Читать книгу Gemeinsames Gebet - Группа авторов - Страница 17

2.4 Liturgien als formative Praktiken

Оглавление

Die These Smiths lautet: Die Grundintention des Menschen – seine fundamentale Ausrichtung auf eine bestimmte Form von höchstem Gut – sowie die diese Grundintention bedingende «Wahrnehmung» der Welt sind nicht etwas, was sich augenblicklich ausbildet und ebenso augenblicklich verändert werden kann; vielmehr sind «Wahrnehmung» und Grundintention etwas Herangewachsenes. Sie machen unseren Charakter aus, welcher seinerseits aufgrund der Wiederholung bestimmter Handlungen eine ihnen entsprechende Form angenommen hat. Der Charakter bildet sich somit habituell aus. Wie der Habitus (diathesis) bei Aristoteles und die praktognosia bei Merleau-Ponty ist der Charakter des Menschen weder etwas Angeborenes noch ein Affekt, sondern er wächst allmählich in uns. Da der Modus der Grundintention bzw. imagination präkognitiv und emotional ist, wird deren Entstehung ferner nicht durch bewusste Erkenntnisprozesse bewirkt. Vielmehr hängt die Art und Weise, in der wir die Welt intendieren, damit zusammen, dass unsere «Wahrnehmung» durch bestimmte, für uns «paradigmatisch» gewordene Erzählungen (stories) beeinflusst und geprägt worden ist.72 Eine Erzählung wird insofern paradigmatisch, als wir uns in sie «hineinleben», sie absorbieren und Platz in ihr einnehmen, sodass diese Erzählung zum Schlüssel für die Interpretation unserer Existenz und das Verständnis unseres In-Der-Welt-Seins wird.73

Wie bekommt aber eine story diese paradigmatische Funktion? Wie kommt es dazu, dass Menschen sich in eine Erzählung so hineinleben können, dass ihre «Wahrnehmung» durch sie bestimmt wird? Smith zufolge geschieht auch dies nicht durch einen bewussten geistigen Vorgang, sondern durch die – bewusste oder unbewusste – Teilnahme an formativen Praktiken, die er «Liturgien» nennt. Als Liturgien versteht Smith solche «erzählungsgeladenen Praktiken» (story-laden |29| practices)74 bzw. «performierten Erzählungen» (performed stories),75 die den gesamten Menschen als «verkörpertes» (embodied) Wesen involvieren und ihm jene Vorstellung des höchsten Gutes (jene Vorstellung «Gottes») einprägen, die von der jeweiligen Liturgie implizit kolportiert wird. Liturgien sind für Smith also alle «rituellen Praktiken, welche als Pädagogik des letztgültigen Verlangens wirken»;76 Liturgien «formen und konstituieren unsere Identität dadurch, dass sie unsere fundamentalen Verlangen und unsere Einstellung zur Welt bestimmen».77

Gemeinsames Gebet

Подняться наверх