Читать книгу Die Kraft des Miteinander - Группа авторов - Страница 27
Die Koordinatorin eines Familienrats beginnt ihre Arbeit
ОглавлениеIm Rahmen der Vorbereitungsphase verabredet sich die Koordinatorin mit der Mutter (siehe Abb. 1). »Die Kinder sollten auch dabei sein, wenn es möglich ist«, empfiehlt sie am Telefon. Sie wird von der Mutter an der Wohnungstür begrüßt. Eine stattliche brünette Frau mit modernem Kurzhaarschnitt, gemütlichem Outfit und rotlackierten Fingernägeln. Mit einem Lächeln lässt sie die Koordinatorin in ihre Wohnung treten: »Kommen Sie herein.« Diese folgt der Mutter durch den engen Flur in das Wohnzimmer. Neben einer alten Zweier- und einer Dreisitzer-Couch findet ein großer PC-Tisch mit einem 17-Zoll-Bildschirm Platz. Davor sitzt der neue Ehemann, dreht sich auf einem Bürostuhl um und lächelt freundlich: »Guten Tag, ich bin der Mann von Frau Özgür.« Er streckt der Koordinatorin eine Hand entgegen, während die andere Hand hastig seine Zigarette zum Mund führt, um gierig daran zu ziehen. Er scheint etwas nervös zu sein.
Gegenüber der größeren Couch befindet sich ein riesiger Fernseher. Stumm flimmert eine der aktuellen Nachmittagssoaps über den Bildschirm. Die Luft ist getränkt von frischem Zigarettenrauch und die Geräuschkulisse erinnert, dank dem PC aus den 1990ern, an einen Heizungskeller. Die Wohnung könnte etwas Weiß vertragen – Tapeten und Gardinen haben die Farbe des Nikotins angenommen. Die Mutter ruft nach den Kindern und prompt stehen Yunus (8), Adam (12) und Ali (16), der Älteste, im Wohnzimmer und nehmen nach einem »Hallo!« auf dem Boden Platz. Ein Smalltalk beginnt, wie es dem Paar denn die Woche so erging. Die Koordinatorin versucht das Gespräch auf den Familienrat zu lenken: »Die Mitarbeiterin vom Jugendamt berichtete Ihnen ja schon vom Familienrat und sie teilte mir mit, dass Sie dafür bereit wären?« Frau Özgür erwidert: »Glauben Sie mir, wir tun alles, um den Vater loszuwerden.« Sie lacht verlegen: »Der Vater ist ja auch gar nicht das Problem. Eher die neue Partnerin. Seitdem er mit ihr zusammenlebt, hetzt sie ihn gegen uns auf. Andauernd beschwert er sich, dass die Kinder nicht gepflegt genug wären. Oder sie zu viel Fernsehen schauen. Wir sind zu allem bereit, damit das aufhört. Obwohl ich nicht so recht daran glaube, dass das was ändern könnte.«
Das Jugendamt möchte den Familienrat vor allem für den Vater und so fährt die Koordinatorin fort: »Nun gut. Für einen Versuch wären Sie doch bereit, oder?« Die Mutter nickt und versichert, dass es ja vor allem um die Kinder gehe. Auch die Kinder werden gefragt. Yunus und Adam sind mittlerweile mit dem Handy beschäftigt, der Älteste antwortet für alle drei: »Also wir sind bei allem dabei, sodass Mama und Papa nicht mehr so viel streiten.« Die Koordinatorin erklärt, wie die Vorbereitung auf den Familienrat ablaufen wird. »Wir könnten heute schon eine Netzwerkkarte erstellen. Da Sie ja insgesamt fünf Personen sind, würde ich vorschlagen, dass ich heute mit Ihnen, Frau Özgür, und Ihrem Mann die Netzwerkkarte mache, und ich vereinbare einen zweiten Termin mit Ihren Kindern, wäre das in Ordnung?«. Die Mutter zögert: »Okay, aber das sollte bitte nicht länger als eine Stunde dauern.« Die Kinder ergreifen die Chance und ziehen sich in ihre Räume zurück. Auch aus den Kinderzimmern dröhnen die Ventilatoren weiterer Computer.
Abb. 1: Schritte zur Durchführung des Familienrats (Roth u. Früchtel 2017, S. 27)