Читать книгу Integrative Medizin und Gesundheit - Группа авторов - Страница 65

5.4 Chancen für die Integrative Medizin

Оглавление

Sowohl eine positive als auch eine negative Entwicklung der digitalen Medizin kann die Integrative Medizin stärken. Entweder wenden sich Patientinnen und Patienten vermehrt von der digital bestimmten Medizin ab, oder integrative Behandlungsansätze werden selbstverständlich bei der Entwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen mitgedacht und komplementärmedizinische Verfahren in die Anwendungen integriert. Zum Teil geschieht dies bereits. So enthält beispielsweise eine bekannte App für Migräne und Kopfschmerzen, neben Tracking- und Informationselementen, Anleitungen zu Entspannungsverfahren. Auch zählen Apps zu Yoga und Mindfulness bereits zu den kommerziell erfolgreichen Gesundheitsanwendungen, die zum Beispiel in den USA bereits zum Teil von Gesundheitsdienstleistern erstattet werden. Auch eine große deutsche Krankenkasse propagiert eine App zu Achtsamkeit. Und eine populäre deutsche App, die unter anderem durch Ernährungsprotokolle das Abnehmen unterstützen möchte, gibt inzwischen auch Hinweise zum Heilfasten. Dies sind Anknüpfungspunkte, um die aktuellen Entwicklungen, auch aus Sicht der Integrativen Medizin, mitzuprägen. Die Voraussetzungen dafür sind eigentlich gut. Das Zeitfenster ist jedoch schmal. Die Forschungsexpertise, die für die Evaluierung komplementärmedizinischer Verfahren genutzt wurde und wird, ist zum Teil auch für die Evaluierungen dieser neuen digitalen Gesundheitsanwendungen sehr nützlich. Therapeutische digitale Gesundheitsanwendungen sind häufig komplexe Interventionen. Der Placeboeffekt, positive Erwartungen sowie Kontexteffekte, werden vermutlich für die Wirksamkeit dieser Verfahren eine Rolle spielen. Die Forschung zur Integrativen Medizin verfügt bereits über viel Erfahrung, die hierfür zur Anwendung kommen kann. Mixed-Methods-Ansätze, also die Kombination von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden, werden inzwischen nach Möglichkeit für die Evaluierung komplementärmedizinischer Verfahren gewählt. Forschung zu Effekten von Placebo und Erwartungshaltung ist fest in der Integrativen Medizin verankert. Und auch die Einbeziehung von Stakeholdern in den Forschungsprozess kommt inzwischen häufiger zur Anwendung. Die Forschung zur Integrativen Medizin kann die Forschung zu digitalen Gesundheitsanwendungen entscheidend mitprägen. Darüber hinaus sind aber auch die Inhalte der Integrativen Medizin für die Neuentwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen interessant. Betrachtet man zum Beispiel die Klassische Naturheilkunde, so fällt auf, dass sich viele Elemente der Phyto-, Hydro-, Ernährungs-, Bewegungs- und Ordnungstherapie entweder als eine digitale Unterstützung für die ärztliche Therapie oder sogar als eigenständige Lösung ohne medizinisches Fachpersonal eignen würden. Eine digitale Gesundheitsanwendung könnte Tees und deren Zubereitung auf Basis bestehender Symptome, dem Alter des Nutzers und eingenommenen Medikamenten vorschlagen, die korrekte Anwendung von Güssen beschreiben, Ernährung oder Bewegung tracken und gewünschte Ziele visualisieren, sowie motivieren ausreichend zu schlafen. Zum Teil existieren Teile dieser Szenarien bereits als App. So sind bereits komplexe Schlaf-Apps verfügbar, die unter Einbeziehung von Smartwatches nicht nur die Dauer des Schlafes rückmelden können, sondern auch Auskunft zu Schlafqualität und resultierendem Fitnessgrad geben.

Die Forschung zu Gesundheitsapps mit komplementärmedizinischen Interventionen in den letzten 10 Jahren zeigt sehr klar, dass sich Entspannungsverfahren für onkologische Patienten (z.B. CanRelax) (Mikolasek et al. 2018), aber auch Akupressur bei Menstruationsschmerzen (z.B. Luna) (Blödt et al. 2018; Wang et al. 2020) und andere Self-Care-Maßnahmen gut in digitale Gesundheitsanwendungen übersetzen lassen und sich wirksam in der Reduktion von Symptomen zeigen. Dies lässt vermuten, dass komplementärmedizinische Angebote in digitaler Form helfen können, einen niedrigschwelligen Zugang zu mehr Gesundheitskompetenz zu ermöglichen.


Sowohl Medizin als auch Gesundheit werden zukünftig sehr stark digital geprägt werden. Digitale Gesundheitsanwendungen werden dabei eine große Rolle spielen.

Die beschriebene Entwicklung sollte als Chance angenommen werden. Es stellt sich für die Zukunft eigentlich nicht die Frage, ob die digitalen Gesundheitsanwendungen zum Teil der Integrativen Medizin werden oder zumindest eine stärkere Verknüpfung angestrebt werden sollte. Es besteht vielmehr die Frage, wie ein gutes Zusammenspiel zwischen Behandelndem, Erkranktem und den digitalen Angeboten ermöglicht wird. Ob dabei die Nutzung der digitalen Gesundheitsanwendungen unbedingt ärztlich koordiniert wird und wie viel Therapeut es überhaupt braucht, wird in nächster Zeit sicherlich spannender Diskussionsstoff sein.

Integrative Medizin und Gesundheit

Подняться наверх