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2.6 Christliche Liturgie als Ort des heiligenden Handeln Gottes
ОглавлениеDie Aufgabe der christlichen Liturgie besteht somit darin, «eine Begegnung mit Gott zu fördern, die unser Vorstellungsvermögen [imagination] transformiert und mithin unsere Wahrnehmung [perception] heiligt».86 Hier kommen beide Dimensionen des christlich verstandenen liturgischen Geschehens in ihrer Verschränkung und Irreduzibilität prägnant zur Sprache. |31|
Auf der einen Seite feiern Menschen Gottesdienst. Dies bedeutet, dass sie im Blick darauf Verantwortung tragen, dass die Liturgie die Begegnung mit dem dreieinigen Gott fördert. Gefördert wird diese Begegnung wiederum, wenn die Liturgie so beschaffen ist, dass durch sie «die story von der erlösenden Liebe Gottes in unseren imaginativen Hintergrund herabsinken» kann.87 Zu diesem Zweck ist die Form der Liturgie genau so wichtig wie ihr Inhalt, denn Form und Inhalt sind – entgegen einer verbreiteten Meinung – nicht voneinander zu trennen. «Formen sind nicht neutral», sondern an sich schon immer «ausgerichtet [aimed] und geladen»: «They carry their own teleological orientation and come loaded with a complex of rituals and practices that carry a vision of the good life.»88 Deshalb wäre es fatal zu denken, dass liturgische Formen einfach untereinander austauschbar wären, ohne dass der Formtausch einen Einfluss auf den durch sie vermittelten Inhalt ausübte. Eine erneute Wahrnehmung der formativen Kraft der Liturgie auf dem Hintergrund der von Smith entwickelten «liturgischen Anthropologie» sollte vielmehr bei reformierten Liturgen sowohl ein erhöhtes Formbewusstsein als auch eine größere Sorgfalt bei der Planung bzw. Revision von Liturgien fördern.89
Tragen die Menschen Verantwortung dafür, dass die Liturgie so beschaffen ist, dass sich der christliche Gott ihrer bedienen mag, so geht das tatsächliche Stattfinden der formativen Begegnung mit ihm in der und durch die Liturgie allein auf das Handeln Gottes zurück. In der christlichen Liturgie handeln in diesem Sinne primär nicht Menschen; vielmehr handelt Gott der Heilige Geist an den Menschen. Der Gottesdienst stellt daher ein pneumatisches Geschehen dar, bei dem «der Geist durch und in solchen […] Praktiken uns begegnet, nährt, transformiert und ermächtigt».90 |32|
The material practices of Christian worship are not exercises in spiritual self-management but rather the creational means that our gracious God deigns to inhabit for our sanctification. […] Christian worship is primarily a site of divine action.91
Smiths Gottesdienstverständnis weist damit beide Merkmale eines im engeren Sinn formativen Gottesdienstverständnisses auf. Einerseits wird christliche Liturgie als konstitutiv wirksam definiert, weil sie immer eine formative Wirkung auf die an ihr teilnehmenden Menschen freisetzt. Andererseits wird diese Wirkung als eine solche betrachtet, die weder aus den Menschen noch aus der Handlung als solcher hervorgeht, sondern aus Gott, dem primären Subjekt liturgischen Handelns. Gott wirkt formativ auf Menschen in Handlungen, die Menschen vollziehen. Zugleich wird auch die Distanz zwischen Smiths Ansatz und jeglichem expressivistischen Gottesdienstverständnis – bei dem der Gottesdienst in erster Linie als Ausdruckshandeln und der Mensch als dessen primäres Subjekt betrachtet werden – deutlich. Diese Distanz bringt Smith unmissverständlich zur Sprache:
Wide swaths of contemporary Christianity tend to think of worship as only an «upward» act of the people of God who gather to offer up their sacrifice of praise, expressing their gratitude and devotion […]. [S]uch expressivist understandings of worship feed into (and off of) some of the worst aspects of modernity. Worship-as-expression is easily hijacked by the swirling eddy of individualism. In that case, even gathered worship is more like a collection of individual, private encounters with God in which worshipers express an «interior» devotion.92