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STEFAN ERHARDT Nähere Betrachtungen des Fußballspiels

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Im Mai 1995 erschütterte ein schmales Druckwerk im DIN-A-5-Format die Magazinwelt. Drei Fußballliebhaber, in München vom Schicksal aufeinandergeworfen, hatten angesichts der unfreundlichen Übernahme der TV-Berichterstattung durch das Privatfernsehen keine andere Möglichkeit mehr gesehen, mit ihrem Ärger länger hinter der Tribüne zu halten – sie verschafften ihm Luft.

Angetan vom Charme der Fanzines, die damals vor allem in England sprossen, stellte man flugs ein Heftchen zusammen, nachdem man sich auf den Namen DER TÖDLICHE PASS geeinigt hatte – freundlich übernommen von jenen Privat-TV-Lautsprechern, welche mit rumpelnder und krachender Metaphorik die in ihren Ohren verschnarchte Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten auf werbeprospektartigen Hochglanz polieren wollten. Schon das Wort „Berichterstattung“ war ihnen vermutlich seit Jahren auf den – pardon, aber wir bleiben im Jargon – Sack gegangen.

Für zwei Mark konnte alsbald – einem kleinen Copyshop in München-Schwabing sei Dank – ein Exemplar (von 100) der Nummer eins da und dort erworben werden, und dass die drei Schreibenden mit Zuversicht, dass ihnen so bald die Themen nicht ausgehen würden, ans Werk gegangen waren, davon zeugte das in Klammern gesetzte „1. Jahrgang“.

Um nicht den Verdacht bei Interessierten zu schüren, es handle sich um ein Kriminal- oder Bergmagazin, setzten sie erklärend den Untertitel „Zeitschrift zur näheren Betrachtung des Fußballspiels“ dazu. Und verteilten erbost Ohrfeigen: „Eine zerstückelte Leich’ stinkt auch in kleineren Stücken gleich. Zum periodisch vorgebrachten Ansinnen des Privatfernsehens, die zwei Halbzeiten zu halbieren“ war eine Invektive überschrieben; mit „Von Eintagsfliegen und Dauerbrennern. Oder: Wer schon alles in der Bundesliga mitspielen durfte“ wurde durchaus selbstironisch eine „historisch-kritische Abhandlung“ versucht; Franz Beckenbauers Forderung nach mehr Kommerzialisierung des Fußballs nahm „Der Mensch ist eine Dauerwurst. Oder: Erkenntnisse aus der Chefetage“ auseinander. Those were the days. Und sind es noch heute?

Nach gut zwanzig Jahren wollten die drei Redakteure zum Jubiläum nicht nur kurz innehalten und auf ihr Tun zurückblicken, sondern das ihrer Meinung nach Beste aus fast 80 Ausgaben DER TÖDLICHE PASS in einem gedruckten Buch versammeln. Als roter Faden und Titel gleichermaßen drängte sich bei der Sichtung der Texte das Wort „Fußballkritik“ auf – kein definierter, kein akademischer, kein historischer Begriff, aber in Anlehnung an Gattungsbegriffe wie Literaturkritik oder Sportkritik (welch letzterer es sogar zwischenzeitlich zu einem Magazintitel, herausgegeben von Martin Krauß und Michael Bolten, schaffte) ist es derjenige, der unser intellektuell-akademisch, bisweilen literarisch verspieltes Treiben am besten charakterisiert.

Denn Kritik und Analyse bestimmen den PASS bis heute. Was sich nicht nur anhand dieses Buches, sondern der nach wie vor vierteljährlich erscheinenden Hefte nachvollziehen lässt. Oder im Netz unter www.dertoedlichepass.de.

Wie es weitergehen wird mit dem Fußball? Wir können nur Schlimmes ahnen. Wie es weitergehen wird mit dem Fußballspiel? Es wird alle Krisen überstehen und wie ein Solitär unter den Spielen glänzen.

Mit besonderem Dank an Bernd Beyer und Christoph Schottes vom Verlag Die Werkstatt, die uns dieses Buch ermöglicht haben.

Fußballkritik

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