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ОглавлениеVorwort
Prof. Dr.
Michael Linscheid,
Vizepräsident für
Forschung der Humboldt-Universität zu Berlin
Muss sich Forschung durch Anwendung rechtfertigen? Ist das Geld der Steuerzahler nur dann gut angelegt, wenn eine neuartige Krebstherapie für morgen absehbar ist, wenn bessere Bremsen für Autos sofort machbar werden oder noch aussagefähigere Studien zur schulischen Kindererziehung oder zum altersbedingten Umbau der Gesellschaft damit bezahlt werden?
In seinem heute wie damals im Jahr 1997 hochaktuellen Buch „Pasteur’s Quadrant“ hat Donald E. Stokes, der ehemalige Dean der Woodrow Wilson School of Politics and Public Affairs der Princeton University, die Zusammenhänge zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung umfassend beleuchtet. Eine seiner zentralen Thesen soll hier diesem Buch vorangestellt sein: Es gibt keinen einfachen, planbaren Weg von der Grundlagenforschung zu Anwendungen, sondern beide haben ihre Berechtigung, sind auf vielfache Weise miteinander verwoben und bedingen sich gegenseitig.
Zur Darstellung wählte er vier Quadranten, deren Achsen der reine Erkenntnisgewinn einerseits und orthogonal dazu die Möglichkeit einer Anwendung angeordnet sind. Das führt, wie nun leicht einsehbar ist, zu den vier Feldern (1) reine Grundlagenforschung, ohne jede Anwendung im Sinn (er nannte diesen Niels Bohrs Quadrant), (2) durch Anwendung inspirierte Grundlagenforschung (das ist Pasteurs Quadrant), (3) Forschung zur Lösung spezieller Fragen ohne allgemeinen Erkenntnisgewinn und (4) Forschung, direkt gezielt auf Anwendung und technische Innovation (Edisons Quadrant).
Universitäten bewegen sich in den ersten drei Quadranten und überlassen den vierten, dies gilt zumindest in Deutschland, eher den Firmen oder spezialisierten Forschungsinstituten, die aber ebenfalls meist mit Industriepartnern zusammenarbeiten. Dies heißt aber eben nicht, dass universitäre Forschung keine Innovationen zur Folge hat – das Gegenteil ist richtig. Da die Forschung im 4. Quadranten immer auch auf Grundlagenforschung zurückgreifen muss, ist indirekt auch daran die Forschung in der Universität beteiligt; gleiches gilt natürlich auch für Forschungsinstitute, die sich der Grundlagenforschung verschrieben haben. Auch Universitäten können Innovation zeitigen, wenn es nur gewollt wird – und wenn erkannt wird, dass sich, wie oben schon gesagt, beides bedingt. Innovation, verstanden als technologischer Fortschritt mit gesellschaftlicher Relevanz, kann eben wiederum als Auslöser für Grundlagenforschung wirken und dies nicht nur in den technikaffinen Wissenschaften, sondern in allen Wissensbereichen einer Universität, in den Materialwissenschaften ebenso wie in den Sozialwissenschaften, der Jurisprudenz oder der Linguistik. Daher ist es lohnend, auch innerhalb einer Universität den Forscherinnen und Forschern Mut zu machen, nach Innovationen Ausschau zu halten.
Das Ihnen hier nun vorliegende Buch „Humboldts Innovationen“ mit seinen sehr unterschiedlichen Beispielen aus der Geschichte der Humboldt-Universität belegt dies aufs Nachdrücklichste und eben nicht nur für die Naturwissenschaften oder die Medizin. Faszinierende Geschichten von ehemaligen Studenten und Lehrenden dieser traditionsreichen Universität aus allen möglichen Wissenschaftsfeldern zeigen die verschlungenen Wege, auf denen Forschung Ergebnisse hervorgebracht hat, die schließlich zum Wohle der Gesellschaft bis heute wirken – eben wirkliche Innovationen. Die nicht geplant oder vorhergesehen waren, sondern die sich ergeben haben. Letzteres allerdings ist kein Zufall, sondern das Erkennen einer möglichen Innovation muss geübt, gefördert und – vielleicht – gefordert werden, zum Wohle der Gesellschaft, der Universität, der beteiligten Wissenschaftler und auch als Inspirationsquelle für weitere Forschung. Das Lesen der Geschichten in diesem Buch soll Lust darauf machen einmal praktisch zu denken, wenn pure Wissenschaft gemacht wird, soll anregen nach grundlegenden Fragen Ausschau zu halten, wenn eigentlich gerade Anwendungen ausgearbeitet werden und soll beweisen, dass beides geht.
Und, natürlich, das Lesen dieses Buches soll auch einfach nur Spaß machen.