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Heft 28/2002 STEFAN ERHARDT Sportler ruft Sportler

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Endlich ist die Quelle für die christliche Unterhemdenkampagne diverser Fußballprofis entdeckt: „www.SRS.online.de“! Hier wird die Botschaft Jesu, nein, nicht verkündet: Sie wird versurft. Hier wandelt einen sofort die ultimative Info für all den Glauben und noch viel mehr an: „Jesus lebt!“ prangt dort, das wussten wir; allein wo? Im Internet? Ist das Internet also Gott?

1971 hat ein gewisser Helmfried Riecker während seiner Motocross-Fahrten die Erleuchtung, den christlichen Auftrag des Macht-euch-die-Erde-Untertan und in der Folge auch deren Untertanen aufs große, für die Kirche weiß gefleckte Territorium des Sportes auszudehnen. Er wird flugs Mitglied im Missionswerk „Neues Leben“, prompt findet im Jahr darauf schon der erste Kreuzzug unter sportlichem Aspekt statt, im üblichen verquasten Kirchenspeak „RüstKurs“ genannt. Ob Ab- oder Aufrüst, ist leider nicht bekannt.

Ein Jahr später gar die „erste christliche Motorradfreizeit in der Bundesrepublik Deutschland“ – PS noch mal, wenn da nur mal nicht zu viel Messwein vergossen wurde.

Über das „Christival“ in Essen, den „Einsatz“ bei den Olympischen Spielen in Innsbruck und der „Gründung des Gebestrings [sic!] SRS mit 30 Betern“ dann 1980 der „Arbeitskreis Fußball“. Nachdem diverse andere Sportarten angegangen wurden, darunter Volleyball, Tischtennis, Motocross oder Reiten, wird folgerichtig der „Arbeitskreis Werbung“ gegründet und umgehend ein „1. Sportmissionarischer Kongreß in Wölmersen/ Ww“ abgehalten.

Vor Schwimmen, Leichtathletik, Skifahren, Tennis, Basketball, ja selbst vor Schach machen die fleißigen Missionare nicht Halt – wobei den Bekehrern mit Curling ein eng verwandter Sport noch fehlt!

Allerdings mangelt den inzwischen acht Haupt- und über 400 ehrenamtlichen Sportmissionaren noch das entscheidende kirchentypische Instrument, welches aber nicht lange auf sich warten lässt. 1992 wird eine Kapitalgesellschaft gegründet, um „den kommerziellen Bereich von SRS zu übernehmen und gleichzeitig als Firma im säkularen Bereich Gelder für die Mission zu akquirieren“, so die Website.

Die Sportmissionare sind nun nicht mehr aufzuhalten. 1998 findet das WM-Großprojekt „Die Fußballparty in der Kirche“ mit circa 400 Gemeinden statt. Und die „Mobile christliche Fußballschule“ von SRS wird gegründet.

Da wirbt man um Knaben zwischen neun und 17, will ihnen was am Ball zeigen, aber auch eine „gute Gruppendynamik“ entwickeln und „Freundschaften fürs Leben stiften“ und lässt so nebenbei auch die Katze aus dem Kleidersack: „Das Programm, was neben dem Fußball angeboten wird, trägt auch dazu bei.“

Und das Nebenprogramm ist Mission pur: denn über den Fußball sollen Gemeinden „eine Brücke (…) schlagen, die Kinder und Jugendlichen für die Inhalte der Bibel und für ein Leben mit Jesus Christus zu interessieren“.

Wie das gehen soll? Nun, im Ball-und-Bibel-Camp kommt keiner aus. „Durch tägliches Bibellesen und sportlich-biblische Abendthemen, werden die Kinder und Jugendlichen an den christlichen Glauben herangeführt und hierin gefördert.“

Da wird dann auch der Renitenteste plötzlich lammfromm, denn: „Die besondere Stärke der mobilen christlichen Fußballschule zeigt sich im Umgang mit Kindern aus nichtchristlichem Hintergrund.“ Wir wollen uns lieber nicht ausmalen, mit welcher besonderen Stärke hier mit Ungläubigen umgegangen wird!

Aber nicht nur die Kinderlein sollen zu IHM gebracht werden – jeder, also auch jeder Sportler, soll heim ins Reich Gottes. Davon träumt Hermann Gühring, Vorsitzender der European Christian Sports Union, „dass jeder Sportler eine Bibel erhält“.

Selbiges verfolgt das Projekt „Pro Bibel im Sport“ und schmuggelt Bibel für Bibel in die Leistungszentren und Sporthotels, ja verschenkt sie sogar an „10.000 Menschen der Sportwelt“.

„Mit vollem Einsatz“ nennt sich das christliche Machwerk. Borussia Dortmund, der VfB (Verein für Bibelstudien?) Stuttgart, RW (rechtes Wirken?) Erfurt und Carl Zeiss (ein Missionar?) Jena haben es bereits in ihren Fangemeindebibliotheken stehen.

Es enthält neben dem Text des Neuen Testaments und „hilfreichen Begleittexten“ Lebensberichte und Kurzstatements von internationalen Spitzensportlern wie Michael Chang, Mary Joe Fernandez, Jesse Owens, Paulo Sergio, Dirk Heinen, Claudio Taffarel, Bernhard Langer oder George Foreman.

Die lesen sich dann so hilfreich begleitend wie das Interview mit dem Dreispringer Johnson Edwards, das inbrünstigst die alte Mär von Erbsünde und Kriechertum wieder aufkocht: „Der Mensch ist voll Sünde und getrennt von Gott und kann daran nichts ändern.“ Das ist straight from the horse‘s mouth, wie der Engländer gern frotzelt.

Da wird dann am End’ alles zum göttlichen Spielzeug, egal, was der Mensch anrührt: „Die Tatsache, dass der menschliche Körper 18,29 m weit springen kann, zeugt davon, dass wir einem großen Gott dienen.“ Wie wohl auch die Tatsache, dass das menschliche Hirn bereits Mittel und Wege fand, um Millionen von Menschen abzuschlachten, sie verhungern oder in Dreck und Elend dahinvegetieren zu lassen. Die Wege des Herrn sind unergründlich.

Die Wege des Vereins SRS allerdings nicht. Die führen offensichtlich alle nach Rom, wobei die Organisation mittlerweile ein derart verzweigtes Netzwerk aufgebaut hat, dass man von Infiltration auf breiter Front sprechen kann.

Beispiel Fußball. Da hat sich das „Herrenteam christlicher Fußballer“ mit einem genau abgezirkelten Schlachtplan zum Ziel gesetzt, „zunächst aktive Fußballer und deren Umfeld mit der Botschaft des Evangeliums bekannt zu machen und Fußballer jeder Leistungsstufe auf der Basis christlicher Werte zu betreuen und zu fördern“. Wie das aussieht, kennen wir bereits aus den Ferienlagern.

Ja, da ist er wieder, der alte Gewissenshammer. Entweder an Gott glauben oder du machst dich schuldig. Es ist immer noch die uralte immanente Diskrepanz zwischen gepredigter Toleranz und gelebter Missionierung. Zumindest wird nicht mehr nach dem ersten Grundsatz aller Menschenfänger verfahren: Und willst du nicht bei uns Mitglied sein, so schlag ich dir den Schädel ein.

Die christliche Kirche der sogenannten aufgeklärten Moderne tut das verbal zum Teil aufdringlicher als die Zeugen Jehovas. Wenn der Sportler Leistung erbringt, „in der Hoffnung, damit eines Tages sein geistliches Vakuum füllen zu können“, will er natürlich gleich den „Sieg um jeden Preis“. Was unter Umständen bedeutet: „Körperliche Schäden werden in Kauf genommen, Zerstörung der eigenen und anderer Personen wird in Kauf genommen.“ Das klingt zwangsläufig, ist aber des Teufels: „Der Sportler wird an sich selber, an anderen und an Gott schuldig.“ Zitate allesamt Copyright SRS.

Von diesem direkten Weg zur Hölle bringen einen nur die sportlichen Kreuzritter ab, die unermüdlich die Sportwelt in die Arme einer der schlimmwütigsten Globalisierungsinstitutionen der Menschheitsgeschichte treiben wollen. „Missionarisch in der Welt des Sports“ – so die programmatische Unterzeile der Vereinszeitschrift „EinSatz“, und zu befürchten ist, dass nicht eher Ruhe einkehrt, als bis dass auch noch die letzten ungläubigen Hunde entweder zum rechten Glauben bekehrt oder vor selbige gegangen sind. Vorher sollte man es aber noch in einen „Spogo“ (Kirchensprech für Sportgottesdienst) geschafft haben.

Die Inflation frommer Botschaften auf Profi-Unterhemden hat wohl auch das „außergewöhnliche Buchprojekt“ (Verlagswerbung) Fußball-Gott – Erlebnisberichte vom heiligen Rasen befördert. Da werden Glaubensoffensiv- wie -defensivkräfte von A wie Asamoah bis Z wie Zé Roberto auf ihre Glaubhaftigkeit hin untersucht.

Die Texte sind, wie nicht anders zu erwarten, tief getränkt von Glauben, Schweiß und Weihwasser, die Athleten alle vorzeigbar und menschlich, und nicht von ungefähr endet es unterwürfig mit „Soli Deo Gloria“ – „Gott allein zur Ehre“, oder wie es auf der gleichnamigen Homepage heißt: „Nur ihn als Schöpfer, Superchef und größte Macht anzuerkennen, ihn für voll zu nehmen, sich ihm unterzuordnen und eine lebendige Beziehung zu ihm zu haben.“ Auf dass wir endlich alle rufen: Tooor! Tooor! I wärd missionarrisch …!

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