sturzprophylaxe sowie der Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen, schon länger diskutiert (vgl. z. B. Capezuti et al. 2009; Hubbartt et al. 2011; White & Cuavers 2018; Klie 2006). Nach Cameron et al. (2018) ist es allerdings aufgrund einer nicht ausreichenden Studienlage nach wie vor als unsicher einzuschätzen, inwiefern solche Systeme Auswirkungen auf die Anzahl von Sturzereignissen im Krankenhaus haben.

Im Gegensatz zu Matten, die vor dem Bett positioniert werden, handelt es sich bei dem im PPZ-Freiburg fokussierten System (Actilog Basic S)11 um eines, das unter der Matratze positioniert und per Funkempfänger mit der Rufanlage verbunden wird. Das verspricht, dass das System diskreter eingesetzt werden kann und dass keine zusätzlichen »Stolperfallen« durch eine Matte auf dem Fußboden entstehen. Der Fokus im PPZ-Freiburg richtet sich primär auf den Nutzen im Pflegeprozess für Pflegende und für Patientinnen und Patienten aus Sicht der Pflegenden. Dies soll im Rahmen eines Projekts im Jahr 2020 auf unterschiedlichen Stationen im Universitätsklinikum Freiburg erforscht werden.

Daneben wird das Projektorsystem Qwiek.up12 in den Blick genommen. Qwiek.up ist ein bisher hauptsächlich in der Langzeitpflege und der Unterstützung von Menschen mit Behinderung eingesetzter, mobiler Tageslichtprojektor mit verschiedenen audiovisuellen Funktionen, welcher großflächige Projektionen an unterschiedliche Flächen, wie die Wand oder die Decke ermöglicht.

Mit Hilfe dieser Funktionen sollen Unruhe, Anspannung, herausfordernde Verhaltensweisen und Desorientierung, insbesondere bei Personen mit kognitiver Beeinträchtigung, reduziert und das Wohlbefinden gesteigert werden. Es steht eine Auswahl unterschiedlicher Module zur Verfügung, die entsprechend der Zielsetzung (z. B. Beruhigung oder Aktivierung der Patientin/des Patienten) ausgewählt werden können. Jedes Modul befindet sich auf einem separaten USB-Stick, welcher in das Gerät eingesteckt werden kann. Eine Zusatzoption bietet die Möglichkeit, USB-Sticks mit eigenen Video- oder Bilddateien zu bespielen, um individuelle Inhalte, welche z. B. von Angehörigen zur Verfügung gestellt werden, zu vermitteln (vgl. Qwiek 2019). Forschungsergebnisse zu Qwiek.up sind noch spärlich, allerdings gibt es ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen davon profitieren können (vgl. Brankaert & den Ouden 2017; Qwiek 2019). In einem Qualitäts- und Entwicklungsprojekt am Universitätsklinikum Freiburg ergaben sich ebenfalls Hinweise für ein hohes Potenzial des Systems (Walzer et al. 2019). Diese Ansätze werden


Abb. II.2.3: Projektorsystem Qwiek.up, Quelle: Qwiek

im Rahme einer Beobachtungsstudie ab dem zweiten Halbjahr 2020 aufgegriffen.

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