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Vorwort

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Die Integrative Medizin hat sich, begrifflich ursprünglich aus den USA kommend, nunmehr auch in Europa über die letzten 20 Jahre fest etabliert. Dabei handelt es sich um ein relativ neues medizinisches Fachgebiet und ein begleitendes Paradigma, das sich an vorbestehende Bereiche tradierter Medizinsysteme aus der Naturheilkunde und der Komplementärmedizin anlehnt, diese mit etablierten Verfahren der konventionellen Medizin kombiniert und über ganzheitliche, evidenzinformierte und patientenzentrierte Elemente verfügt. In den USA hat die Integrative Medizin zusammen mit der Mind-Body-Medizin erst dem Bereich der Complementary and Alternative Medicine (CAM) eine anerkannte Sichtbarkeit und Verankerung auch an den großen und etablierten akademisch-medizinischen Einrichtungen wie z.B. der Harvard Medical School oder der Stanford University School of Medicine gegeben, sodass heute nach Etablierung des Begriffs der Integrativen Medizin von Complementary and Integrative Medicine (CIM) gesprochen wird.

Heute ist die wissenschaftlich-akademische „Integrative Medicine“ in Nordamerika u.a. im sog. Academic Consortium organisiert – www.imconsortium.org. An der amerikanischen Gesundheitsadministration (National Institutes of Health) gibt es eine gut sichtbare Abteilung namens National Center for Complementary and Integrative Health (NCCIM), die aus dem National Center for Complementary and Integrative Medicine (NCCAM) hervorgegangen ist. Institute, Lehrstühle, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie Kliniken und Ambulanzen zur Anwendung der Integrativen Medizin sind in Nordamerika vielerorts entstanden: Dank einer intensiven Forschungsförderung und -leistung wächst das Wissen zur Integrativen Medizin kontinuierlich.

In Europa und gerade im deutschsprachigen Raum gibt es eine lange Tradition der Naturheilkunde. Die Konzepte der modernen Naturheilkunde gehen auf die antike Medizin und die wissenschaftlichen Bestrebungen in Theorie-, Grundlagen- und Anwendungsforschung zurück. Allerdings hat dieser Bereich in Mitteleuropa kein vergleichbares Wachstum wie in Nordamerika in den letzten knapp 30 Jahren erlebt. Die verschiedenen Therapie- sowie Theorierichtungen aus dem Bereich der Naturheilkunde bzw. der Komplementärmedizin tun sich schwer, eine gemeinsame Basis mit der Integrativen Medizin oder der Mind-Body-Medizin zu finden.

Dennoch sind auch in Europa in den letzten 10 Jahren mehrere Lehrstühle und akademische Institute gegründet worden, die entweder den Begriff „Naturheilkunde“ oder „Integrative Medizin“ bzw. „Integrative Gesundheit“, „Integrative Gesundheitsförderung“ oder „Integrative Gesundheitsversorgung“ im Namen tragen. Ganz eindeutig: Die Integrative Medizin ist nicht nur bei den Patienten und Ärzten, sondern auch in der akademischen Welt angekommen. Sie wird verstärkt auch von allen Beteiligten des Gesundheitswesens wahrgenommen.

Es gibt auch Widerstände gegen diese Entwicklung: Die aktuellen Diskussionen beispielsweise um Abschaffungen von Zusatzbezeichnungen aus dem Bereich der Komplementärmedizin wie auch die nach wie vor geringe Zurverfügungstellung von Forschungsmitteln zur wissenschaftlichen Untersuchung und Etablierung von Integrativer und Komplementärmedizin seien in diesem Kontext genannt. Und nicht zuletzt sei auch auf die leidenschaftlich geführten fachinternen Diskussionen zu Definitionen, Begriffen, Zielgruppen, Platzierungen im Gesundheitswesen und Indikationen einer Integrativen Medizin verwiesen – sowie auf die noch genauer auszuhandelnden Beziehungen der verschiedenen beteiligten Disziplinen und „Health Professionals“ untereinander. Diese Entwicklungen weisen darauf hin, wie wichtig und zeitgemäß es ist, die Diskussionen um eine Integrative Medizin der Zukunft auf eine größere, sichtbare und für alle Interessierten leicht zugängliche Bühne zu heben.

Die Frage, ob und warum es den Begriff – oder das Fachgebiet – der Integrativen Medizin gibt/geben müsste und wie sie definiert werden kann, wird kontrovers diskutiert. Eine eindeutige Definition dieses Begriffs ist jedoch von essenzieller Bedeutung für die Weiterentwicklung des gesamten Gebietes, insbesondere, aber nicht nur, im akademischen Kontext. Dabei sind Fragen der Abrechnung und Vergütung im Gesundheitssystem, der konkreten Versorgungsstrukturen bzw. -leistungen sowie der Legitimation der verschiedenen Gesundheitsberufe, die an der erfolgreichen Umsetzung der Integrativen Medizin beteiligt sind, ebenfalls zu berücksichtigen. All diese Aspekte adressiert das vorliegende Buch.

Dem kenntnisreichen Experten sowie dem interessierten Laien wird sich schnell offenbaren: Die Integrative Medizin bietet ein ungemein spannendes, inspirierendes und innovatives Feld, in dem mittlerweile weit mehr erreicht wurde, als vielerorts bekannt ist. Die Patienten, so könnte man meinen, haben es immer gewusst und diese Therapieangebote, die häufig in Kombinationen miteinander angeboten werden, mit überwältigendem und zunehmendem Interesse in Anspruch genommen, parallel zu Verfahren der konventionellen Medizin. Jedoch wird es nun zwingend, die Erkenntnisse, Angebote, Nachfrage(n) und die divergierenden – oder auch synchronen – Strömungen im Bereich der Integrativen Medizin zu sammeln und gebündelt aufbereitet aufzuzeigen.

Dabei soll dieses Buch den aktuellen Wissens- und Erfahrungsstand wiedergeben, möglichst keine Vorfestlegungen vornehmen und der Pluralität der aktuellen Diskussion entsprechen. Wichtig ist außerdem die Feststellung, dass neben einer historischen Einbettung des Themas, auch in die verschiedenen Kulturräume hinein, ebenso Platz eingeräumt wird für aktuelle Entwicklungen und anschlussfähige Bereiche aus anderen Fachbereichen und Disziplinen:

Interprofessionalität und Kooperation einerseits sowie klare Identifikation des Disziplinbezugs andererseits müssen sich nicht ausschließen. Verschiedene medizinische und therapeutische Fachgebiete haben heute einen engen Bezug zur Integrativen Medizin, aber auch übergeordnete Kontexte wie künstlerische Therapieverfahren, Pflege- und andere Medizinsysteme finden exemplarisch Berücksichtigung. Es geht um den Ist-Stand der Integrativen Medizin – fachlich, in der Versorgung, im System, in den Strukturen, aber auch in der Theoriebildung, im Menschenbild und in der Wissenschaft; und es geht um die Zukunft einer empathischen, kommunikativen und hoch effektiven Medizin im digitalen Zeitalter.

Dazu möchten wir Sie mit diesem Buch herzlich einladen!

Wir, das sind Benno Brinkhaus und Tobias Esch, Ärzte mit einer langjährigen klinischen und fachärztlichen Erfahrung, die auch wichtige Aspekte der Naturheilkunde und Integrativen Medizin einschließt. Dabei sind in unterschiedlicher Weise auch internationale Einflüsse entstanden, sei es etwa durch Fachgesellschaften oder eine tatsächliche mehrjährige Tätigkeit im Ausland. Uns beide eint, trotz unterschiedlicher Schwerpunkte in der Tätigkeit in Patientenversorgung, Lehre und Wissenschaft, ein ausgeprägtes Interesse an pluralistischen und zugleich wissenschaftsbasierten Strömungen innerhalb der Medizin, mit einem besonderen Bezug zur Integrativen Medizin und einem Verständnis von Medizin auch als Heilkunst.

Bleibt uns zum Abschluss, Dank und Wunsch auszusprechen: Danke an den Verlag, seiner Leitung und den Mitarbeitenden, für eine ausgesprochen professionelle, stets angenehme und unterstützende Funktion. Dank auch an unsere Kolleginnen und Kollegen, die uns auf dem Weg der Auseinandersetzung mit der Naturheilkunde und Integrativen Medizin begleitet haben, und natürlich auch an unsere Familien, die uns allzu oft wegen unserer Tätigkeit auch an diesem Buch vermissen mussten, so wie wir sie. Dieses Buch war eine Herausforderung für alle, die mit großer Weitsicht und Geduld und dem gemeinsamen Ziel vor Augen gemeistert wurde. Begleitet vom Wunsch, dass die Beiträge dieses Buches, einzelne Aspekte oder auch der rote Faden, der dahinter steht, dazu beitragen mögen, das Bild einer Heilkunde der Zukunft zu beschreiben, die Medizin insgesamt zu verbessern sowie Mut zu machen, die Medizin der Zukunft integrativ, ganzheitlich und patientenorientiert zu gestalten. Positiv – im Sinne unserer Patienten!

Prof. Dr. med. Benno Brinkhaus und Prof. Dr. med. Tobias Esch

Berlin und Witten im März 2021

Integrative Medizin und Gesundheit

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