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„Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn, außer im Licht …“

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Kann die moderne Biologie als erfolgreiche Wissenschaft vom Leben mit ihren riesigen Schätzen an Erkenntnissen und Theorien überleben, wenn Evolution als Tatsache in Frage gestellt und sich nicht als „realhistorischer Prozess“ bestätigen lässt? Oder anders gefragt: Wie viel Evolution braucht die Biologie, um als Naturwissenschaft überlebensfähig zu sein? Die Beantwortung dieser Frage ist – psychologisch bzw. soziologisch gesehen – nicht unproblematisch, weil es zum eingeschliffenen Ritual geworden ist, jede Infragestellung von Evolution und jede Kritik an evolutionstheoretischen Entwürfen als Angriff auf die gesamte Biologie und die wissenschaftlichen Methoden auszurufen (z. B. KUTSCHERA et al. 2007). Der in diesem Beitrag sicherlich nur unvollständig erfolgte Gang durch die wissenschaftstheoretischen Grundlagen ateleologischer Ursprungsmodelle führt diese Pauschalaussagen schnell ad absurdum.

„Bei der reflexiven regressiven Redeform [Erklärung allein mit empirischen Daten des Untersuchungsgegenstandes ohne Rückgriff auf einen Agenten und ausgehend von der Gegenwart in die Vergangenheit, H.U.] zeigt sich eine bemerkenswerte Asymmetrie zwischen ‚funktionalen‘ und ‚naturhistorischen‘ Theorien. […] Denn unstrittig lässt sich eine molekularbiologische Beschreibung etwa der Nierenfunktion als wahr auszeichnen, ohne dass auf nur eine einzige evolutionsbiologische Aussage zurückgegriffen werden müsste. Umgekehrt gelingt die Beschreibung der evolutiven Genese etwa des Vertebratennephrons […] überhaupt nur unter der Bedingung, dass schon gelungene molekularbiologische Beschreibungen der Nierenfunktionen vorliegen“ (GUTMANN 2005, 259).

Die Biologie als empirische Naturwissenschaft stellt an ihren Forschungsgegenstand, das Leben, verschiedene Fragen. Das „Wie“ des Lebens wird mittels der funktional-analytisch arbeitenden Biologie erarbeitet; das „Woher“ steht im Zentrum der Evolutionsbiologie. Es wurde gezeigt, dass Aussagen innerhalb der funktional-analytisch arbeitenden Biologie prinzipiell formulierbar sind, ohne dass auf Vorwissen aus evolutionsbiologischen Aussagen zurückgegriffen werden müsste. Die Ergebnisse der Biologie bilden selbst erst das Rückgrat für evolutionstheoretisch begründete, hypothetische Rekonstruktionen. Deshalb sind Evolutionstheorien als methodologisch mögliche, aber letztlich nachgeordnete Typen wissenschaftlicher Begründungen innerhalb der Biologie zu bestimmen. „Insofern wäre sie [die Evolutionstheorie, H.U.] für die (in der Regel funktional orientierte) laborwissenschaftliche Praxis irrelevant“ (GUTMANN 2005, 263). Der Fortschritt der Biologie vollzog sich unbeeindruckt von der Fülle der in den letzten 150 Jahren verfolgten evolutionstheoretischen Ansätze. Neue Erkenntnisse finden zwar schnell Eingang in evolutionäre Hypothesenbildungen (z. B. führte die Entdeckung der Homöobox-Gene u. a. zum Aufschwung von Evo-Devo, vgl. z. B. LAUBICHLER 2005; STOTZ 2005b) oder widerlegen vorhandene Konzeptionen (die Wiederentdeckung der Vererbungsregeln Mendels zu Beginn des 20. Jh. diente u. a. zur Widerlegung des Lamarckismus). Umgekehrt berührt das Scheitern eines evolutionstheoretischen Ansatzes die funktional-analytisch arbeitende Biologie nicht. Diese Einsicht ist jedoch alles andere als neu:

Aussagen innerhalb der funktional-analytisch arbeitenden Biologie sind prinzipiell formulierbar, ohne dass auf Vorwissen aus evolutionsbiologischen Aussagen zurückgegriffen werden müsste.

„Ebenso wie sich zeigen läßt, daß Bestandteile des späteren Darwinismus lange vor 1859 bekannt waren, läßt sich nun die vie1 wichtigere Tatsache erhärten, daß der Darwinismus weithin das Wesen der vergleichend-anatomischen Forschung keineswegs umgestaltet hat. […] Rein äußerlich betrachtet […] geschah nichts anderes, als daß die bisherigen Vorstellungen im Sinne der Descendenztheorie umgedeutet wurden“ (LUBOSCH 1927, 38).

Inwiefern profitiert die Biologie nun von der Evolution? Evolutionäre Erzählungen verleihen dem reinen „Bedeutungsphänomen“ der funktionalen Biologie eine Sinnsphäre, welche heuristisch innovativ auch Fragerichtungen der eigenen Wissensentwicklung hervorbrachte und bestimmte. Evolution als Leitidee ist der von den meisten Biologen gegenwärtig favorisierte Ausdruck eines ihrer Ansicht nach erfolgreichen ontologischen und epistemischen (Glauben oder Wissen darstellenden) Zuganges zur Lebensentstehung und -entwicklung. Ist dieser evolutionäre Denkrahmen jedoch der einzig mögliche und Erfolg versprechende? Sind andere Ansätze möglicherweise faktisch erfolgreicher? Die Geschichte belegt, dass vor der Ära der Evolution (18. und 19. Jh.) andere Sinnsphären, die auch von Schöpfungsideen geprägt wurden, eine überaus facettenreiche Biologie ermöglichten. Ich behaupte, dass auch heute außerhalb eines evolutionären Paradigmas Biologie als empirische Wissenschaft ohne Einschränkung möglich ist, mit vielen innovativen und spektakulären Ergebnissen. Die Natur unter der Leitidee Schöpfung zu betrachten, lädt ein zur detaillierten und akribischen Erforschung sämtlicher Details und sich aufdrängender Zusammenhänge, ebenso zu einer alternativen theoretischen Modellierung in Ursprungsfragen, die auch theologische Bezüge erkennbar aufnehmen (z. B. in der Grundtypenbiologie). Darüber hinaus stellt die Suche nach naturwissenschaftlichen Erklärungen für die Existenz, den Aufbau oder die Funktion von Organen oder Organbestandteilen, die als vermeintliche Konstruktionsfehler (wie z. B. bei DAWKINS 2010 behauptet) scheinbar nur aus evolutionärer Perspektive Sinn ergeben, ein besonders spannendes Feld für die Schöpfungsforschung dar (z. B. inverse Netzhaut, Wurmfortsatz, Überkreuzung von Luftröhre und Speisekanal beim Menschen, vgl. dazu den Beitrag „, Unintelligentes Design' – Sprechen biologische Befunde gegen die Existenz eines Schöpfers?“ in diesem Band).

Zu „Evolution“ als Leitidee einer ateleologischen Ursprungsforschung gibt es innerhalb der naturalistisch-reduktionistischen Perspektive keine aktuell verfolgte, wissenschaftliche Alternative. Es darf gefragt werden, ob eine solche Alternative überhaupt wissenschaftlichen Ansprüchen genügen würde. Intelligent Design und Schöpfungsforschung können innerhalb dieser Perspektive eine rein naturwissenschaftliche Alternative nicht liefern, da prinzipiell infrage gestellt wird, dass natürliche Faktoren ausreichen, um das „Woher“ des Lebens zu erklären. Eine wissenschaftliche Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen natürlicher Prozesse (und somit ggf. Evolutionskritik) sollte Bestandteil echter, d. h. ergebnisoffener Wissenschaft sein; dies umfasst die kritische Wertung vorgelegter Argumente und Theorien auf der Basis naturwissenschaftlicher, wissenschaftstheoretischer oder metaphysischer Überlegungen, die das „Wie“ und das „Dass“ der Evolution scheinbar begründen (JUNKER & SCHERER 2013; ULLRICH & JUNKER 2008). An weiterer naturwissenschaftlicher Evolutionsforschung, die dann auch weitere evolutionskritische Resultate zu Tage bringen kann, führt kein Weg vorbei. Verzicht oder Verbot weiterer Evolutionsforschung wäre dagegen wissenschaftsfeindlich (SCHERER 2007); das gilt nicht minder für einen Ansatz, der im grundsätzlichen Ergebnis schon festgelegt ist und ein kritisches Hinterfragen der Begründungen von Evolution und eine Reflexion der methodischen Grenzen von Evolutionsforschung unterbunden sehen will.

Schöpfung ohne Schöpfer?

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