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3Der Familienrat und die Wiederherstellung von Familienidentität – Ein Vermächtnis der Maori für kultursensible Praxis und gemeinschaftliche Krisenbewältigung

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Erzsébet Roth

Herr und Frau Özgür sind seit Jahren zerstritten. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die bei Frau Özgür leben. Beide sind mittlerweile mit neuen Partnern liiert. Doch die Streitigkeiten nehmen kein Ende. Das Hilfesystem ist dabei aktiv mit eingebunden. Die Kollegin im Jugendamt erhält regelmäßige Beschwerdeanrufe des leiblichen Vaters: »Sie sollten mal überraschend zu Hause auftauchen. Was meinen Sie, wie es da zugeht. Es ist ja sonnenklar, sobald Sie sich anmelden, wird die Wohnung aufgeräumt, die Kinder hübsch angezogen und das ›Wir-sind-eine-gute-Familie-Gesicht‹ aufgesetzt. Gehen Sie mal überraschend hin, dann sehen Sie mal selbst die Zustände, die dort herrschen.«

Regelmäßig schreibt Herr Özgür dem Jugendamt Briefe, in denen er die aktuelle Situation der Kinder anprangert. Nach einem Kennenlernen und einer Bedarfsfeststellung handelt das Jugendamt. Doch die Briefe und Anrufe setzen sich fort. Mit Anwalt wurde auch schon gedroht. Die zuständige Jugendamtskollegin möchte dem entgegenwirken – mit einem Familienrat: »Wissen Sie«, berichtet sie in einem Telefonat der für den Familienrat beauftragten Koordinatorin, »die Streitigkeiten sind wohl schon zum Beziehungsmuster geworden. Am Anfang haben wir den Vater auch ernst genommen und haben tatsächlich Handlungsbedarf gesehen, aber mittlerweile haben sich die Kinder und die Mutter so gut entwickelt, dass die Anrufe und Briefe keine Rechtfertigung mehr haben. Ich nehme an, dass ein Familienrat vor allem dem Vater das Gefühl gibt, ernst genommen zu werden. Er lebt jedoch mittlerweile in Österreich. Für den Familienrat müsste er in die Heimatstadt seiner Kinder kommen.« Die Koordinatorin versichert, zumindest in einem Telefongespräch zu versuchen, Herrn Özgür von einer Teilnahme zu überzeugen.

Der Familienrat entspricht im englischen Sprachraum der Bezeichnung »Family Group Conferencing« (FGC). Er ist ein Hilfeplanungsverfahren, das in Neuseeland entwickelt wurde und mittlerweile weltweit verbreitet ist. Die grundlegende Philosophie des Familienrats besteht darin, dass die Familie und ihre Gemeinschaft selbst über die Souveränität verfügen, ihre eigene Hilfe zu entwerfen. Vor 1989 waren Kinder, die aus Maori-Familien stammten im Vergleich zu Nicht-Maori-Kindern häufiger in Kinderheimen und Gerichtsverfahren wiederzufinden. Beteiligte Pädagoginnen und Pädagogen sowie Richterinnen und Richter waren vor allem aus Europa zugewandert oder hatten einen europäischen Migrationshintergrund. Im Rahmen einer umfassenden Bürgerrechtsinitiative in Neuseeland wurden Veränderungen im Kinder- und Jugendhilfesystem vehement eingefordert, eben weil eine »kulturelle Invasion« der europäischen Familienwerte und Verwaltungsnormen erkannt wurde. Um für das Wohl und die Sicherheit eines Kindes zu sorgen, das besondere Unterstützung brauchte, kannte die traditionelle Gemeinschaft der Maori die Idee des mātua whāngai.6 Kinder, die auf Hilfe angewiesen waren, wurden im Kreis der erweiterten Familie versorgt. Der Familienrat hat in einer die ganze Familie einbeziehenden Whānau Conference 7, die die Maori in solchen Fällen durchführen, seine traditionellen Wurzeln. Erklärtes Ziel einer Empfehlung des Bürgerrechtskomitees war es, Prinzipien des mātua whāngai in das soziale System zu integrieren und somit den Fokus wieder mehr auf die kindliche Entwicklung und Erziehung mit Unterstützung seines familiären Umfeldes zu setzen (Ministerial Advisory Committee on a Maori Perspective for the Department of Social Welfare 1988).

Die Orientierung an dieser Tradition für eine bedarfsorientierte Reform des Hilfesystems dient hier als herausragendes Beispiel für eine realisierbare Kooperation zwischen Regierungsbehörden und einer bestehenden, lebensweltlichen Gemeinschaft. 1988 wurde vom Department of Social Welfare unter Berücksichtigung des Sachverständigenberichts der Expertenkommission das Modell des mātua whāngai in Form des Family Group Conferencing gesetzlich verankert (Ministerial Advisory Committee 1988). Außerdem wurde durch das Festhalten des Ablaufs, der Durchführung und der Rolle der Koordination eines Familienrats im vorliegenden Gesetz das Hilfesystem dazu verpflichtet, im Falle des Kinderschutzes und in der Jugendgerichtshilfe den Kreis der Betroffenen zu erweitern und in die Lösungsfindung miteinzubeziehen.

Die Kraft des Miteinander

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