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Heft 18/1999 JÜRGEN ROTH Unkomischer Reporterfußball

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Nein, zu den notorischen Fehlleistungen unserer Fußballkommentatoren will ich mich nicht mehr recht äußern, es ist das Thema ein schon allzu fußlahmes, ausgereiztes und nervendes, weil endlos fortsetzbares und bald manieriertes. Aber – Rolf Töpperwiens am 28. September 1999 während des UEFA-Cup-Rückspiels Dingsbums Debrecen (Ungarn) gegen VW Wolfsburg hinterlassene Bemerkung: „Ihnen ist dieses Gegentor in die Kehle gefahren“, die möchte ich durchaus überliefern – als hals- und kehlenverschnürende, anstaltsverwahrungswürdige Entgleisung.

Endgültig passé die schönen Zeiten, da der Frankfurter Richard Kirn die kleinfeinhumoristische Anekdotensammlung Der lachende Fußball (Nürnberg 1942) publizierte und Eckhard Henscheid, Kirn parodierend und ehrend, 1990 die Sammlung Da lacht das runde Leder (Zürich) nachlegte. Der Fußball samt kulturellen Nebenleistungen ist kaputt.

Zum Beispiel versteigerte die sonst tadellose, Muzak-freie und mit guten bis sehr guten Reportern bestückte Sendung Heute im Stadion auf Bayern 1 – ihre Macher komplett von der Rolle, denn der eine Geldwertsoccer bestellte samstags, einst die heiligen Stunden der Neunpartienliga, lediglich den FC Bayern zum Spiel – am 2. Oktober 1990 ein unterschriftenübersätes FCB-Trikot zugunsten der, jetzt kommt man karitativ und moralisch, „internationalen Kampagne gegen Landminen“, für die sich, stammelte der Studiomoderator, „ja auch Lady Di eingesetzt hat“. Und ihr Leben spektakulärer hingab, als Maradona einen Freistoß zu verwandeln vermochte.

Fußball war mal komikfähig, heute ist er nur noch für blamablen Blödsinn zu gebrauchen und für nichts zu schade.

Wurstkönig Uli Hoeneß „engagiert sich“ (Bayern 1), spendet ein Stück Stoff (Startgebot 250 Mark) und liefert das „Showelement“, während das Journalistenpersonal am totalen Gekicke rund um die Woche irre und kirre wird. Die alles einrührenden und zusammenschmeißenden Eintopfkochköpfe vermelden dem Äther: „Und er hat die Kugel gerade noch über den einkopfbereiten Kopf befördert“ – es dürfte die durch Edgar Endres (Bayern 1) diagnostizierte „Kopfblockade“ sein, die den ehedem situationistischen Witz und unbeabsichtigten Uz der Livereportage nun zum Verschwinden bringt.

Sie scheinen samt und sonders überfordert, fertig. Die Mikrophonmänner akkommodieren sich offenbar dem Inflationsniveau des Kohleschaufelfußballs – keine Atempause, kein Innehalten, kein Sinnen und, vice versa, kein furioser Einsatz mehr, nur mehr Fließbandfernseh’, Fließbandfunk und Fließbandgefasel. Jeden Tag Topereignisse und bleierne Langeweile. Wäre ich einer der aktuell wichtig gehandelten Suhrkamp-Soziologen, ich schriebe wahrscheinlich glatt das Handke-formatige Besinnungspamphlet „Der fordistische Fußball – Folgen und Fährnisse“.

Doch bei Bewußtsein bleibt bloß: Es geht so nicht weiter. Der Spaß ist verflogen. Aus. Abpfiff.

Hinweis des Verlags: Auf Wunsch des Autors in der bis 1996 gültigen Rechtschreibung.

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