Читать книгу Dimensionen schulischer Qualität im Fokus: Was macht "gute Schule" aus? - Группа авторов - Страница 13

Offene Lernumgebungen – noch immer eine Seltenheit

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Die Corona Pandemie brachte im Frühjahr 2020 alles zum Stehen. Der flächendeckende Lockdown erfasste natürlich auch die Schulen. Stillstand, Homeschooling, Ratlosigkeit, mangelnde Digitalisierung waren wochenlang die Kennzeichen. Viel zu spät rückte die Schule in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Die Schule schaffte es plötzlich auf die Titelseiten der regionalen und überregionalen Presse, in die Schlagzeilen der Nachrichtensendungen. Und welches Bild von Schule wurde da fast ausschließlich gezeigt? Klassenzimmer mit traditionellen Doppeltischen, in Busordnung frontal nach vorne ausgerichtet, Blickrichtung zur zentralen Pilonentafel, vor der die Lehrkraft agierte; Schule im Jahr 2020 oder zumindest das, was scheinbar allgemein für Schule gehalten wird.

Auf der anderen Seite steht eine ganze Reihe von Untersuchungen und Veröffentlichungen zu einem veränderten Schulbau. In den Veröffentlichungen von Prof. Schönig Gestalten des Schulraums (2013) und Inklusion sucht Raum (2015) geht es um flexible Lernumgebungen und offene Räume an der Schule von heute und morgen. Die Montagsstiftung beschäftigt sich seit Jahren mit veränderten Raumkonzepten an Schulen, die Stadt München hat das Lernhauskonzept als Vorgabe für alle Schulhausneubauten festgelegt, die Firma LernLandSchaft ist inzwischen europaweit unterwegs und begleitet Schulbauten ab der Planungsphase Null.

Und dann wird vor wenigen Jahren in einer mittelfränkischen Kleinstadt ganz stolz ein 23 Millionen teurer Mittelschulbau eingeweiht, an dem all diese Entwicklungen spurlos vorbeigegangen sind.

Warum die schulische Bau- und Raumrealität oft noch so ganz anders aussieht, hat sicher auch damit zu tun, dass Schulleitungen und Kollegien zu wenig bereit sind, Unterricht und Schule neu zu denken, und als Folge davon, Veränderungen an Schulen umzusetzen. Spätestens alle zwei Jahre machen unsere Smartphones einen deutlichen technischen Sprung nach vorne. Das wird von den Verbrauchern erwartet und ist normal. Dass sich Schulräume zwischen 1960 und 2020 kaum verändert haben, das irritiert nur wenige.

Dass dem so ist, hat wiederum mehrere Gründe: Die eigene Schulerfahrung gehört sicher dazu, aber auch ein Lehramtsstudium an den Universitäten, das traditionellen Denkmustern folgt und Innovationen weder anregt noch vor Ort erleben lässt. (So verfügt die Universität Eichstätt derzeit nur noch über einen Seminarraum mit flexibler Möblierung. Dass die fachgerecht verwendet wird, habe ich bei meinen regelmäßigen Besuchen dort aber noch nie gesehen.) Das sich anschließende Referendariat erfolgt – mangels genügend innovativer Schulhauskonzepte – zwangsläufig in klassischen, traditionellen Klassenzimmern.

An der Grund- und Mittelschule Thalmässing, an der ich 21 Jahre in der Schulleitung aktiv war, war Schulentwicklung immer auch Unterrichts- und damit auch (Lern-) Raumentwicklung.

„Stärken stärken durch eigenaktives, gemeinsames Lernen“ - unter diesem Motto machten wir uns recht frühzeitig auf den Weg. Im Laufe der Jahre ist eine enge und wertvolle Zusammenarbeit mit der Universität Eichstätt, besonders mit dem Lehrstuhl von Prof. Schönig, entstanden. Er hat unsere Schulentwicklung über all die Jahre verfolgt und begleitet. Wir als Schule waren offen für Studierende und Seminare. Wie Lernen gut gelingt, wie Lernumgebungen aussehen müssen, um dieses Gelingen zu unterstützen, all das ist hinreichend erforscht und bekannt. Hier gibt es kein Wissens-, aber ein erhebliches Umsetzungsdefizit.

Wir in Thalmässing haben unsere Ausgangspunkte klar formuliert:

 Lernen braucht Gelingensfaktoren

 Lernen geschieht allein, zu zweit oder in der Gruppe

 Lernen gelingt dann gut, wenn die Schülerinnen und Schüler die für sie passende Lernumgebung vorfinden

 Lernen hat kognitive und soziale Aspekte

 Lernen braucht Raum

Davon ausgehend gestalteten wir zunächst alle Klassenzimmer von Klasse 1 bis 9 zu flexiblen Lernumgebungen mit leicht fahrbaren Dreieckstischen und verschiebbaren Tafelelementen um. Pro Schülergruppe steht jeweils eines dieser Tafelelemente zur Verfügung. In einer weiteren Phase bauten wir unsere bisherigen Gänge zu offiziellen Lernräumen um. Lernen ist somit im gesamten Haus möglich. Ein 40 Jahre altes (Flur-) Schulhaus wird dank des Großraumbürokonzeptes mit dazugehörigem Brandschutzkonzept zur offenen Lernlandschaft. Ist dieser Aufwand nötig, bringt das alles was? Solche Fragen wurden mir als Schulleiter immer wieder gestellt.

Wir als Erwachsene suchen uns für die jeweilige Arbeit möglichst den passenden Arbeitsplatz: Ein Buch oder die Tageszeitung lesen, einen Brief schreiben, ein Formular ausfüllen, die Unterlagen für die Steuererklärung zusammenstellen, all das geschieht an verschiedenen Plätzen.

Unseren Schülerinnen und Schülern gestehen wir diese individuelle, an die Anforderungen der jeweiligen Arbeit angepasste Wahl nicht zu. Wir setzen sie um 8:00 Uhr in einem oftmals zu kleinen Klassenzimmer an einen der festen Zweiertische, oft neben eine zufällige Partnerin bzw. einen Partner. Wir erwarten, dass die Schülerin bzw. der Schüler dort hoch konzentriert und möglichst durchgängig motiviert bis 13:00 Uhr all die verschiedenen Arbeiten erledigt, die wir ihr/ihm aufgeben.

Das macht die überwiegende Mehrzahl der Lehrkräfte an allen Schularten jeden Tag, ein Dienstleben lang. Und nur wenige denken darüber nach, wundern sich darüber und stellen das traditionelle, gewohnte – deswegen aber ja nicht zwangsläufig sinnvolle – System in Frage.

Dimensionen schulischer Qualität im Fokus: Was macht

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